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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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M 5.

Tomrerstag, den 11. Jammr

1866.


Das Stiftungsfest des katholischen Casinos in
Heidelberg.
Wie könnte der Pfälzer Bote, das Schooßkind des Heidel-
berger kath. Casinos, es unterlassen, von einem Festtage des-
selben Bericht zu erstatten, welcher in den Herzen aller Theil-
nebmer unvergeßlich bleiben wird. Wir feierten am, Abende
des 7. O M. den Geburtstag unseres kath. Männervereins, das
Stiftungsfest! Wie sich doch die Zeiten ändern! Vor einem
Jahre die „wandernden Casinos" Land auf -Land ab. „Es !
handelte sich", schrieb in dieser Beziehung der Gothaer Moniteur
in seinem Blatte vom 1. Dezember 1864, wenn er recht be-
richtet sei, „um Bildung eines geselligen Verbandes im Sinne
der Würzburger Versammlung, also einer Art kath. Jünglings- '
Vereins, wozu jedoch hier ein günstigeOBoden kaum zu erwarten
sein dürfte." Und heute! es hätte weder der Polizei an einem
Ort, noch Mannheimer Pöbels an: andern bedurft, um diese >
Wanderversammlungeu zum Stillstand zu bringen. Der Boden
unseres herrlichen Badenerlandes hat sich als so fruchtbar, so
„güustig" erwiesen, daß diese Pflanzen allüberall Wurzeln schlu-
gen, tiefe Wurzeln, welche immer neue Keime treiben und Baden,
der "„Garten Deutschlands", ist jetzt übersäet mit Hunderten von
ständigen Casinos, eine so merkwürdige Erscheinung, daß die
Geschichtsschreiber der bad, Geschichte einst gefälligst Notiz davon
nehmen werden.
So ist auch auf dem hiesigen „ungünstigen" Boden ein
stündiges (Ogino erblüht — und wer am Abende des 7. Jan.
dessen gesellige Räume beüeten hat, wird sagen, jawohl es ist
erblüh t.
Das lebendige Grün der Tannenbäumchen und der Ge-
winde, - mit welchem einige Mitglieder den Ort des" Festes in -
dankenswerther Weise geziert hatten, und der Schmuck der auf-
gesteckten Fahnen machte schon dein Eintretenden de,n ange-
nehmsten Eindruck. Vier in eiuandergehende Zimmer hatten i
gar bald sich gefüllt, ein bunter Kranz von Männern, Frauen
und Jungfrauen. Während der geselligen Unterhaltung, wäh- >
rend in frohsinnigster Weise auch Zunge und Gaumen ihre An- !
sprüche geltend machen durften, gewährten die Klänge eines
Pianos, von liebenswürdiger Hand hervorgerufen, sowie die
Melodien einer klangreichen befreundeten Schweizerstimme höchst
angenehme Genüsse.
In Zwischenräumen gaben Zunächst auch die drei Vorstände
ihren Gefühlen entsprechenden Ausdruck in längeren Vorträgen;
während der erste die Nothmendigkeit, die Bedeutung, die Zwecke
der kathol. Casinos in lebendigem Vortrage darlegte, in Ver-
bindung mit einer Entwickelungsgeschichte des hiesigen Vereins,
gedachte er zum Schlüsse in begeisterten Worten der beiden Vor-
kämpfer für unsere Bestrebungen, der nie wankenden, felsen-
festen Heldengestalt eines Pius des Neunten und eines Her-
mann, auf welche die Versammlung ein jubelndes Hoch anstimmte.
Ein weiterer Vortrag rief in ernsterSprache unserem Gedächt-
niß all die Kümpfe und Unbilden zurück, welche wir und nufere Ge-
sinnungsgenossen im verflossenen Jahre zu bestehen hatten, besprach
namentlich auch die Wichtigkeit und die Erfolge unferer Presse,
in welcher wir lange nicht mehr so ohnmächtig dastehen, wie
ehedem, wobei eine gewisse Vorliebe für den jüngstgeborenen
Sohn, den kernhaften Pfälzer Boten, nicht zu verkennen war.
Dieses geliebte Schooßkind in den Armen, verwandelten sich die
gemessenen Züge des Redners und die ernste Ausdrucksweise
immer mehr in das naturwüchsige Pfälzisch und als er nament- '
lich erzählte, woher dieser Sprößling unseres Casinos seine
Nahrung bezog nnd bezieht, da war der Humor ein sprudeln- !
der; so konnte es gar nicht ausbleiben, daß am Schluß des j
Vortrags die ganze Versammlung, Jung und Alt in die be- !
liebten Töne des „Boten aus der Palz" einstimmte. Wäre
es nicht unverzeihlich gewesen, wenn nicht der dritte Redner das
Lob der Frauen und Jungfrauen verkündet hätte! In artiger
Weise, wie sichs unter obwaltenden Umstünden gebührt, sprach

