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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Heilbut, Emil: Berühmtheiten von Madrid
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0462

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von Herma

früher anders gewesen sein, als die Kaiser und Könige
selber kämpften. Der Anfang war ziemlich vielver-
heißend. Sehr großer Zirkus, sehr blaue Luft und
sehr maurische Architektur in den Bogen, welche die
Logen bilden. Indem man solchen Zirkus sieht, denkt
man vielleicht, trotzdem die Ähnlichkeit keine große ist,
an Griechenland und sein Theater und an die ermunternde
Größe, die das Spiel unter freiem Himmel in einem
Richterzirkel hat. Dreizehn Steinreihen, dann beginnt
erst die Holzung. Das Schreien der Leute fängt eine
halbe Stunde vor der Vorstellung an. .^-puä, a>quä ist
der Hauptlaut ungefähr. Eine Viertelstunde vorher
beginnt die Musik. Natürlich viel Pauke. In der Arena
viel Volk, es ist, als liebte der Madrilenser die Stier-
kämpfe so sehr, daß er diesen Hellen Sand vorher selber
treten will, den seine Ochsen zerwühlen werden. Ein
fortwährendes Gehen, Kommen und Stehen in der Arena.
Leute, die sich sehr deutlich, weil sie dunkle Anzüge haben,
von dem Hellen Sand der Arena abheben. Und grüne
Zettel, papageiengrüne Programme haben sie alle in der
Hand. Die Innenseite des Ringes zeigt einige wenige
"Draperien, sie selber ist kupferfarben, die Draperien
zeigen die Farbe des Bandes von Kisten mit Cuba-
zigarren, braunrot und gelb gestreift. Das Volk, das
auf den Steinreihen der Sonne ausgesetzt sitzt, fächelt
sich mit ebenso gefärbten Wedeln. Das Holz der Arena
ist rotbraun. Die Arena wird wiederholt gesprengt. —
Zum Schlüße leert sie sich von den spazierenstehenden
Zuschauern und im Moment sieht man die ungeheuere
Masse der Zuschauerplätze eingenommen; ein Anblick, der
imposant ist und etwa die Figuren, die im Ring uns
gegenüber sitzen, so klein und niedlich zeigt, wie auf
Aquarellen des Wiener Malers Alt.

Es kommt dann eine pfeifende, zischende Fanfare,
begleitet von großen Spektakel im Zuschauerraum. Zwei
Reiter erscheinen, reiten im Galopp an, begrüßen uns.
Spanische Mäntel, Federhüte. Ab. Wieder große Pause.

Ein Marsch.

Die zwei Reiter wieder, diesmal in Abstand von-
einander, Reihe haltend. Sie leiten einen Zug Fußvolk
ein, da sieht man die Berühmten, in schwarzen breiten
Hüten, rosa Strümpfen, Hellen bunten koketten Jacken,
hinter ihnen Reiter ä la Buffalo Bill in gelbem Leder,
glänzend aufgeschirrte Maultiere schließlich. Der Zug
geht um, begrüßt uns, verschwindet. Ein Herold bleibt,
grüßt nochmal. Man schließt die Gitter. Ein scharfe
Fanfare, die Arena ist ganz leer, — der Stier. Ver-
blüfft. Blickt um sich. Zottig. Drei Kerle erscheinen.
Lassen sich jagen. Fünf erscheinen. Und so weiter; jetzt
beginnt der Kampf und Sie können sich denken, wie
er endet.

Aber ich bin ganz von Goya abgekommen.

