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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 5.1925

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Nikolaus, Paul: Ich und die Provinz
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https://doi.org/10.11588/diglit.63706#0768

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ICH UND DIE PROVINZ
Von
PAUL NIKOLAUS
Ich und die Provinz, wir lieben uns; denn ich bin aus der Provinz. Aus Mann-
heim. (Ich bin also der einzige Berliner Conferencier, der aus Süddeutschland
stammt. Die anderen sind aus Hannover, Hamburg, Riga und Landsberg
a. d. Warthe.) Mannheim ist eine rührende Stadt. Sie lebt davon, daß Schillers
Räuber hier uraufgeführt worden sind: seit dieser Zeit sprechen die Getreide-
händler dort nur noch in Versen. Das ist der letzte Rest von Poesie. Will
man mehr, fährt man nach Heidelberg. Ich habe dort Studienjahre verlebt, die
schöner waren als die von Carl-Heinz. Im ersten Stock vom „Weißen Schwan“
wohnte ich; durch eine Klappe im Fußboden konnte man noch um 3 Uhr
Mokka für zwei Personen bestellen. Sonntags, wenn alle Mannheimer nach
Heidelberg fuhren, fuhr ich nach Mannheim. Es war dann ruhig und un-
gestört. So gewann ich die Provinz lieb.
Die einzig lebendige Erscheinung in Mannheim ist Sally Zacharias, der
Varietö-Direktor. Als er vor 13 Jahren im Fasching eine Dilettantenvorstellung
veranstaltete, trat ich zum erstenmal auf. Man bewarf mich mit jungem Ge-
müse und Briketts. Von freundlicher Aufnahme war keine Rede.
Im Krieg lernte ich Konstanz kennen. Ich hielt dort den Verkehr mit der
Schweiz aufrecht. Daß die Neutralität der Schweiz erhalten blieb, kommt
drum zu einem Teil auf meine Rechnung. Konstanz ist klein und voll Wissens-
drang. Ich suchte ihn zu befriedigen, wo ich konnte. Bis man — nachdem ich
aus einem Mädchen-Pensionat hinausgeworfen worden war — meinen Ver-
kehr mied.
Später erst lernte ich die norddeutsche Provinz kennen. Durch Vermittlung
von Minden in Westfalen. Ich war dort am Stadttheater und sozusagen der
Liebling von Minden. Westfälische Herzen erschlossen sich mir, Schinken und
exklusive Kreise. Noch heute, wenn man meinen Namen nennt, rufen die
Mütter die Kinder ängstlich von der Straße.
So ethnologisch gestählt kam ich zum Kabarett. Ich habe wenig hier von
der Provinz gesehen, aber was ich sah, war nicht ohne Reiz.
Überall sind die Menschen gleich, gleich nett, gleich ekelhaft: man muß sie
nur zu sondern wissen und sich an die rechten halten. Manche haben ein Miß-
trauen: sie fühlen sich stark und erhaben, aber wenn man sie anfaßt, schwanken
sie. Mit einem kleinen Barnum-Trick kann man sich oft eine ganze Stadt ge-
winnen. Da gibt es in Danzig, wo ich mit der „Gondel“ war, einen klaren
Schnaps: er heißt Machandel, ist herrlich süffig, doch nach dem sechsten Glas
schlägt man zu Boden. Einer, Salmonski hieß er — sein Name sei gepriesenI
— warnte mich davor. Ich ging zu einer Blonden an die Bar und versprach ihr
das Blaue vom Himmel herunter, wenn sie mir statt Machandel Wasser ein-
schenke. — Von diesem ersten Abend, an dem ich drei halbe Wassergläser
„Machandel“ hintereinander trank, sprach am nächsten Tag halb Danzig. Ich
ward schnell populär. Wäre ich dort geblieben, könnte ich hente vielleicht
Stadtverordneter sein.
Auch in Köln dreht sich alles ums Trinken. Ich war zweimal da. Einmal
mit der „Gondel“ (am 6. März war infolgedessen ein Termin: ergebnislos zwar,
doch so komisch wie die ganze Pleite, über die ein andermal zu berichten

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