er den Männern ans Herz, was er selbst fühlte und Prägte im
Verlaufe dieser Schilderung der weiblichen Thätigkeit, Vorzüge,
Verdienste immer dringender, ob es nicht angemessen sei, bei
dieser Gelegenheit, da zum erstenmal auch die Frauen unter
uns weilten, auch ihnen unsere Huldigungen darzubringen. Die
Rede, heiteren sowohl als religiösernsten Inhalts scheint den Weg
Zu den Männerherzen gefunden zu haben, deun alsbald wurden
die gefüllten Gläser auf des Sprechers Ruf erhoben und in
dreifachem Hoch sprachen die Männer allen christlichgesinnten
Frauen und Jungfrauen ihre Huldigung aus!
Ein anderes Mitglied, stets bereit, die Saiten seiner un-
erschöpflichen Laune anzustimmen, gewährte uns durch die mit
seiner gewohnten fast unübertrefflichen Darstellungsgabe gespro-
chenen Vorträge in pfälzer Mundart einen Genuß, der die Hei-
terkeit unserer Stimmung zu lautem Ausdruck brachte. Auch
andere Vereinsgenossen sprachen, zum Theil in poetischer Form,
die Versammlung an, um ihr zu sagen, was ihr Herz fühlte.
So verlief der Abend in ungetrübter Freude, als noch in
später Stunde das Verlangen, den jüngern Mitgliedern und
Gästen in noch mehr entsprechender Weise einen Genuß zu be-
reiten, als billig anerkannt wurde und unter den Klängen eines
guten, unterdessen eingetretenen Orchesters der Tanz begann.
Da erinnerten sich auch die Alten ihrer Jugendfreuden und man-
ches Paar drehte sich in jugendlicher Frische, dessen gebleichte Locken
allein Zeugniß von der Zahl ihrer Jahre gaben. Kein einziger
Mißton störte die Harmonie des Festes! Daß die verschiedensten
Stände hier vertreten waren, geht schon aus dem Charakter der
katholischen geselligen Vereine hervor. Ob reich, ob arm — ob
vornehm, ob gering, das ist uns Alles einerlei! Und wenn
heutzutage den Worten so vielfach falsche Begriffe unterschoben
werden, so daß sie das Gegentheil von dem bedeuten, was sie
ausdrücken, — so sind die katholischen Casino's eifrig in
dem Bestreben, dem Ausspruch des heil. Vaters nachzukommen:
„den Worten muß ihre Bedeutung zurückgegeben werden!" So
verstehen sie auch in Wahrheit die Bedeutung des Wortes Gleich-
heit, den Sinn des Wortes Brüderlichkeit!
Auf diese Art, unsre lieben Gegner, feiern wir unsre Feste
aus vollem Herzen einstimmeud in das Wort des Mainzer Ca-
sinovorstandes, des Metzgermeisters Falk: „Wir wollen katho-
lische Freiheit und Frömmigkeit, aber auch katholische Fröh-
lichkeit sei jetzt unser Losungswort!"

Bade u.
* Heidelberg, 10. Jan. Aus einem uns zugekommenen
Privatbriefe entnehmen wir Folgendes über den Prozeß Ronge's
zu Saarbrücken:
Ich beeile mich, Ihnen mitzutheilen, daß Ronge am 5. d.
Mts. zu Saarbrücken zu Einer Woche Gefängniß verurtheilt
wurde. Der Hergang ist Folgender : Am 22. März v. I. hielt
Ronge mit polizeilicher Erlanbniß Zu Ottweiler, in einem
Wirthshaus-Saale eine Rede, worin er die päpstliche Encycliea
und das Cölibat stark angriff, und bediente sich dabei unter Ande-
ren! folgender Worte: „Der eigentliche Katholik kann kein guter
Familienvater und eben so wenig ein guter Patriot oder
Staatsbürger sein" — u. s. w.
Dieser Versammlung wohnten die katholischen Rektoren von
St. Wendel und Ottweiler aus Neugierde bei.
Diese beiden Herrn hatten ursprünglich nicht die Absicht,
dem Ronge auf seiue Rede irgendwie eine Erwiderung zu geben.
Als' aber derselbe in seinem Feuereifer immer weiter giug, mach-
ten stich die beiden Herrn Notizen und verlangten eine Gegen-
rede halten zu dürfen. Hierauf erwiderte Ronge: „Meine Herrn!
Ich stabe die polizeiliche Erlaubniß hier reden zu dürfen; wenn
Sie diese auch haben, dann sprechen Sie!" —
Die genannten Herrn hielten es nun unter ihrer Würde,
sich mit demselben vielleicht in einen Streit einzulassen, und ent-
fernten sich und zwar, was leicht zu erklären ist, von dem Ge-
 
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