JAHRESBILANZ
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II. p. WEDDERKOP
Deutschland ist bekanntlich das Land der Mitte. Ist es abge-
schlossen, bleibt Mitte. Bei Öffnung strömt Sintflut ein. Diese
Eigenschaft züchtet etwa alle Jahrhundert einen prominenten Mann und
auf dem Boden Algen, Schlinggewächse, Abarten.
Der „Querschnitt“ macht, da als solcher ohne Richtung, keinen
Unterschied zwischen Prominenz und Üblichem, es ist durchaus nicht
gesagt, daß das Bedeutende mehr ergibt, wir sind keine Philologen
und ziehen auch aus dem „Negativen“ seinen Wert, wir betonen
diesen Wert sogar.
Wer sich der Liebe nicht entäußert hat, frisch um sich blickt, im
Herzen die Erfahrung aus solchen Ländern, in denen es anders aus-
sieht als bei uns, für den ist Deutschland das Land der Entdeckungen.
Das Leben fließt jeden Tag neu, der Zufall regiert, was morgen sein
wird, ist ungewiß. Das Land hält frisch, man atmet stärker unter
seiner Einwirkung.
Schon Schiller war ein überraschendes Ereignis, das, trotzdem es
Gemeingut geworden ist, doch durchaus nicht richtig gewürdigt wurde.
Naiv und voll Reserve betrachtet, wird immer eine unübersteigbare
Kluft da sein: die absolute Unmöglichkeit zu erklären: wie kommt
dieser Dichter zu diesem starken, überzeugenden Ausdruck, als selten
pflichttreuer, hochgestimmter Mann dazu, diese formvollendeten, form-
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