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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 7.1891-1892

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Springer, Jaro: Die akademische Kunstausstellung in Berlin, [2]
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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler - Preisausschreiben - Ausstellungen und Sammlungen - Vermischtes - Kunstliteratur und vervielfältigende Kunst - Vom Kunstmarkt -
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https://doi.org/10.11588/diglit.10735#0417

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Die akademische Kunstausstellung in Berlin — Personal- und Ateliernachrichten

wir gleichgültig vorbei, auch an Ernst Hildebrands
altbekannter „Tullia" und an den Bildern des schon
vergessenen W. Lindenschmit. Wie anders packt uns
da das Bild von Kampf und ruft uns wieder die alte
Wahrheit ins Gedächtnis, daß es nicht der Gegenstand
ist, der ein Bild gut oder schlecht macht. Wir sehen den
großen Hörsaal gefüllt mit begeisterten Hörern jeden
Alters, aus allen Ständen, auch zwei Frauen haben sich
hereingedrängt, links in der Ecke der Katheder mit dem
Professor in der Pose des pathetischen Redners. Von
seinem Gesicht ist wenig zu sehen, wir sehen nur die
Begeisterung, die die Rede des Professors bei allen Hörern
entzündet, und das ist auch das einzig Malbare des Vor-
gangs. Eduard v."Gebhardts Bilder und Skizzen bilden
die größte Sonderausstellung. Er ist der bevorzugte Maler
des strenggläubigen Protestantismus. Für meinen Ge-
schmack hat er zu viel von dem Herben und Salzigen
der deutschen Reformationszeit, und das ist angeeignete,
jedenfalls nicht moderne Empfindung. In Karlsruhe
malt Schönleber immer noch gute Landschaften und er
wird wohl Jahrzehntelang weiter so arbeiten. Seine
Entwickelung ist jedenfalls abgeschlossen. In Dresden kann
allein Dora Hitz etwas, und dieses Etwas ist recht viel.

Von außerdeutschen Malern ist beinahe nichts ein-
geschickt worden. Ich erwähne die beiden trefflichen feinen
Bildchen von Francisco de Pradilla und ein selt-
sames Bild des in Paris arbeitenden Amerikaners Mac
Ewen und schließlich eine Reihe Aquarelle von Ludwig
Passini, die uns aber auch nichts Überraschendes zeigen.

Die seltsamste Erscheinung und in keine Schule ein-
zureihen ist Hans Thoma. Lange verkannt und gering
gerechnet ist er für das größere Publikum erst ganz
kürzlich berühmt geworden. Er selbst hätte darüber ver-
kommen und verhungern können, wenn er nicht die
Energie der großen Genies besessen hätte. Immer gleich
ausgezeichnet in der Zeichnung ist seine Farbe kräftig, aber
oft schwer. Dem größerem Publikum werden seine Land-
schaften seine großen Gaben jedenfalls am freiesten zeigen.

Die plastische Abteilung befriedigt, wie immer in
Berlin, so auch diesmal am meisten. Man erkennt den
Vorteil einer alten und gut gepflegte» Tradition. Das
Hauptstück ist Siemerings Washington-Denkmal für
Philadelphia in Gips. Leider ist das große Standbild,
das kaum in den Saal hineingeht, in der Gesamtwirkung
gar nicht zu übersehen, ein gleichzeitig ausgestelltes Modell
gibt dafür nur geringen Ersatz. Danach scheint aber,
wie bei modernen Denkmälern leider allgemein üblich,
das Hauptstandbild in der Mitte allzusehr überhöht, die
übrige Anlage zu groß und vielgestaltig sein. Von den
isolierten großen Tieren sind einige in Bronze ausgeführt
und zeigen die treffliche Modellierung. Dagegen erscheint
das Denkmal von Eberlein recht mäßig, namentlich der
unglückliche Löwe fordert den Spott heraus. Recht gut
ist das schlafende Mädchen von Robert Toberentz.

Von den dekorativen Plastischen Arbeiten gefällt der
anmutige Brunnen von C. v. Uechtritz.

Ein zusammenschließendes Urteil über die diesjährige
Berliner Ausstellung zu geben, ist nicht von nöten. Höflich
konnte es nicht ausfallen. Der Besucher der Ausstellung
bedarf auch keiner Führung und keiner Aufklärung. Denn
wer irgendwie oder irgendwo gelernt hat, Kunstwerke zu
sehen, der weiß es schon längst, daß Berlin die Heimat
für alles mögliche sein mag, nur nicht für die Kunst.

