KUNSTMARKT
Auf dem Kunstmarkt muß man zwischen Kunstzentren unterscheiden, die eine
„Saison“, solchen, die eine „Season“ und solchen, die keins von beiden
haben. Die „Season“ hat London. Sie setzt Anfang Mai ein, wenn alles wieder
in die Hauptstadt zurückströmt, füllt den Mai mit den Hauptauktionen an, ebbt
dann wieder ab und erlebt ihren Schluß erst im Herbst und Spätherbst. Die
„Saison“ hat Paris; hier pflegt sich, wenigstens zur Zeit, die Hochflut der
Auktionen in die Monate vom Dezember bis März zu drängen, in denen Paris
der alte Mittelpunkt europäischen Lebens ist. Wir in Deutschland haben im
Grunde weder Saison noch Season, und es ist charakteristisch, daß unsre sonst
überreiche Sprache noch keine ihnen wirklich entsprechende Prägung gefunden
hat. Unser Auktionsmarkt läuft vom Herbst bis in das späte Frühjahr hinein
mit ziemlicher Gleichmäßigkeit, und seine Höhepunkte sind weniger von einer
bestimmten Disposition als vom zufälligen Andrang und von der Verarbeitung
der Ware abhängig. Vielleicht ist es darauf zurückzuführen, daß sich wohl nirgends die
Sammler so von der direkten Berührung mit der Auktion fast ängstlich zurückhalten.
Das ist an sich ein schwerer Fehler. Die Auktion ist die beste Schule der
Kunstkenntnisse. Fast alle Leute, die wirklich etwas verstehen, haben das nicht
im Museum, sondern in der ständigen Fühlung mit dem Kunsthandel allmählich
erlernt. Wenn unter den deutschen Sammlern nur ein sehr geringer Prozentsatz
den Anspruch darauf hat, Kenner zu sein, so ist daran lediglich die vornehme
Zurückhaltung schuld, mit der der deutsche Sammler sich persönlich aus dem Spiel
lassen möchte. Das geht eben nicht! Weder die sachverständigen Gutachten, mit
denen unsere Zeit einen so maßlosen Unfug treibt, noch die an einem gewissen
Punkt des Sammlungsabschlusses von Autoritäten bearbeiteten Kataloge ersetzen
das intensive Studium, die Mühe, die Arbeit und den Zeitaufwand, die zu jedem
wirklich fruchtbaren Sammeln erforderlich sind.
Der Deutsche pflegt sich gemeinsam einzureden, Sammeln sei etwas außer-
ordentlich Vornehmes oder doch zum mindesten dem Reichtum Vorbehaltenes.
Bei ihm sollen die Bilder Stammbäume haben wie die Menschen, mit denen er
verkehrt, und wie sich Emporkömmlinge oft Stammbäume machen lassen, so werden
auch nirgends so häufig wie bei uns neuen Bildern alte Stammbäume gefertigt.
Unser Ideal ist eben jener Pierpont Morgan, der alles Kostbare zusammen-
kaufte, nachher fabelhaft katalogisieren ließ und damit Bewegung auf den Kunst-
markt brachte. Unserer Natur und unseren Mitteln indessen würde viel gesünder
jene tiefere und innere Bewegung entsprechen, die aus einem wirklichen Bedürfnis
heraus das Leben auf dem Kunstmarkt hervorruft.
Im Januar war das auf einem uralten deutschen Spezialgebiete zu beobachten:
auf dem der Bücher. Die Deutschen sind unter den neueren Kulturvölkern das
Volk der Bücher, und charakteristischerweise hat sich unter den schweren, vielleicht
in Jahrzehnten erst wieder ein Gleichgewicht ermöglichenden Stößen, die der
deutsche Kunstmarkt in den letzten Jahren erlitt, eigentlich nur das Buch ziemlich
unverletzt zu halten gewußt. Der sonst auktionsreichste Monat des deutschen Kunst-
markts, der Januar, ist dieses Mal beinahe vollständig still verlaufen. Bei Hecht
in Berlin war eine allgemeine Versteigerung, die als eine gewisse Erholung be-
zeichnet wurde; ein Liebermann für 12000 M., dessen Käufer aber nicht be-
kannt wurde, bildete hier die Sensation. Eine Versteigerung von Handzeichnungen
bei Paul Graupe verlief ohne besonderes Resultat; die Stimmung für dieses
Sammelgebiet erschien im Gegenteil noch schwächer als in den Monaten zuvor.
