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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 5.1925

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Kuh, Anton: Der Hass gegen das Monokel
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https://doi.org/10.11588/diglit.63706#1023

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DER HASS GEGEN DAS MONOKEL
Von
ANTON KUH

Du rundes, glasklares, sachtgewölbtes Zeug auf meinem Tisch, knappster
Schliff aus „schön“ und „nützlich“ — wie bist du mir Amulett und Leuchte

und Munzel

Wenn ich dich in der Hand wiege, so leicht wie ein Kronjuwel,

bin ich ein Fürst ohne
Land. Denn mein Ge-
sicht hat dich mir ver-
liehen — Gesichtsorden
I. Klasse!
Es gibt Menschen,
die ihrer Weltanschau-
ung ihr Monokel ver-
danken. Die tragen es
zu Unrecht. Aber es
gibt solche, und ich
zähle mich darunter,
die ihrem Monokel die
Weltanschauung ver-
danken. Für die ist
seine Benutzung Pflicht.
Mag man glauben,
daß ich aus preziösem
Geckentum so spreche
— mein Monokel stammt
nicht aus der Hinter-
lassenschaft der Dan-
dys und Satanisten,
eines Wilde oderVilliers
de l’Isle, viel eher leitet
sich sein Stammbaum
auf Kaiser Nero zu-
rück, zwischen dessen
grünem Einglas und
dem Brande Roms ein
mehr als optisch - sou-
veräner, nämlich ein so-
zial-psychologischer Zu-
sammenhang bestand.

Bildnis Anton Kuh


Wie aber geschah es, daß mir das Monokel mein Weltbild gab?
Ich sah, daß es gehaßt war, spürte den Gründen nach, und kam auf folgende
Gesetze:

Die meisten Gesichter sind nicht des Hin-Sehens wert. Sie sind, um den
Sprachgebrauch neu aufzurütteln: eine Sehensunwürdigkeit. Daher dankt man
es Gott, daß sie durch keinerlei besonderes Kennzeichen unsere Aufmerksamkeit
hinlenken, daß sie keine Fahne, kein Lichtsignal ausstecken, um den Blick der
Nebenmenschen für sich zu gewinnen. Trügen sie so eine Flagge oder Aus-
schmückung — die Vordringlichkeit wäre hassenswert.

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