Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt
— 5.1925
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.63706#1537
DOI Artikel:
Däubler, Theodor: An der Küste Phöniziens
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.63706#1537
Jules Pascin
AN DER KÜSTE PHÖNIZIENS
Von
THEODOR DÄUBLER
Vor Sonnenaufgang ging es los. Das Meer war noch nicht zur Ruhe
gekommen: von seinen Schaumkämmen aus schienen sich ferne, weiße
Ketten — die Dörfer auf den vielen Rücken des Libanons — zu den
Schneefeldern um des Gebirges Gipfeln schlingen zu wollen. Unter Pinien
fuhren wir durch, bei Dattelpalmenhainen, Orangen- und Zitronengärten
sauste das Auto vorbei. Beyruth, das antike Berytos, eine Stadt der
Rechtsgelehrten und ihrer in spätem Altertum berühmten Hochschule, lag
hinter uns. Nun kamen wir durch einen Strich, wo soeben hellergrünende
Maulbeerbäume vorherrschen: hier wird ziemlich viel schöne Seide ge-
wonnen; auch die Spinnereien erblickten wir auf der Fahrt, die Küste
entlang. Blau, um sich darein zu verlieben, war das Meer geworden, und
wie prachtvoll der Himmel! Ganz wolkenlos prangte der schneebedeckte
Libanon über der blauesten Klarheit seiner glücklichsten Gefilde. — Doch
allmählich wurde die Gegend öder: nun, mir konnte sie durch die Ab-
wechslung, die sie bot, nur einen Gefallen tun!
Wie weiße Riffe auf See aussehn, stieg Saida vor meinen Blicken
empor: das alte Sidon. Zuerst, bevor wir einfuhren, besuchte ich die
Höhlen der phönizischen Totenstadt: es ist von dort eigentlich alles
weggeschleppt worden: wenige gespenstige Figuren sind in den Fels ge-
meißelt, doch schwer unterscheidbar zurückgeblieben. Nahe bei der Stadt
ist die Gegend wieder wunderbar fruchtbar: schöne, darunter neue, doch
auf morgenländische Art gebaute Häuser mit beinah gotischen Gängen,
schmücken die Hügel und fernere veilchenblau schimmernde Berge. Die
Burg im Meer, das Schloß zu Häupten der Stadt habe ich, in Begleitung
1017
AN DER KÜSTE PHÖNIZIENS
Von
THEODOR DÄUBLER
Vor Sonnenaufgang ging es los. Das Meer war noch nicht zur Ruhe
gekommen: von seinen Schaumkämmen aus schienen sich ferne, weiße
Ketten — die Dörfer auf den vielen Rücken des Libanons — zu den
Schneefeldern um des Gebirges Gipfeln schlingen zu wollen. Unter Pinien
fuhren wir durch, bei Dattelpalmenhainen, Orangen- und Zitronengärten
sauste das Auto vorbei. Beyruth, das antike Berytos, eine Stadt der
Rechtsgelehrten und ihrer in spätem Altertum berühmten Hochschule, lag
hinter uns. Nun kamen wir durch einen Strich, wo soeben hellergrünende
Maulbeerbäume vorherrschen: hier wird ziemlich viel schöne Seide ge-
wonnen; auch die Spinnereien erblickten wir auf der Fahrt, die Küste
entlang. Blau, um sich darein zu verlieben, war das Meer geworden, und
wie prachtvoll der Himmel! Ganz wolkenlos prangte der schneebedeckte
Libanon über der blauesten Klarheit seiner glücklichsten Gefilde. — Doch
allmählich wurde die Gegend öder: nun, mir konnte sie durch die Ab-
wechslung, die sie bot, nur einen Gefallen tun!
Wie weiße Riffe auf See aussehn, stieg Saida vor meinen Blicken
empor: das alte Sidon. Zuerst, bevor wir einfuhren, besuchte ich die
Höhlen der phönizischen Totenstadt: es ist von dort eigentlich alles
weggeschleppt worden: wenige gespenstige Figuren sind in den Fels ge-
meißelt, doch schwer unterscheidbar zurückgeblieben. Nahe bei der Stadt
ist die Gegend wieder wunderbar fruchtbar: schöne, darunter neue, doch
auf morgenländische Art gebaute Häuser mit beinah gotischen Gängen,
schmücken die Hügel und fernere veilchenblau schimmernde Berge. Die
Burg im Meer, das Schloß zu Häupten der Stadt habe ich, in Begleitung
1017