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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 40-50 (5. April - 28. April)
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richteten Vorwürfe zu entkräften; letzteres hauptsächlich, um die
Wahrung des Bundesfriedens zu betonen. — Die Mehrzahl
der übrigen Regierungen stimmte einfach für die Verweisung
des preußischen Vorschlags an den Ausschuß. (Fr. Pstztg.)
Wien, 19. April. Meine Mittheilung aus Dresden,
welche ich allerdings aus zuverlässigster Quelle schöpfte und die
besagte, daß zwischen den Regierungen von Bayern und Sachsen
bereits ein Programm in der deutschen Frage, welche der preußi-
sche Antrag aufs Neue angeregt hat, vereinbart wurde, wird von
dem Württembergischen Staatsanzeiger bestätigt. Ich kann heute
hinzufügen, daß dieser Vereinbarung auch Württemberg und
Hessen beigetreten sind und mit Hannover bezügliche Verhand-
lungen geführt werden. Die Vereinbarung beruht auf dem
Gedanken der Trias insofern als die dritte deutsche Gruppe
nach einer innern kräftigen Organisation strebt.
Wien, 20. April. Die Entwaffnungsfrage ist erledigt.
Eine dies constatirende Kundgebung wird in der morgigen
Bundestagssitzung erfolgen.
* Berlin, 18. April. Die „Provincialcorrespondenz sagt:
„Für Preußens Gesammtpolitik ist es höchst wichtig, daß durch
eine Bundesreform die Möglichkeit gewonnen werde, eine Aus-
gleichung der Militärlast Preußens gegenüber Deutschland und
damit zugleich eine Ausgleichung des inneren Zwiespalts zu
finden." (Sehr naiv! Preußen fängt also blos Spektakel an,
damit die andern deutschen Staaten, um dem Schreier das
Maul zu stopfen, die ungeheuren Steuern bezahlen Helsen, welche
das preußische Volk für seine Militärlast tragen muß. Das wäre
noch schöner, wenn wir übrigen Deutschen auch noch die Berliner
Säbelschlepperei, die uns gar nichts angeht und Allen in der
Seele zuwider ist, mit unserem Gelde bezahlen sollten! Ja, Ihr
Philister der kleindeutschen Professorenpartei, Euch werden die
Augen und der Geldbeutel noch aufgehen, wenn Ihr das Un-
glück haben solltet, eine preußische Oberherrschaft genießen zu
müssen! Der Bote.)
Offenes Schreiben an das Heidelberger
Wahlcollegium.
Mitbürger!
Es ist eine nicht wegzuläugnende, stadtkundige Thatsache,
daß unter der hiesigen Bürgerschaft — wenigstens unter dem
fortschrittlichen Theile derselben — keine großen Kirchenlichter
zu finden sind, so daß ein hohes Collegium sich in der unan-
genehmen Lage befindet, vergeblich nach einem bürgerlichen Kan-
didaten für die neu zu besetzende Abgeordnetenstelle ausschauen
zu müssen. So hat sich denn hier das Gerücht verbreitet, daß,
nach langem Suchen mit der Diogeneslaterne, man sich ent-
schlossen habe, entweder einen am schönen Bodensee herrschenden
Beamten, oder einen hier wohnenden früheren Lieutenant und
Redakteur des „Journals", oder auch einen hochgelahrten Pro-
fessor unserer Hochschule in die Kammer zu schicken.
Meine Herren! Man kennt mich als einen bescheidenen,
stillen, vom Ehrgeiz nicht geplagten alten Mann; aber der
traurige Gedanke, daß aus der Bürgerschaft unserer Intelligenz-
stadt kein passender Kandidat gefunden werden sollte, hat mich
aus der Einsamkeit meiner Schloßbehausung herausgetrieben
und mich zu dem Opfer bereit gemacht, meine eigene Kan-
didatur einem verehrlichen Collegium anzubieten. Ich durfte
die falsche Bescheidenheit nur so mehr fallen lassen, als ich mir
als Redakteur des Pfälzer Boten, eines weltberühmten Blattes,
einen bedeutenden Namen in der politischen Welt gesichert habe,
so daß die Blätter der gegnerischen Richtung, wie namentlich
die Badische Landesbase, bei wichtigen Vorkommnissen fragend
ausrufen: „Was wird Flaschon dazu sagen?" Ich dürfte also
die gegründete Aussicht haben, meinen ziemlich unbekannten
Kollegen vom Heidelberger Journal aus dem Felde zu schlagen,

