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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 5.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.63706#0950

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BUCHER-QUERSCHNITT
Von Alexander Beßmertny
HEINRICH MANN, Der Kopf. Berlin, Wien, Leipzig, Paul Zsolnay
Verlag.
In einer mythisch-geschichtlichen Wilhelmstraße, in einem symbolhaft ge-
steigerten Berlin, rast die Groteske des wilhelminischen Kaiserreiches zu Ende,
transponiert in die höhere Wahrheit epischen Geschehens. Diese Wahrheit
ist die Wirklichkeit der Kolportage, die Schriftsteller wie Balzac und Heinrich
Mann wagen können und die epische Schwächlinge um einer vorgetäuschten
Feinheit willen, die sich Psychologie nennt, aber eine Flucht in die Miniatur
ist, vermeiden. Die Hintertreppe verbindet Heinrich Manns Gebäude, dessen
herrschaftlicher Marmoraufgang die Gourmets seiner Sprachformung benutzen,
mit dem anonymen Volk, dessen Instinkt im Kintoppgeschehen die Kräfte
bewahrt, aus denen der Dichter das Material für seine Monumente holt.
MARI ETTE LYDIS , Miniaturen. In Liebesbillette gesetzt von Erik-
Ernst Schwabach. Potsdam, Müller & Co.
Eine bemerkenswert gelungene typographische und reproduktionstechnische
Druckleistung. Farbenglänzende Miniaturen — eklektisch die Miniaturenstile
aller Zeiten verwendend — sind in einem raffinierten, Stein- und Lichtdruck
kombinierenden Verfahren auf 'Goldgrund so wiedergegeben, daß die Unter-
scheidung von handgemalten Originalen kaum möglich ist. Der begleitende
Text ist in kursiver Antiqua unauffällig wie der private Einfall eines Kalli-
graphen neben die das Buch beherrschenden Miniaturen gesetzt.
ADAM SMITH, Der Reichtum der Nationen. Nach der Übersetzung
von Max Stirner und der englischen Ausgabe von Cannan herausgegeben von
Heinrich Schmidt. Leipzig, Alfred Kröner Verlag.
Leben und Blut dieses gelehrten Werkes haben auch die stumpfesten National-
ökonomen im Lauf von 150 Jahren nicht ersticken und abzapfen können. Viel-
leicht gibt es wenig Beispiele dafür, daß Normen schaffende Wertwissenschaft
aus dem Persönlichen entspringt, wie dieses Werk. Fülle des Materials, Gedanken-
reichtum, Einheitlichkeit der leitenden Idee sind, jenseits allen Richtigseins,
überwältigend durch ihre Intensität allein, und darum ist diese auf Stirners
Übersetzung aufgebaute Übertragung ein Buch auch unserer Zeit.
HERBERT M A RC U S E , Schiller-Bibliographie. Berlin, S. M. Fraenkel.
Marcuse hat die veraltete Schiller-Bibliothek Trömels von 1865 auf der
Basis des heutigen Wissens menschlichem Ermessen nach ohne Lücke neu
geordnet und mit aller Akribie beschrieben. Er nennt unter 347 Stücken
allein 30 zum Teil völlig unbekannte Gesamtausgaben. Unter den mir be-
kannten neuen bibliographischen Arbeiten die am meisten zuverlässige. Bei
einer Neuauflage dürfte sich Marcuse zur Anfügung eines hier noch ent-
behrten Registers entschließen.
B RE T H ART E, Kalifornische Erzählungen. Mit 66 Bildern von Rudolf
Schlichter. Deutsch von Paul Baudisch. Potsdam, Gustav Kiepenheuer Verlag.
Fünfhundert Seiten kalifornischer Kitsch-Romantik in verblüffend anstän-
digem Deutsch — herrlich im Bett zu lesen, um sich zwischen den Auf-
regungen urwaldparfümierter Körperverletzungen und Eigentumsdelikte von
gar nicht so dämlichen menschlichen Bemerkungen überraschen zu lassen.
Wenn ich zeichnen könnte, würde ich Indianer genau so zeichnen wie
Schlichter.

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