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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 6.1926

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Heft 4 (April 1926)
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Nicklass, Elsa: Kunst und Religion
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Grothmann, Heinrich: Widerlegung von Einwänden gegen den Zeichen- und Kunstunterricht am humanistischen Gymnasium
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https://doi.org/10.11588/diglit.23685#0086

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77

Worauf die zweite Klasse mik der ersten gemein-
sam fortfuhr:

Oft erscholl der Schwur!

Ward auch ofk gehalten —

Doch in engem alken Sinne nur.
rlnd so fort, immer eine Klasse nach der anderen
cinfallend, datz der Sprechgesang immer mehr und
mehr anschwoll, anwachsend wie der Fluß in Maho-
met's Gesang! Besonders rührend klang darin, von
den zarten Kinderstimmen der sechsten Klasse allein
gesprochen das:

Liebk das Böse — gut,

Lehren tiefe Seelen,

Lernt am Hasse stählen — Liebesmut!"
Alle fielen dann in den letzken Bers ein — so daß
cs ein groher Echlußsprechchor wurde. Beethovens:
„Gott Deine Güke reicht so weit" sollke den Abschlutz
geben — da wir die Liedworte aber an den An-
fang unserer Andacht setzen mußken, ließ ich das
Ganze ausklingen mit Beethovens: „Die Himmel
rühmen des Ewigen Ehre."

Es ist gut, den Kindern künstlerisch Hochstehendes
auch in solchen Andachken zu bringen. Und an dieser

Andacht waren sie in so hohem Maße selbst be-
keiligt und mußten künstlerisch mikschöpferisch sein
beim Einüben der Gesänge und Sprechstrophen, datz
eine Gemeinsamkeit und ein echtes Beteiligtsein viel
stärker gefördert wurde als sonst.

Kunst — immer mehr Kunst in alle Unkerrichks-
stunden der Kinder — sie schafft höchste Werte und
steigert das religiöse Empfinden! Und wie aus
religiösem Bedürfnis alle Uranfänge der Kunst einst
enksprangen und in dem religiösen Gefühl der Bölker
also ihren Ursprung hatten, so ist sie ein für alle Mal
der Religion ewig verknüpst — Religion ohne Kunst
und Kunst ohne Religion ewig nichk zu denken —
zwel heilige Schwestern reichen sich die Hände. Goekhe,
den schon ofk Genannken, lasse ich die letzten Worte
sprechen:

Wie Natur im Bielgebilde
Einen Gokt nur offenbart,

So lm weiken Kunstgefilde
Webt ein Sinn der ew'gen Art.

Dieses ist der Sinn der Wahrheit
Der sich nur mit schönem schmückt,

Und getrost der höchsten Klarheit
Hellsten Tags entgegenblickt."

Widerlegung von Einwänden gegen den
Zeichen-- und Kunstunterricht am humanistischen Gymnastum

Bon Heinr. Grokhmann.

Borbemerkung: Auf die Angriffe des Herrn Geh.
Studienrats Dr. Funk, Magdeburg, im pädagogischen
„Tag" hatte ich im Aufkrage folgenden Gegenarkikel
geschrieben, und zwar, da sich grohe Tageszeikungen
gewöhnlich nichk auf Polemiken einlassen, als selb-
skändigen Aufsatz, der nicht ein einziges Mal
den Namen jenes in der Sache gegnerischen Ber-
fassers nennt. Trotzdem wurde mein streng sachlich
gehalkener Artikel erst auf dringliche Borstellungen
angenommen, ist aber erst nach sieben Monaten ver-
öffentlicht worden. Ich will nichk nach den Gründen
fragen, welche die Schrifkleitung des „Tag" veranlaßk
haben, den Namen des Berfassers zu unkerdrücken
und den Titel des Aufsahes zu ändern. Ungewöhnlich
ist es beim „Tag" jedenfalls, einen sachlick gebalkenen
Aufsatz anonym <„von unkerrichkeker Seike wird uns
geschrieben") vor die Oeffenklichkeit kreken zu lassen.
wenn der Derfasser die Anonymikäk nicht selbst ge-
wünsckt hat. Tlnverttändlich ist es, datz der »Tag" dem
Artikel den Titel „Erziehung zur Kunst" gegeben hat.
Diese Ueberschrift ifi für einen Aufsah, der flch aus-
schliehlich mit Einwänden, die von seiken des huma-
nistischen Gymnasiums gegen den Zeichen- und Kunst-
unterrichk erhoben werden, viel zu allgemein. All-
gemein über Erziehung zur Kunst HSkte ich wesenk-
lich anders geschrieben. Doch die Hauptsache ist, daß
der Arkikel überhaupk erschienen und denjenigen
Lesern zu Geflchk gekommen ist, die durch den vor-
aufgegangenen Aufsah des Herrn Dr. Funk gegen
den Zeichen- und Kunstunterricht am Gymnaflum (und
vielleicht auch allgemein) zum Nachteil desselben be-
einflußt worden waren.

Vgl. übrigens hierzu die Enkgegnuna des Herrn
Prof. Kolb in Nr. 8. 1S2S, dieser Zeitschrtft.

Grothmann.

Am Gymnasium ist man ungehalten darüber, daß
die Zeik für die Kunstfächer (und freilich auch noch
für anderes) nur durch die erneute Kürzung des
Lakeinunterrichks „erbeukek" worden ist. Ilm das
Uebel an der Wurzel zu fasten, sucht man nuir den
Kunstfächern die Berechtigung eines lntegrierenden
Bestandteils des Schulunkerrichts abzusprechen. Es
soll im folgenden solchen Bersuchen, sowetk sie das
Zelchnen betreffen, entgegengekreten werden.

Dle Gegner des Zeichenunkerrichts als eines all-
gemein-verbindlichen Faches behaupten:

1. die Freude am selbständigen künstlerischen Ge-
ltngen werde immer nur ganz wenkgen beschleden
sein, weil vom richtigen Seyen zum richtigen techni-
schen Wiedergeben des Gesehenen noch ein grotzer
Schrltt blesbe;

2. das Zeichnen sei nichk so allgemeln lchrbar, daß
es mik erheblichem Nutzen zu einem inkegrierenden
Bestandteil der Schule gemacht werden könne. Wenn
aber doch, so sei es fraglkch,

3. ob wirklich alleS, waS dem jugendlichen Geiste
irgendwo einmal förderlich sein kann, gerade zwangs-
weise in der Echule bekrieben werden müffe.

sich beginne mit dem letzken Einwande, dem ich
durchaus zustimme. Es geht nichk an, datz alles, was
dem Schüler einmal nützlich sein könne, zwangsweise
in der Schule bekrieben werden müffe. Gar zu viele
Ansprüche werden gegenwärtig an fie gestellk. Zu
den Dingen, die zwar anaenehm und nühlich sein
können, nicht aber notwendig stnd, gchörk der Zei-
chenunterricht jedoch ganz gewiß nicht. Die Fähig-
keiten, die er zu pflegen hat, sind eln so wesentlicher
Bestandkeil der (humanen) Persönlichkeitsblchung, daß
eine Schule, die sie vernachlässtgk, aus der Reihe der
allgemein hilüenden Lehranstalten herauZtritt. Dex
 
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