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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 51-63 (1. Mai - 31. Mai)
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^Z. gl. Samstag, den 26. Mai 1866.



Anfrage.
Ein patriotischer Mann verlangt in der N. Franks. Zeitg.
zu wissen, wer die deutschen Abgeordneten gewesen seien, die in
Frankfurt für den gothaischen Ausschußantrag gestimmt haben.
Wir schließen uns diesem Alaune an und richten zunächst die
gleiche Frage an die badischen Theilnehmer des sog. Ab-
geordnetentages. Heraus mit den Namen, wenn Ihr
Männer und keine Memmen sein wollt!

* Zur Lage.
Die Nachrichten über den drohenden Conslict unserer beiden
Großmächte haben in der letzten Zeit eine etwas friedlichere Ge-
staltung angenommen, so daß gar Manche sich bereits den weitest
gehenden Friedenshossnungen Hingaben. Diese Hoffnungen grün-
deten sich auf die sich bekämpfenden Strömungen am Hofe in
Berlin, die immer noch den Sturz des Grafen Bismarck als
möglich erscheinen ließen, dann aus die nahestehenden Congreß-
aussichten, die aber, als zu voreilig verkündet, jetzt wieder in
weitere Ferne gerückt sind, und endlich auch aus manche fried-
lichere Mittheilungen Berliner Blätter, wie z. B. der Kreuz-
zeitung, über beträchtliche Gebietsanerbietungen Preußens (ein
Theil Schlesiens) an Oesterreich, einen versöhnlichen Brief des
Königs von Preußen an den König von Sachsen u. s. w. Was
aber am meisten geeignet sein sollte, wie man doch erwarten
müßte, die Friedensliebe der preußischen Minister wachzurufen,
ist ein Blick auf die durchaus ungünstige Lage Preußens bei
Ausbruch des Krieges. Die Preußen lieben bekanntlich das
Schwadronireu und Säbelrasseln, aber wenn's drauf und dran
kommt, ziehen sie gerne die Ohren ein. So haben sie's seit 1848
schon gar oft gemacht und haben auch diesmal versucht, durch
Drohungen, Rüstungen u. dergl. Oesterreich und die mit ihm
verbündeten Staaten in's Bockshorn jagen zu können, besonders
nachdem die österreichischen Staatsmänner so kurzsichtig waren,
den für Preußen so günstigen Gasteiner Vertrag abzuschließen.
Mein Oesterreich hat sich nicht schrecken lassen; es hat vielmehr
die Unterhandlungen hinzuziehen gewußt, um sich unterdessen bis
an die Zähne zu bewaffnen. Die preußischen Humbug-Drohun-
gen haben dadurch plötzlich eine ernste Gestalt erhalten; denn
Anstandshalber können die Preußen jetzt nicht mehr zurück, ob-
gleich es ihnen ursprünglich vielleicht nicht so arg um's Drein-
schlagen zu Muth war, sondern nur um's Einschüchtern und
leichte, unblutige Eroberungen durch die Frechheit des preußi-
schen Plappermauls. Oesterreich hat jetzt eine Armee auf den
Beinen, die so zahlreich, so schön, so kriegsbegeistert ist, wie noch
niemals eine zuvor; und alle Nationalitäten des großen Kaiser-
staates beeilen sich um die Wette, ihre Dienste in jeder Gestalt
dem Vaterland zur Verfügung zu stellen. In Preußen dagegen
sehen wir nirgends Enthusiasmus oder nur schwache Sympathien
für die Kriegspolitik Bismarck's, ja täglich lesen wir von den
offensten Meutereien der preußischen Landwehrmänner bei ihrer
Einberufung unter die Fahnen. Wo sind jetzt all die schönen
Redensarten des Herrn v. Roon über die Armeereorganisation
geblieben, haben sie sich auch nur im Mindesten bewahrheitet?
Wir glauben, der Landwehrmann ist gut und tapfer, wenn das
eigene Vaterland angegriffen wird, aber zu einem ungerechten
und unnützen Angriffskrieg gibt er sich nicht her, da erinnert
er sich, daß er Frau, Kinder und Geschäft daheim hat. Am
aufgeregtesten ist aber die Stimmung in Rheinpreußen und West-
phalen, wo die Landwehrmünner sogar, wie wir aus der Allge-
meinen Zeitung ersehen, den Ruf: „es lebe Kaiser Franz Joseph!"
erschallen lassen. Ganz natürlich; hat doch die officielle Nord-
deutsche Zeitung gesagt, „Preußen wolle kämpfen gegen das katho-
lische Oesterreich und der katholischen Dynastie in Sachsen ein
Ende machen!" Am erbittertsten waren die Hohenzollern'schen
Landwehrmänner und Reservisten, die man in der Zahl von
1000—1200 Mann nach Rheinpreußen geholt hat, während sie

