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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 5.1925

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Trautz, Friedrich M.: Etwas Ceylon im Querschnitt
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https://doi.org/10.11588/diglit.63706#1586

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ETWAS CEYLON IM QUERSCHNITT
Von
DR. F. AI. TRAUTZ
Dieser Tage erscheint im Georg Müller-
Verlag, München, ein Buch über Ceylon
von Dr. F. M. Trautz vom Berliner Museum
für Völkerkunde. Der Verfasser hat uns aus
seiner Bildermappe einige Photos und aus
seinem Tagebuch folgende Zeilen zur Ver-
fügung gestellt.
. . . Mühsam keuchte der Napier-Wagen auf der nassen Straße nach
Nuwara Eliya vorwärts. Die Sonne war längst unt er gegangen; es war
stockdunkel und durch dampfende Nässe leuchteten die Scheinwerfer in
den gespenstischen Wald. Überall bewegte sich etwas. Schattenfiguren
tanzten vorüber, wie sie kein Schattentheater grotesker zeichnen kann.
Behaglich hüllte man sich in seinen Mantel. Merkliche Kühle erfrischte.
Zwischen den Wölkchen einer Zigarette tauchten Bilder vom indischen
Festland auf; die königliche Gestalt einer Inderin, prachtvoll in farbige
Seide gehüllt mit wenigem erlesenem Schmuck. — Nein, nein, keine
Tänzerin! Im Gegenteil, sie trug ein Buch in der Hand und — ließ
sich von uns die Zunge zeigen, fühlte den Puls und hatte an einer
medizinischen Akademie promoviert. Gottlob, wir waren nicht pest-
verdächtig! —
Heftig schwankt der Wagen. Wir fahren aus dem Dunkel auf; ein
zweites Auto steht neben uns; eine schwarze Gestalt beugt sich herüber
und bittet um ein Streichholz für die Pfeife. Es ist 1/211 Uhr nachts
und noch eine halbe Stunde bis Nuwara Eliya. Der tropisch nächtliche
Störer verschwindet im Dunkel. Bald darauf saßen wir am gemütlichen
Kaminfeuer in einem wahrhaft behaglichen Flotel und vertilgten ohne
weitere Erlebnisse ein spätes, angenehmes Diner.
Eine fabelhafte Insel: Mittags Tropenhut, abends Wintermantel;
morgens Langusten zum Frühstück neben allen englischen nahrhaften
Alltäglichkeiten, mittags beim Anstieg auf Ceylons höchste Berge kühlende
Kokosmilch aus der Thermosflasche. Gegenden so menschenleer, so
jungfräulich anmutend, so unendlich friedlich, trotz aller Wildheit so be-
zähmt. Da oben so erfrischend kühl und komfortabel nüchtern. Sind sie
wirklich von der Weltgeschichte vergessen worden? Ist der Adamspik,
der scharfe, deutlich sichtbare Zacken, den wir gen Abend erblicken,
die Himmelfahrtsstelle des Buddha, nur ein Wahrzeichen friedlichster
Religiosität für die paradiesische Insel ? Nein, nein, auch hier der furcht-
bare ewige historische Krieg: Ströme von Blut, höchster Aufschwung,
tiefstes Elend! Die äußersten Extreme einer tragischen Kulturmission
haben dem friedlichen heutigen Ceylon tiefe, unverwischbare Furchen im
Laufe einer über 2000jährigen Geschichte in sein geistiges Antlitz gegraben.

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