Personal- und Atelier-Nachrichten

Ickcll. Indem wir zwölf kleine landschaftliche Radierungen
des Amerikaners S. L. Wenban vor uns liegen haben, er-
innern wir uns mit Wohlgefühl eines Klubs von amerikanischen
Künstlern, in welchem es uns gegeben war, vor einigen Jahren
manche angeregte Stunde zu verleben. Das war ein Künstlerklub
ganz IL-bas, an den Enden von München, draußen, wo fast die
letzten Häuser standen, in der Blüthenstraße. Aber in dem Lo-
kale selbst empfand man das nur als einen pikanten Gegensatz
zu dem artistischen, ja mehr als artistischen: man möchte sagen
raffinierten Künstlergeschmacke, welcher im Klub herrschend war.
Inmitten der Münchner Künstlergemeinde hatten diese Amerikaner
ihre eigene und, wie man nicht leugnen kann, in malerischer Be-
ziehung ganz vorzügliche Kunstanschauung, von der wir gleich
bemerken müssen, daß sie etwa Frans Hals, den alten, breit-
skizzierenden niederländischen Meister, als ihr Idol, als ihren
höchsten Künstler ansah. Nur was im eigentlichen Sinne malerisch
war, imponierte diesen Amerikanern. Sie liebten von den neueren
Malern hauptsächlich Leibl — Leibl nicht in seinen ausgeführten
und peinlichen, sondern breiten und pastosen Sachen. Chase war
der Name eines der begabtesten Mitglieder des Klubs, man kennt
von ihm jenes für Maler sehr interessante Pasticcio nach Frans
Hals: den Mann auf dem Stuhle, eine Arbeit in herrlich
schillernden grauen und braunen Tönen, die aller jüngeren Maler
Bewunderung erregte und in München und später in Paris ihre
Weihe durch Medaillen und lobende Erwähnungen sand. Ein
noch Talentvollerer in dieser Gemeinde war Herr Currier, der
Stillleben und überhaupt alles malte, mit stupender Virtuosität
und voll reichen Tones. Und während man sich am Ruhm und
an der Leistung der hervorragenderen Mitglieder des Klubs er-
freute, waren die jüngeren Mitglieder nicht müßig, sondern regten
ihr Kunstgefühl energisch durch das Betrachten nicht allein der
besten und so malerischen Arbeiten ihrer Vereinsmitglieder, sondern
auch durch jene guten Photographien an, die jeden Pinselstrich
nachahmend, von den Werken eines Frans Hals und eines
Velazquez eine so lebendige Vorstellung gewähren und die der
Verein angeschasst hatte. Das war eine Freude, in diesem Künstler-
klub nicht allein das Bier, sondern auch die alten Meister ge-
würdigt zu sehen. Und es waren nicht diejenigen genommen,
für deren Werke ein Nachfühlen geistiger Richtungen unabwend-
bare Vorbedingung ist, sondern solche Maler, die im wirklichen
Sinne des Wortes vor allem Maler waren und bei denen man
im Ton und Kolorit schwelgen konnte — selbst wenn man nur
Photographien nach ihnen sah. Wir glauben nicht zu irren,
wenn wir meinen, daß manche Bereicheret: des jetzt so geschätzten
amerikanische» Holzschnitts ihre künstlerische Heimat in diesem
für das Malerische eingenommenen amerikanischen Kunstklub in
München gefunden und hier den Ton und Duft, welchen die
alten Holländer über ihre Porträts wie über ihre Sittenbilder
und Landschaften zu verbreiten wußten, würdigen gelernt hatten,
diesen Ton und Dust, der ihre Holzschnitte berühmt macht. Mit
dem Auftreten Curriers wurde auch die Radierung, die malerische
Radierung, mit Enthusiasmus zu Pflegen begonnen, und wer
sich jetzt in den Kreisen von Münchner Malern sür Radierung
interessiert, dürfte wissen, daß die ersten Radierer freier malerischer
Richtung in Bayerns Hauptstadt Amerikaner gewesen sind, die
übrigens auch in der Kunst der Radierung nicht jenen Zug von
Abhängigkeit verläugnen, der nun einmal ihnen fast allen —
bis jetzt wenigstens — in Europa eigen gewesen ist; augenblicklich,
von den Amerikanern von Paris geleitet, schwimmen sie ganz im
„modernen" Fahrwasser (Chase ist in die Bahnen von Monet
u. s. w. gekommen), vor einigen Jahren aber noch bewegten
sie sich in München in einer weichen, auch etwas modern ver-
holländerten Abhängigkeit von den besonders malerischen, breiten,
tonersüllten Meistern der Vergangenheit. Die Künstler Amerikas
von vor einigen Jahren, die in diesem Klub sich vereinigten,
sowohl die Holzschneider und die Radierer wie die Maler, würden
ohne die alte Kunst, speziell ohne die holländischen Maler, nicht
zu denken gewesen sein; aber sie hatten von diesen Alten einen
Duft und eine Virtuosität, beides, übernommen, womit sie inner-
halb der damaligen allgemeinen Münchnerischen Anschauung gleich-
sam das Tüpferl auf dem I bedeuteten — wenigstens für die
Malerkreise. Es wurde bei ihnen eine geschickte, freie und un-
gezwungene Manipulation des Handwerksgerätes ausgebildet und
ein guter Geschmack. Sie sind die geistigen Ahnen jener An-
schauung, die bei den jetzigen jüngeren Münchnern, soweit sie
nicht verparisert sind, gepflegt wird. Ihre Tendenz entspricht den
Gedanken derjenigen, die im Gefolge von Diez die Kunst pflegten,
 
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