Nachtrabe und Haubenlerche, Holzschnitt aus: „Zwicsprach der Tiere“
(Verlag der Münchener Drucke)
KUNST IN ZENTRALASIEN
Von
HEINRICH ZIMMER
Es ist erstaunlich, was in entlegenen Winkeln, wo eigentlich nie-
mand etwas verloren glaubt, sich an Schätzen der Vergangenheit
zusammenfinden kann. Während das verschlossene Tibet mit der
geheimnisvollen Gestalt des Dalai-Lama dank Missionarberichten
seit Jahrhunderten westliche Neu gier faszinierte, ist das Interesse
für seinen Nachbar, das zentrale Asien, für Chinesisch-Turkestan, erst
von gestern. Sven Hedin entdeckte es für sich und tobte in diesem
wüsten Lande, das Hochgebirge gegen Sibirien im Norden wie Tibet
im Süden abschließen, seinen unbezähmbaren Hang aus, lebensläng-
lich Gegenden zu durchstapfen, die von notorischen Stiefeln noch un-
berührt waren. Er erzählte frisch von seinen Schauern und Reizen,
von dem Idyll im Zeltboot, auf dem er den Tarim hinunterglitt, bis
der große Strom sich selbst aufgibt, und in Wüsten versickert. Er
erzählte auch von verfallenen Tempeln des Buddhismus und Resten
seiner Kunst; und Brocken einer versunkenen Kultur, die immer
wieder von den Eingeborenen (islamischen Türken) an europäische
Behörden, russische und englische Konsuln der Grenzlande, verhandelt
wurden, brachten Sensationen in die westliche Wissenschaft. Viel-
verheißende kleine Funde kamen auch durch gelehrte Reisende ver-
einzelt nach Europa, während die Reisenden selbst meist nicht wieder-
kamen. Schließlich taten intelligente Eingeborene das Ihrige zur
Hebung gelehrten Fremdenverkehrs. Sie fanden die Handschriften-
fetzen, die sie zertrümmerten Buddhastatuen aus dem Leibe zogen,
219
(Verlag der Münchener Drucke)
KUNST IN ZENTRALASIEN
Von
HEINRICH ZIMMER
Es ist erstaunlich, was in entlegenen Winkeln, wo eigentlich nie-
mand etwas verloren glaubt, sich an Schätzen der Vergangenheit
zusammenfinden kann. Während das verschlossene Tibet mit der
geheimnisvollen Gestalt des Dalai-Lama dank Missionarberichten
seit Jahrhunderten westliche Neu gier faszinierte, ist das Interesse
für seinen Nachbar, das zentrale Asien, für Chinesisch-Turkestan, erst
von gestern. Sven Hedin entdeckte es für sich und tobte in diesem
wüsten Lande, das Hochgebirge gegen Sibirien im Norden wie Tibet
im Süden abschließen, seinen unbezähmbaren Hang aus, lebensläng-
lich Gegenden zu durchstapfen, die von notorischen Stiefeln noch un-
berührt waren. Er erzählte frisch von seinen Schauern und Reizen,
von dem Idyll im Zeltboot, auf dem er den Tarim hinunterglitt, bis
der große Strom sich selbst aufgibt, und in Wüsten versickert. Er
erzählte auch von verfallenen Tempeln des Buddhismus und Resten
seiner Kunst; und Brocken einer versunkenen Kultur, die immer
wieder von den Eingeborenen (islamischen Türken) an europäische
Behörden, russische und englische Konsuln der Grenzlande, verhandelt
wurden, brachten Sensationen in die westliche Wissenschaft. Viel-
verheißende kleine Funde kamen auch durch gelehrte Reisende ver-
einzelt nach Europa, während die Reisenden selbst meist nicht wieder-
kamen. Schließlich taten intelligente Eingeborene das Ihrige zur
Hebung gelehrten Fremdenverkehrs. Sie fanden die Handschriften-
fetzen, die sie zertrümmerten Buddhastatuen aus dem Leibe zogen,
219