Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

DOI article:
Adelung, Sophie von: Maria Stuart, [3]: eine Atelier-Studie
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0205

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
158

Maria Stuart

Line Atelier-Studie von Z. v. Adelung
(Fortsetzung aus dem vorigen Hefte)

<^l!m nächsten Tage ging ich auf Leos Rat zu einigen

Bekannten unseres Professors, die im Richterschen
Hause verkehrten. Natürlich durfte von meinen Absichten
vorerst auch kein Schimmer ans Tageslicht dringen. Ich
ging einfach im Charakter eines jungen Mannes, der des
Fleißes müde, sich nun auch einmal amüsieren will und
zu diesem Zweck einigen Familien seine Aufwartung macht.
— Wie schwer wurde mir, dem allezeit schüchternen Men-
schen, die Rolle des nach Vergnügen und Zerstreuung
Haschenden zu spielen. Zu meinem Verdrusse mußte ich
bemerken, wie bereitwillig ich in Kreisen ausgenommen
wurde, zu welchen ich doch gar nicht gehörte. „Zu etwas
ist Name und Geld doch gut, wenn man ein großer
Künstler werden will," dachte ich bitter, „der Onkel hatte
nicht recht mit seinem Ausspruch." Es wurde mir auch
gar nicht besonders schwer, jemanden zu finden, der mich
auf der ersten Gesellschaft Herrn und Frau Richter vor-
stellte, und ehe ich mir's gedacht, hatte ich eine Einladung
zu einem großen Zauberfest mit Souper im erleuchteten
Wintergarten, Theatervorstellungen u. s. w. erhalten. Das
war nun freilich alles gar nicht, was ich Kunstträumer
wollte und erstrebte. Allein es war der einzige Weg zu
meinem erwünschten Ziele. Ein glühender Eifer war über
mich gekommen, eine Begeisterung, wie ich sie noch nie
empfunden. Vergessen waren Ausstellung, Publikum und
goldene Medaille: das Bild und nur das Bild allein ver-
folgte mich bei Tag und Nacht, unheimlich spukhaft. Wo
ich ging und stand, sah ich Marias blasses, liebliches Ge-
sicht, Rizzios bittenden, liebeflehenden Blick, bis mir war,
als könne ich mich nur durch mein Bild von diesem
Zauberbann losmalen.

Fräulein Richters Schönheit verlor nicht bei näherer
Besichtigung, wenn auch die elegante Abendtoilette dem
schlicht steifen Kostüm Marias noch ferner lag, als der knapp
anschließende Straßenanzug. Sie streckte mir gleich die
Hand entgegen, als ich ihr vorgestellt wurde und sagte: „Ah,
Herr Baron! Ich habe schon sooft von Ihnen gehört! —
Sie sollen ja ein großer Künstler sein!" dann sprach
sie von andern, gleichgiltigen Dingen. Eines aber be-
merkte ich mit Erstaunen: die große Ähnlichkeit mit
meinem Geisteskinde war nur vorhanden wenn sie schwieg.
Dann war sie genau das, was ich geträumt, gewünscht.
Öffnete sie jedoch den Mund, so verschwand der Ausdruck
vollständig. Ich hätte sie am liebsten nie sprechen hören
mögen. Auch brach sie jedesmal, wenn ich mich zaghaft
dem Kreise, innerhalb dessen sich alles bei mir bewegte,
meiner Kunst, nähern wollte, das Gespräch kurz ab. Sie
hatte Freude an schönen Toiletten, an Theater, Bällen,
Bewunderung — was weiß ich? — An der Kunst schien
ihr nichts zu liegen.

Ich fand bald heraus, daß, wenn es mir auch leicht
gewesen war, die ersehnte Bekanntschaft zu machen, es mir
doch schwer fallen würde, meine Bitte anzubringen.
An eine abschlägige Antwort wagte ich nicht zu denken
und mußte deshalb mit aller Vorsicht zu Werke gehen.
Waren Richters auch eitel auf ihre Tochter, so herrschten
doch in dem Kreise, in welchem sie geboren, ausgewachsen
und alt geworden waren, die stärksten Vorurteile, zu denen
ein gewisses „Aber", vor allem Künstlertum gehörte. Sie
machten auch gar kein Hehl daraus und behandelten mich
nur als Baron Wart von Ulmbach — meinen Beruf
aber wie eine nebensächliche Spielerei, so sehr ich mich
auch bemühte, ihnen auseinanderzusetzen, wie ernst es mir
mit demselben war. In kurzer Zeit regnete es Ein-
ladungen auf mein unschuldiges Haupt herab und ich
hatte genug zu thun, diejenigen auszusuchen, wo ich Ge-
legenheit haben konnte, meine Maria Stuart zu sehen.

„Nun, wie geht es?" fragte mich Wolkow eines
Tages. Ich sah meinen Freund nur selten in jener Zeit.

„Niederträchtig: morgen ein Souper bei Richters,
am nächsten Freitag Tanzabend bei Direktor Friedberg
und Samstag Diner bei...."

„Das nennt der Junge „niederträchtig"! Bei
meiner Seel', ich wollte, ich könnte mit dir tauschen.
Bei Richters gibt es gewiß anständigen Sekt, nicht wahr?"

„Und bis jetzt habe ich noch nichts ausgerichtet,"
klagte ich, ohne seine Frage zu beachten.

„Armer Hans!" und Leo strich mir über den Kopf,
wie man Kindern zu thun Pflegt, wenn man sie zu
trösten sucht, so daß ich mich ärgerlich abwandte. „Vielleicht
hast du morgen mehr Glück! Ich finde es schändlich,
daß ich, der ich dir alle diese lukullischen Genüsse ver-
schafft habe, bei Heringsalat und Wurst Nymphen malen
muß. Trüffelpastete und ein Glas Montefiascone oder
auch meinetwegen Chateau la Rose würden mich weit
mehr in die richtige Stimmung versetzen. Du hast recht,
daß du mit deiner Anfrage nicht eilst: so bleiben dir
die Fleischtöpfe Egyptens wenigstens noch für eine Weile
gesichert."

„Warum lässest du dich denn nicht selber bei all
diesen Menschen einführen?"

„Iinpossible, inou aber — unter welchem Titel?
Als strebsamer, zukünftig berühmter Maler etwa?"

Ich schwieg, denn ich fühlte, daß Wölkow recht
hatte: was fragten die Menschen, in deren Kreis ich mich
jetzt gedrängt hatte, nach hochaufstrebendem Talent, nach
jugendlichem Feuer, jugendlichen Idealen?

Allein, ich war fest entschlossen, morgen Abend das
entscheidende Wort zu sprechen. Ich glaubte nun die
Familie Richter genügend zu kennen, um einen Angriff
 
Annotationen