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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 5.1925

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Kronfeld, Arthur: Brandstiftung und Libido
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https://doi.org/10.11588/diglit.63706#1397

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Paul Kleinschmidt

Radierung

BRANDSTIFTUNG UND LIBIDO
Von
ARTHUR KRONFELD
Der Haß ist älter als die Liebe.
Tief in uns glimmt die Haßbereitschaft der Wehrlosigkeit. Angriff,
Zupacken, Bemächtigung, Vernichtung sind die primitivsten und zeitlich
frühesten Triebkeime des Säuglings, die Ichtriebe — die Todestriebe.
Andere Formen der Zuwendung zur Welt — spätere, mildere — treibt erst
nachher im Säugling die Lust am Sein heraus: die Libido. Geistiger Ab-
bau — Zerrüttung und Defekt — vereinsamt den Träger, zerreißt die
liebenden Zuwendungen, enthemmt „das Böse“. Die Urtriebe treten hoch.
Bei allen Brandstiftern, die in der Fachpsychopathologie beschrieben
werden, es sind schon fast ein halbes Tausend Fälle, ist im Erleben immer
wieder die mit nichts anderem vergleichbare Lust am Vernichten. Aber
der Mensch dieses Typs ist kein Berserker, der umherrast und alles
entzweischlägt: er sitzt vor der Flamme und genießt sich ganz still und
ruhig, genießt seine Haßlust und sieht die Flamme wachsen und braucht
nichts weiter zu tun. Seine Macht ist es, die da übermenschliche Auswir-
kung findet. Und dazu noch der unerhörte Reiz des Geheimnisses: daß
niemand weiß, was er weiß, der heimliche Lenker des Verderbens, das über
alle kommt. Diesen Reiz des Geheimnisses hat sonst nur noch der Gift-
mord. Das hellenische Vorbild, der Epheser Herostrat, konnte es zuletzt
nicht mehr aushalten; er konnte sein Geheimnis nicht mehr tragen: alle
mußten es wissen, das unglaublich Beseligende dieses Machtrausches.
Der Haß braucht kein Objekt; vielmehr alles Nichtich ist sein Objekt,
und Konkretierungen sind Abschwächungen. Der Epileptiker vor der

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