KYTLYM
Von
LARISSA REISSNER
Kytlym heißt auf wotjakisch — Kessel. Und es ist auch ein Kessel, eine
große, im ewigen Schnee eingebettete Bergschale. Die Wolken ziehen über
ihre zackigen Wände hinweg und hinterlassen auf ihnen Flocken ihres prächtigen,
schaumigen Saumes. Außer den Wolken ziehen auch Jäger über die Berge,
sie jagen nach Rauchwild, Bären und Vögeln. Aber ihrer gibt es nur wenige,
es liegt wohl an den schlechten Wegen und an den häufigen Waldbränden, wohl
auch an den Gutsherren, die eifersüchtig ihr Stückchen Tundra hüten. Da haben
wir z. B. den Worobjoff. Wem nützt eigentlich so ein Worobjoff? Sein Be-
sitz liegt neben dem des Herrn du Pare, und seine Hauptbeschäftigung besteht
darin, daß er sich andauernd mit letzterem wegen der Benutzung eines Weges
herumstreitet. „Wenn du dich Grundbesitzer und Edelmann schimpfst,“ meint
Worobjoff, „so hast du dir selbst deinen Weg zu bauen“, und so manchen lieben
Tag verbrachte dieser Edelmann und Kavalier seinerseits damit, daß er sich im
Gebüsch versteckte und seinem Nachbar du Pare auflauerte. Und kaum vernahm
er das Geläut des du Parcschen Rappendreigespanns, als er ihn auch schon
mit einer tüchtigen Ladung Schrot traktierte. Und schoß er auch nicht nach
seinem lieben Nachbar selbst, so konnte er nicht umhin, wenigstens dem neben
dem Wagen dahinlaufenden Windhund des Franzosen eins ordentlich auf den
Pelz zu brennen. Aber das Leben in Kytlym behagte dem du Pare nicht. Eine
Zeitlang konnte er es ganz gut zu Hause aushalten, aber dann pflegte es auch
ihn zu packen. Der Wagen wurde mit dicken Kissen ausgepolstert, eine wotja-
kische Pelzmütze über die Ohren gezogen, und los ging es, den verbotenen
Worobjoffschen Weg entlang. Doch das Worobjoffsche Schrot durchschlug
auch die dicksten Polster. Worobjoff war eben ein guter Jäger, und seine Muni-
tion goß er sich selbst aus einem weißlichen Metall, welches sich im Überfluß
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