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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 45.1931-1932

DOI Heft:
Heft 12 (Septemberheft 1932)
DOI Artikel:
Bauer, Clemens: Kapitalistische Wirtschaftsordnung?
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https://doi.org/10.11588/diglit.8819#0889

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des GesamtvolllmenS geschätzt. Hier liegen Latsächlich bedeutsame Ilköglichkeiten
der Kapitallenknng und damit der WirtschaftSgestaltung von seiten der ösfentlichen
Hand vor.

Die Frage nach den Vor- und Nachteilen der össentlichen Unternehmung ist hier
nicht zu beantworten. Es handelt sich hier lediglich darum, wie sich die össentliche
Unternehmung in die kapitalistische Marktwirtschaft eingliedert. Aus der Tatsache,
daß es sich bei Staat und Gemeinde nicht um Privateigentum, sondern um Ge-
meineigentum handelt, dars man keinessalls den nichtkapitalistischen Charakter der
össentlichen Unternehmungen schließen, denn diese Tatsache sagt lediglich etwas
aus uber ein Rechtsverhältnis, das in erster Linie für die Weiterverwendung der
diesen Unternehmungen erwirtschafteten Erträge ausschlaggebend wird. Jm ganzen
aber ist die össentliche Unternehmung völlig in die sreie Marktwirtschast ver-
flochten, sowohl bei der Beschassung von Kapital, Arbektskrästen und ProduktionS-
mitteln, als auch in der Orientierung der Produktion an den Marktdaten, soweit
es sich nicht um Monopolbetriebe handelt. Sie stellt also noch kein Element der
„Überwindung des Kapitalismus" in Richtung aus sozialistische Planwirtschaft dar.
Selbst wo das fiskalische Prinzip sehlt — was übrigens bei der Stellung als „wer-
bende Betriebe" im Haushalt von Staat und Kommunen immer seltener wird —,
garantiert die Notwendigkeit einer unteren Rentabilitätsgrenze auch sür die össent-
liche Unternehmung die Wirksamkeit des privatkapitalistischen OrdnungSprinzipS.
Unleugbar aber gibt daS Anwachsen der Bewirtschastung eineS großen Teils des
Kapitalmarktes durch össentliche Banken unter der Doraussetzung einer einheit-
lichen wirtschaftspolitisch orientierten Lenkung deS Kapitals die schwerwiegendsten
Möglichkeiten sür eine Umgestaltung bzw. Aufhebung der freien Markt-
wirtschaft.

S o z i a l p o l i t i k und Kapitalismus

Man kann die Wirkung der staatlichen Sozialpolitik in ihrem Doppelaspekt von
staatlicher Lohnpolitik und staatlicher Zwangssozialversicherung so charakterisieren,
daß sie Danereingrisse vornimmt mit der Absicht, die materialen Bedingungen des
Wirtschaftens der innerhalb der sreien Marktwirtschaft stehenden Einzelwirtschaster
zu beeinflussen. Damit schafst sie sozusagen einen Rahmen, innerhalb dessen sich
das kapitalistische Wirtschasten abzuspielen hat. Ohne sie ausheben zu wollen, seßt
diese Politik mit ihren Vorschristen und Einrichtungen ganz bestimmte materielle
Voraussetzungen, innerhalb deren diese Formalordnung zu sunktionieren hat. Die
staatliche Lohnpolitik mit dem System der staatlichen Zwangsschlichtung übt nun
über diese allgemeine Wirkung hinauS aus dem ArbeitSmarkt als einem der Haupt-
sektoren innerhalb der Marktwirtschast ganz entscheidenden Einsluß, insosern sie
den MechanismuS der sreien Arbeitspreisbildung am Markt in seinem Ablaus
nach teilweise außerökonomischen Gesichtspunkten zu beeinslussen sucht: allerdings
weitgehend als Vermittler zwischen sestorganisierten ArbeitSmarktparteien. klnd in
dieser Eigenschaft wirkt sie wieder als Garant des marktwirtschaftlichen PrinzipS, inso-
weit sie eine Zersetzung durch großeMachtgruppenkämpfe zu verhindern sucht. Noch
verwickelter wirkt sich im einzelnen das System der Sozialversl'cherungen aus. Zunächst
ergibt sich durch die Leistungen der Sozialversicherungen — sie bedeuten eine Mini-
mallohngarantie — eine Grenzfestlegung für die Lohnbewegung, also eine Be-
schränkung der Wirksamkeit deS PreisbildungÄmechanismus. Jn zweiter Linie
aber bewirkt die Art der Ausbringung der Versicherungsbeiträge Eingrisse in die
sreie Marktwirtschast: erhöhten Kapitalbedars des klnternehmerS sür den Produk-
tionskostensaktor „Soziallasten" (klnternehmerbeiträge), also Eingrisse in den Kapital-
markt; Zwangssparen beim Arbeitnehmer (Arbeitnehmerbeitrag), also Eingriss in
den VerwendungSbereich der Einkommen. Die großen SozialversicherungsLräger

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