Goya gehörte im Anfang einer Quadrille an, einer
von Ort zu Ort ziehenden Zirkusgesellschaft; da er zu arm
war, um auf direkterem Wege von seinem Heimatsort,
der bei Saragossa lag, an die Kunstschule in Madrid
zu kommen. Schüler geworden, setzte er das Kämpfen
und Jagen fort, war indessen talentvoll, wurde nach
Rom geschickt, kämpfte auch da, gegen Männer, für die
Frauen, entführte Nonnen, spielte Guitarre, machte Rom
zu seiner Bühne, sich zu einem Abgott, war bekannt in

Helferich ZK?

der Campagna, war der geniale Künstler, „der" geniale
Künstler, wissen Sie, mordete dann, glaub' ich, schließlich
jemanden und mußte durch die spanische Gesandtschaft
geschützt werden.

Sie können sich denken, wie er hernach in Madrid
gefiel!

Und wie denkt man sich Theophile Gautier mit
seinen langen Haaren, mit der roten Weste und den
romantischen Zügen: — nicht wahr, es ist ganz klar,
daß sich solche Anekdoten erzählen lassen, für einen
Mann mit einer roten Weste eins war mit dem andern:
die Bilder dieses Saus- und Brauskerls zu bewundern.

Vorher aber hatte sich längst Goyas Schicksal ab-
gespielt. Goya war in Bordeaux 1828 als Achtziger
gestorben. Und zwar hatte er noch in Bordeaux nicht
die Stierkämpfe ansehen können und etwa wie jener
Bahnhofinspektor in Nordbayern, der täglich, sein Frei-
billet verfahrend, nach München fuhr, einige Maß trank
und zurück — glitt Goya die etlichen Meilen von Bor-
deaux nach Madrid einmal in der Woche und verschwand
seinen Freunden wie ein Pfeil.

Alles an ihm ist blitzartig — leider auch seine
Malerei!

Denken Sie sich — würde ein romantischer Kritiker
sagen — die sieben Farben des Regenbogens in sieben
Pistolenläufen voneinander getrennt aufgehoben. Goya
betritt sein Atelier oder sagen wir mit mehr Berechtigung:
seine Rennbahn. Er spannt seine Pistolen. Er spannt
auch seine Leinwand erst auf, d. h. denken Sie nicht,
daß er sie fein säuberlich, so wie ein Kunstmaterialien-
händler, mit tausend Stiftchen in wirklich würdigen Zu-
stand brachte, nein, beliebig, bald hier, bald da ein
Nagel — denken Sie, wie genial! nein! wie das Gautier
gefallen mußte! Er raufte sich die Haare vor Vergnügen.

Und nun das Malen. Blitz: ein Schuß weiß, Blitz!
ein Schuß gelb, und so fort. . .

Nein, werden Sie sagen, mein Lieber, du über-
treibst. Ein Mann, der so hastig arbeitet, so fackelt,
so, man möchte sagen, lärmend malt — der ist nicht
danach angethan, Ruhm in Spanien, Frankreich und der
Welt zu erringen, nach seinem Tode noch von sich reden
zu lassen und ein, wenn auch lächerliches Buch zu ver-
anlassen*), das als Einleitung die Worte trägt: Frank-
reich hatte als Ausgangspunkt seiner Revolution einen
Schriftsteller, Jean Jaques Rousseau — Spanien hatte
Goya . . .

Mit Verlaub, werde ich Ihnen antworten: mir ist
die Sache ja selber nicht klar. Ich zerbreche mir ja fort-
während den Kopf. Dieser Theophile Gautier, ein Mann
von so immensem Talent, ein Mann, dessen Schilder-
ungskraft nicht allein, dessen Urteil auch ich dem meinigen
übertragen hatte, und Justi! und Manet! und all die
andern. Was aber soll ich thun? Soll ich zu meinen
Augen sagen: Adieu? Soll ich diese Klexe bewundern?
Diese Unzulänglichkeit der Zeichnung übersehen?

Ich will einen Spaziergang im Prado machen und
mir den Goya überlegen. Sie glauben, ich wollte
bummeln? aber ich werde Ihnen beweisen, daß hiermit
eine weise Absicht erfüllt wird.

*) Uriarte, Biographie Goyas, Paris, Verlag von Plon.
 
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