als gute Schwaben am liebsten mit den Württembergern aus
die ihnen verhaßten Preußen klopfen würden. Von diesen Hohen-
zollern ist daher auch eine große Portion unterwegs durchge-
brannt, in der sichern und wohl ar»ch richtigen Voraussetzung,
daß nach dem Ende des Krieges die hohenzollern'schen Lande
doch nicht mehr preußisch bleiben werden. Viele sind schon in
Reutlingen durchgegangen, wo die braven Bürger die Soldaten
auf ihrem Rasttag flott regalirten, den Offizieren dagegen allen
Schabernack anthaten. Letztere mußten alle mögliche Dinge sehen
und hören, was sonst Offiziere nicht ruhig von den Soldaten
hinnehmen; aber in der letzten Zeit sind die Offiziere aus guten
Gründen, was die Landwehr betrifft, harthörig und kurzsichtig
geworden. Als dann aber am folgenden Tage eine Compagnie
pommer'scher Infanterie nach Reutlingen kam, wurde diese nicht
regalirt von den Bürgern, vielmehr allerwärts aus's Aergste
verhöhnt, ja einem Unteroffizier, der den Schwaben drohte, sie
würden bald preußisch werden, auf eine solche Weise mitgespielt,
daß die Augsb. Allgemeine roth darüber wird wie die Mord-
base, wenn der Bote von den „Haagbefreundeten" spricht. Was
soll man aber gar dazu sagen, wenn, wie in Braunschweig,
preußische Landwehrmänner geschlossen auf der Bahn weiter
transportirt werden? Wir gratuliren dem Grafen Bismarck,
wenn er mit derartig begeisterten Kriegern gegen die tollkühnen
Magyaren, die tapferen Böhmen, die wilden Gränzer, die be-
geisterten Deutschösterreicher und die ritterlichen polnischen Regi-
menter des Kaiserstaates zu Felde ziehen will! Und dazu noch
mit dem Fluch von ganz Deutschland beladen, dieser Bismarck!
Denn nirgends, außer den gesinnungsverwandten Junkern des
mecklenburger Prügelstaates und den Gothaern in Baden und
einigen andern Ländchen, hat Bismarck auch nur die geringsten
Sympathien für seine faule Sache aufzuweisen, und namentlich
brennen die Truppen aller deutschen Länder mit Begierde darauf,
im Kampf gegen die Preußen sich Lorbeern zu holen, ja, selbst
im äußersten Norden Deutschlands, in Hannover, rücken die Ur-
lauber mit dem Ruf: „es lebe Kaiser Franz Joseph!" in ihre
Garnisonen ein.
Die württembergische Kammer ist soeben eröffnet worden,
und der König hat eine so patriotische, energische und wahrhaft
freisinnige Rede gehalten, daß Einem das Herz im Leibe lacht
und daß jeder Patriot nur rufen kann: „Hoch lebe der König
von Württemberg! Sein Name sei stets neben dem des Kaisers
Franz Joseph genannt!" Wir werden die Rede nachliefern, da
für heute der kleine Raum unseres Blattes dies nicht gestattet.
Möchten auch wir in Baden bald eine ebenso deutschge-
sinnte Politik befolgt sehen, wozu freilich vor allem die Ent-
fernung der Gothaer aus ihrem überwiegenden Ein-
fluß und die Auflösung der gothaischen Kammer
nothwendig wäre. Namentlich was die Kammer anbelangt,
so gilt das, was wir früher schon gesagt haben, jetzt noch in
viel höherem Maße: sie hat das Vertrauen des Volkes nicht
mehr und muß vollständig meu gewählt werden. Fort mit der
Gesellschaft am Landgraben, die sogar die neueste Lage der deut-
schen Dinge in einer sog. vertraulichen Comitositzung, d. h. in
geheimer Sitzung, damit das Volk nichts davon hört,
„besprochen" hat, während sie doch früher kein glänzenderes Pa-
radepferd als die deutsche und schleswig-holsteinische Frage kannte!
Auch was die Haltung des Ministeriums betrifft, so kann sich
— außer den Kleindeutschen — Niemand damit zufrieden geben.
Herr v. Edelsheim hat zwar bis zu einem gewissen Grade
großdeutsche Gesinnungen; allein er scheint, im Widerspruch zu
dem ihm vorausgegangenen Rufe großer Energie, bei jeder Ge-
legenheit von seinen preußisch gesinnten Collegen sich überstimmen
zu lassen; namentlich wäre es sonst nicht möglich, daß, wie das
Dresdener Journal jetzt erklärt, Baden allein in Bamberg
für die Neutralität gestimmt habe. Wir rathen Herrn
v. Edelsheim dringend, er möge, gestützt aus die großdeutsch-
demokraüsche und die katholische Partei des Landes, mit Energie
 
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