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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 5.1925

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Zoščenko, Michail Michajlovič; Walter, Reinhold von [Transl.]: Eine schreckliche Nacht
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Der Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.63706#0668

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V.

Als man dann Boris Iwanowitsch viele Tage darauf fragte, warum er dies alles
getan habe, vor allen Dingen, warum er auf den Kirchturm gestiegen sei und
dort geläutet habe, zuckte er nur mit den Schultern und schwieg böse, oder er
sagte, er könne sich auf die Einzelheiten nicht mehr recht besinnen. Als man
ihm dann diese Einzelheiten in Erinnerung brachte, winkte er verstört ab und bat,
nicht mehr davon zu sprechen. In jener Nacht aber war Boris Iwanowitsch bis
an den'Morgen in der Milizwache festgehalten worden; man hatte ein unklares
Protokoll aufgesetzt, hatte ihn dann nach Hause laufen lassen, wogegen er sich
schriftlich verpflichten mußte, die Stadt nicht zu verlassen. In zerrissenem Rock,
ohne Hut, ganz in sich zusammengesunken und fahl im Gesicht kehrte Boris
Iwanowitsch am Morgen nach Hause zurück. Lukeria Petrowna heulte auf, schlug
sich die Brust, verfluchte den Tag ihrer Geburt und beklagte ihr unseliges Los,
daß sie mit einem Auswurf der Menschheit wie Boris Iwanowitsch Kotofejew
Zusammenleben mußte. Am selben Abend aber saß Boris Iwanowitsch wie ge-
wöhnlich in einem sauberen, ordentlichen Rock in der Tiefe des Orchesters und
klimperte melancholisch auf seinem Triangel. Boris Iwanowitsch war wie gewöhn-
lich sauber, gut frisiert, und nichts legte Zeugnis davon ab, was für eine
Schreckensnacht er hinter sich hatte. Nur zwei tiefe Falten zogen sich von der
Nase bis an den Mund hinab. Diese Falten waren früher nicht dagewesen: Auch
hatte Boris Iwanowitsch früher nicht so zusammengesunken im Orchester gesessen.
Aber gemahlen Korn gibt Mehl.
Boris Iwanowitsch Kotofejew wird noch lange leben. Er wird uns beide, dich
und mich, mein lieber Leser, überleben. Da könnt ihr ruhig sein.
(Übersetzt von ü- von Walter.)

DER KUNSTMARKT

Einige besonders wichtige Preise der letzten großen Auktionen mögen als Anhalts-
punkte für die gegenwärtige flaue Marktlage dienen, in der sich beinahe nur

Farbstiche und Porzellan zu behaupten vermögen.
Pariser Auktionen im Hotel Drouot:
Meister der weiblichen Halbfiguren: Maria mit Christuskind .... 4000 Fr.
Ingres: Männliches Bildnis, signiert und datiert 6000 „
Forain: Le petit marchand de plaisir 11000 ,,
Forain: Schöne gehöhte Bisterzeichnung 5600 „
Rodin: Bruder und Schwester, signierte Bronze 11000 ,,
Limogesplakette von Jean III. Penicaud 4050 „
Zwei Plaketten desgleichen von Martin Didier 3 100 „
Sechs reich geschnitzte Renaissancefauteuils mit altem Velours .... 12 500 ,,
Largilliere: Weibliches Bildnis, ersten Ranges 25000 „
Cylinderbüro, signiert Macret 16 270 „
Zwei Aubussongobelins 20 000 „
Ein desgl. der Chinesenfolge Bouchers, mit Bordüre 46 800 „

Bei diesen Pariser Preisen sind die Zuschläge mit einbegriffen, und sie beweisen zur
Genüge, wie billig heute der Pariser Kunstmarkt im Verhältnis zum deutschen ist.
Nur die Bücher halten hier Preise. Ende März wurde eine der schönsten europäischen

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