den Dirigenten eines Blattes, das durch seine preußenspitzliche
Richtung sich um alle Abonnenten gebracht hat und durch die
gelehrt thuende Verschrobenheit seiner Leitartikel sein baldiges
Ende beschleunigen wird. Trauriges Schicksal, wenn die Gelehrten-
welt ersten Ranges einen Offizier bitten muß, nicht mit dem
Schwerte als ihr Ritter aufzutreten, sondern mit ihrer ureigen-
sten Waffe, mit der Feder ihre Vertheidigung zu übernehmen'!
Aber auch mit den Profefforen-Candidaten wage ich in die
Schranken zu treten. Ist meine Beredsamkeit auch nicht so
glänzend wie die ihrige, so getraue ich mir doch ebenso kurz-
bündige, den Kern der Dinge sogleich treffende Reden zu halten,
wie unser hochverehrter erster Abgeordneter. Steht es ja doch
schon geschrieben: „Eure Rede sei Ja! Ja! Nein! Nein!" und
während Letzterer stets Ja! in der Kammer zu sagen pflegt,
würde ich — denn Abwechslung verschönert das menschliche
Dasein — stets mit Nein! meine Reden schließen. Glauben
Sie mir, Mitbürger, der viele Balast der langschweifigen Pro-
fessorenreden ist überflüssig, ja schädlich, denn die Kammersitzun-
gen werden dadurch noch mehr in die Länge gezogen, was den
Volksgeldbeutel, den die Herren das Büdget nennen, immer
stärker belastet. Sollten Sie übrigens, hochverehrte Herren,
unbegreiflicherweise auf Gelehrsamkeit ein besonderes Gewicht
bei der Wahl eines Deputirten legen, so glaube ich auch in
diesem Punkte meinen Mitbewerbern nicht nachstehen zu dürfen.
Wenn Sie die Güte haben und Nr. 16 des Pfälzer Boten von
diesem Jahre nachschlagen wollen, so werden Sie als das Resultat
meiner wissenschaftlichen Studien und „Forschungen" eine
naturgeschichtliche, höchst gelehrte Abhandlung über die Vögel
der neuen Aera finden, in welcher ich längst gehegte wissen-
schaftliche Vorurtheile glänzend besiegt und den Begriff der
„Gimpel" unwiderleglich „festgestellt" habe. Insbesondere ist es
mir bei meinen „Forschungen" gelungen, zwei große Gelehrte
des vorigen Jahrhunderts, Bechstein und Lat Ham, Geheime-
räthe der ersten Wagenklaffe, gänzlich aus dem Felde zu schla-
gen und in ihr wissenschaftliches Nichts zurückzuwerfen. Uebri-
gens seien Sie überzeugt, daß die Gelehrsamkeit in der Kammer
wenig Beachtung verdient. Man muß sich dort ausschließlich
mit den praktischen Interessen des Landes und der Stadt be-
fassen, wovon aber die Professoren gewöhnlich nicht mehr ver-
stehen, als die Esel vom Guitarrespielen.
Gerne würde ich Ihnen persönlich mein politisches Pro-
gramm entwickeln und Ihnen darthun, wie ich den weilest ge-
henden Fortschrittsgrundsätzen huldige — mit Ausnahme der
Zuvielehe; denn ich glaube, es hat jeder Ehemann genug an
einem Hauskreuz und irdischen Fegefeuer zu leiden — allein
die Demokraten finden, wie die Erfahrung lehrt, wenig Gnade
in Ihren Augen, und ich bin zu stolz dazu, als daß ich wie der ehr-
liche Benedei) mich möglicherweise auf dem Gange abspeisen ließe.
Zum Schluffe ersuche ich Sie freundlich, hochgeehrteste Her-
ren und Mitbürger, mir umgehend — denn die Zeit drängt —
Mittheilung über das Schicksal meiner Kandidatur machen zu
wollen, damit ich mir noch rechtzeitig vor der Wahl ein Patent
als Auchweinhändler verschaffen kann, obgleich ich zu meinem
großen Leidwesen keinen einzigen Tropfen Wein im Keller habe.
Denn es wäre für meinen Mannesstolz und die Würde meiner
Stellung eine zu empfindliche Kränkung, von dem grünen Sitze
am Landgraben wegen mangelnder Weinhandlung zurückgewie-
sen zu werden.
Genehmigen Sie die Versicherung meiner vorzüglichsten Hoch-
achtung, mit der ich verbleibe Ihr
Heidelberg, 22. April 1866. I. M. Flaschon,
Pürgerredakteur.


ltllv ^)U^gUUlv, orunrnrrecvrrsriassr,
U rc. rc. zu bedeutend herabgesetzten billigen Preisen

Hl.«UV« I ZLA«1.
Wegen Wegzug verkaufe ich mein Lager in Tuch
und Buxquins, Frauenkleiderstoffe, Barchente, Cattune

Untwort.
Der Heidelberger (Korrespondent der „alten
Landesbase fragt gelegentlich der Berufung des
Dr. Stop von Jena zum Professor der Pädago-
gik an hiesige Universität, was wohl der „Bürger-
redakteur Flaschon zu dieser Vermehrung der Frem-
denlegionäre" sagen wird? Ich erlaube mir dem
geehrten Korrespondenten hierauf zur Antwort zu
geben, daß er allerdings nicht nöthig hat, lange
Nachfragen anstellen zu müssen, wer derjenige ist,
der die französischen Sprachstudien und andere
literarische Erzeugnisse des hiesigen Lehrers Rie-
de l in der Base bis zur Lächerlichkeit zu lobhudeln
pflegt.
I. M. Flaschon, Bürgerredakteur.



Briefkasten.
Nach Jsny. Vielen Dank! Kommt das nächste Mal! Wie geht's?
Der Bote hätte wenigstens einen Gruß erwartet. 1 Pfund weniger!

Druck, Verlag und Expedition von L. Schweiß. — Verantwortlicher Redakteur: I. M. Flaschon.
 
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