MAURICE PALEOLOGUES TAGEBÜCHER
Von
JOSEF MELNIK
Der begabte französische Diplomat Maurice Paleologue, ein energischer
Hilfsregisseur des Weltkrieges, mit dem intimen Verschwörerkreise
Poincare—Iswolski eng verfilzt, aber ein Mann von feiner klassischer Bil-
dung und beweglichem literarischen und künstlerischen Geschmack, hat die
ersten drei Jahre des Weltkrieges — durch vier Jahre in Sofia vorbereitet —
als französischer Botschafter in Petersburg verbracht. Da er nicht nur
Diplomat, mit macchiavellistischem Einschlag, war, sondern auch — ob-
wohl Victor Margueritte ihm als Levantinersprößling französische Ritter-
lichkeit abspricht — ein nachdenklicher Kopf und ein beobachtender
Psychologe, benutzte er diese, Shakespeares Phantasie überflügelnde Zeit,
um Tagebücher zu führen, die jetzt auch in deutscher Übersetzung, in
zwei Bänden, die nahezu 1000 Seiten umfassen, erschienen sind. (Am
Zarenhof während des Weltkrieges. Tagebücher und Betrachtungen von
Maurice Paleologue. Verlag F. Bruckmann A.-G., München 1925.)
Nahezu drei Jahre, vom 20. Juli 1914 bis zum 17. Mai 1917, da
der Sowjet bereits das zusammengekrachte Zarenreich auf seinen breiten,
noch nicht degenerierten Schultern auf fing, um es gegen Weltkrieg, Tod
und Teufel weiterzutragen, spiegeln die Tagebücher Paleologues wider.
Ein Weltdrama von erschütternder Größe, wo Einzelschicksale mit denen
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