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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 5.1925

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Hobrecker, Karl: Erotik im Kinderbuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.63706#1000

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EROTIK IM KINDERBUCH
Von
KARL HOBRECKER

Hier ist Grün und da ist Grün unter meinen Füßen,
Ich hab’ verloren meinen Schatz, ich werd’ ihn suchen müssen.
Ja, ja, du bist es wohl, der mir ein Küßchen geben soll!

Werner Heuser

Bulschafften nicht halten solle. Die arge Helena aus
dem Fausti Beywohnung getan in seinem letzten Jahre,
rechter Abscheu. Wer mochte sich da noch verlieben,
den Sünder so prompt abholte!

Das ist ein ehemals wohlbekannter, volkstümlicher Spielreinx: Die
Kinder stehen singend im Kreise, eins in der Mitte, das sich nach Be-
lieben ein Büblein oder ein Mädel aus dem Ring holt und ein paarmal
herumdreht. Dabei wird der Kuß an
das Erkorene ausgeteilt, und es hat
nun seinerseits die Stelle des Wäh-
lenden einzunehmen.
Heute wird das hübsche Liedchen
von keinem Bilderbuche mehr ver-
zeichnet. Eine spätere Lesart hat
bereits den Kußvers geändert: Ach
ja, ach ja, du bist es ja, dem ich dies
Händchen schuldig war. — Welch
schauerliche Verwandlung! Der
Schatz ist in diesem Text — von
1883 — noch stehen geblieben, aber
in unseren Tagen darf natürlich
ein so erotischer Gegenstand keines-
falls mehr in der Kinderstube auf-
treten.
Frühere Jahrhunderte dachten
nicht so prüde. Die Jugend las, ehe
es eine besondere Literatur für sie
gab, das Volksbuch von Tristan und
Isolde so gut, wie die verliebte Ge-
schichte von der schönen Magelone
vielberüchtigten Schwarzkünstlers Dr. Jo-

und das ärgerliche Leben des
hannes Fausti. Der ist mit seinen grewlichen und abschewlichen Sünden
einmal sogar ausdrücklich zu Ende des 16. Jahrhunderts der lieben
Jugend vorgeführt worden, damit sie sich ein Beispiel daran nehme, wie
man es mit den
Griechenland, so
war ja auch ein
wenn der Teufel
Der Zweck des Buches, moralische Entrüstung und einen braven
Lebenswandel zu erzielen, war also erreicht.- Ob das vorhielt, bis die
alte Schwarte zerlesen war?


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