DIE GROSSE NUMMER
Von
A. II. KOBER
„Ein Druck von dieser zarten Hand — —
Und du stehst im Hemde.“
Als 1834 der Athlet Charles Rappo auf dem Wege von. Nishnij-
Nowgorod nach Simbirsk von Räubern überfallen wurde — dreißig gegen
acht —, brach er eine Deichsel aus seinem Wagen und schlug mit dieser
gewaltigen Keule auf die Gegner ein. In den siebziger Jahren des
19. Jahrhunderts produzierte sich Adolphe Morro als „Eiserner Tenor“:
er ließ sich zehn Zentner auf die Brust legen und schmetterte dann aus
dieser wirklich vollen Brust eine Opernarie. Der um 1900 berühmte
Ringer Eberle pflegte auf einsamen Waldspaziergängen mit Baumstämmen
zu jonglieren. Sein Kollege Karl Abs hob ein Pferd, Eisenkönig Breit-
bart zwo.
Keine dieser Kraftleistungen aber hat mir so imponiert wie: eine Back-
pfeife. Eine Backpfeife, die von zarter Hand Anno 1916 ausgegeben
wurde. Es begab sich damals nämlich, in einer schönen Maiennacht,
daß in der Friedrichstraße zu Berlin ein Gent eine Dame ansprach. Mit
einem unerwarteten Erfolg: die Holde gab ihm eine Backpfeife, daß er
über den Damm flog, bis in die Schaufenster eines gegenüberliegenden
Cafes. Da hierbei die Scheibe zertrümmert wurde, ergab sich ein Prozeß:
der Wirt wollte seine Fensterscheibe ersetzt, der Gent sich die Wange
verletzt und die Dame die Backpfeife versetzt haben, um sich als an-
ständige Frau zu erweisen. Das war „Katharina die Große“, als Kraft-
nummer im „Wintergarten“ engagiert.
„Katharina die Große“ trat in einem russischen Kostüm auf, Hals und
Rücken waren entblößt. Und auf diesem Rücken fing sie Kugeln auf,
die sie fünf, sechs Meter hoch geschleudert hatte. „Mache die verehrten
Herrschaften darauf aufmerksam, daß die Kugeln Katharinas der Großen
reell dreißig bis fünfzig Pfund wiegen, und werden dieselben zwecks Prü-
fung dem geehrten Publikum herumgereicht“, sagte der Manager. Dann
kreuzte Katharina die Arme, blickte mit kühler Gelassenheit ins Publikum,
wo indessen die blitzenden Stahlkugeln ehrfürchtig mit den Händen be-
tastet und gewogen wurden. Kaum waren sie wieder auf der Bühne, so
stürzte sich Katharina mit der Freude eines spielenden Kindes darauf und
begann zu jonglieren. Erst ließ sie drei Kugeln wohlig über Hals und
Rücken laufen, warf sie hoch wie Jongleure Bälle oder Eier; dann
plumpsten zwei auf den Boden, und die dritte wurde hochgeworfen, bis
in die Soffitten hinauf — — klack: klatschte sie auf den Nacken, —
wieder hoch — klack — — —; unwillkürlich macht der Zuschauer
jedesmal „Uff!“, wenn das Ding glücklich auf den nackten Rücken ge-
klatscht ist und die Jongleuse sich aufrichtet.
Wie trainiert man solche Tricks ? —- Man beginnt mit leichten
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Von
A. II. KOBER
„Ein Druck von dieser zarten Hand — —
Und du stehst im Hemde.“
Als 1834 der Athlet Charles Rappo auf dem Wege von. Nishnij-
Nowgorod nach Simbirsk von Räubern überfallen wurde — dreißig gegen
acht —, brach er eine Deichsel aus seinem Wagen und schlug mit dieser
gewaltigen Keule auf die Gegner ein. In den siebziger Jahren des
19. Jahrhunderts produzierte sich Adolphe Morro als „Eiserner Tenor“:
er ließ sich zehn Zentner auf die Brust legen und schmetterte dann aus
dieser wirklich vollen Brust eine Opernarie. Der um 1900 berühmte
Ringer Eberle pflegte auf einsamen Waldspaziergängen mit Baumstämmen
zu jonglieren. Sein Kollege Karl Abs hob ein Pferd, Eisenkönig Breit-
bart zwo.
Keine dieser Kraftleistungen aber hat mir so imponiert wie: eine Back-
pfeife. Eine Backpfeife, die von zarter Hand Anno 1916 ausgegeben
wurde. Es begab sich damals nämlich, in einer schönen Maiennacht,
daß in der Friedrichstraße zu Berlin ein Gent eine Dame ansprach. Mit
einem unerwarteten Erfolg: die Holde gab ihm eine Backpfeife, daß er
über den Damm flog, bis in die Schaufenster eines gegenüberliegenden
Cafes. Da hierbei die Scheibe zertrümmert wurde, ergab sich ein Prozeß:
der Wirt wollte seine Fensterscheibe ersetzt, der Gent sich die Wange
verletzt und die Dame die Backpfeife versetzt haben, um sich als an-
ständige Frau zu erweisen. Das war „Katharina die Große“, als Kraft-
nummer im „Wintergarten“ engagiert.
„Katharina die Große“ trat in einem russischen Kostüm auf, Hals und
Rücken waren entblößt. Und auf diesem Rücken fing sie Kugeln auf,
die sie fünf, sechs Meter hoch geschleudert hatte. „Mache die verehrten
Herrschaften darauf aufmerksam, daß die Kugeln Katharinas der Großen
reell dreißig bis fünfzig Pfund wiegen, und werden dieselben zwecks Prü-
fung dem geehrten Publikum herumgereicht“, sagte der Manager. Dann
kreuzte Katharina die Arme, blickte mit kühler Gelassenheit ins Publikum,
wo indessen die blitzenden Stahlkugeln ehrfürchtig mit den Händen be-
tastet und gewogen wurden. Kaum waren sie wieder auf der Bühne, so
stürzte sich Katharina mit der Freude eines spielenden Kindes darauf und
begann zu jonglieren. Erst ließ sie drei Kugeln wohlig über Hals und
Rücken laufen, warf sie hoch wie Jongleure Bälle oder Eier; dann
plumpsten zwei auf den Boden, und die dritte wurde hochgeworfen, bis
in die Soffitten hinauf — — klack: klatschte sie auf den Nacken, —
wieder hoch — klack — — —; unwillkürlich macht der Zuschauer
jedesmal „Uff!“, wenn das Ding glücklich auf den nackten Rücken ge-
klatscht ist und die Jongleuse sich aufrichtet.
Wie trainiert man solche Tricks ? —- Man beginnt mit leichten
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