Sonst gehörte der Januar fast ausschließlich dem Buche: deutsche Erstausgaben,
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Auf dem Kunstmarkt muß man zwischen Kunstzentren unterscheiden, die eine
„Saison“, solchen, die eine „Season“ und solchen, die keins von beiden
haben. Die „Season“ hat London. Sie setzt Anfang Mai ein, wenn alles wieder
in die Hauptstadt zurückströmt, füllt den Mai mit den Hauptauktionen an, ebbt
dann wieder ab und erlebt ihren Schluß erst im Herbst und Spätherbst. Die
„Saison“ hat Paris; hier pflegt sich, wenigstens zur Zeit, die Hochflut der
Auktionen in die Monate vom Dezember bis März zu drängen, in denen Paris
der alte Mittelpunkt europäischen Lebens ist. Wir in Deutschland haben im
Grunde weder Saison noch Season, und es ist charakteristisch, daß unsre sonst
überreiche Sprache noch keine ihnen wirklich entsprechende Prägung gefunden
hat. Unser Auktionsmarkt läuft vom Herbst bis in das späte Frühjahr hinein
mit ziemlicher Gleichmäßigkeit, und seine Höhepunkte sind weniger von einer
bestimmten Disposition als vom zufälligen Andrang und von der Verarbeitung
der Ware abhängig. Vielleicht ist es darauf zurückzuführen, daß sich wohl nirgends die
Sammler so von der direkten Berührung mit der Auktion fast ängstlich zurückhalten.
Das ist an sich ein schwerer Fehler. Die Auktion ist die beste Schule der
Kunstkenntnisse. Fast alle Leute, die wirklich etwas verstehen, haben das nicht
im Museum, sondern in der ständigen Fühlung mit dem Kunsthandel allmählich
erlernt. Wenn unter den deutschen Sammlern nur ein sehr geringer Prozentsatz
den Anspruch darauf hat, Kenner zu sein, so ist daran lediglich die vornehme
Zurückhaltung schuld, mit der der deutsche Sammler sich persönlich aus dem Spiel
lassen möchte. Das geht eben nicht! Weder die sachverständigen Gutachten, mit
denen unsere Zeit einen so maßlosen Unfug treibt, noch die an einem gewissen
Punkt des Sammlungsabschlusses von Autoritäten bearbeiteten Kataloge ersetzen
das intensive Studium, die Mühe, die Arbeit und den Zeitaufwand, die zu jedem
wirklich fruchtbaren Sammeln erforderlich sind.
Der Deutsche pflegt sich gemeinsam einzureden, Sammeln sei etwas außer-
ordentlich Vornehmes oder doch zum mindesten dem Reichtum Vorbehaltenes.
Bei ihm sollen die Bilder Stammbäume haben wie die Menschen, mit denen er
verkehrt, und wie sich Emporkömmlinge oft Stammbäume machen lassen, so werden
auch nirgends so häufig wie bei uns neuen Bildern alte Stammbäume gefertigt.
Unser Ideal ist eben jener Pierpont Morgan, der alles Kostbare zusammen-
kaufte, nachher fabelhaft katalogisieren ließ und damit Bewegung auf den Kunst-
markt brachte. Unserer Natur und unseren Mitteln indessen würde viel gesünder
jene tiefere und innere Bewegung entsprechen, die aus einem wirklichen Bedürfnis
heraus das Leben auf dem Kunstmarkt hervorruft.
Im Januar war das auf einem uralten deutschen Spezialgebiete zu beobachten:
auf dem der Bücher. Die Deutschen sind unter den neueren Kulturvölkern das
Volk der Bücher, und charakteristischerweise hat sich unter den schweren, vielleicht
in Jahrzehnten erst wieder ein Gleichgewicht ermöglichenden Stößen, die der
deutsche Kunstmarkt in den letzten Jahren erlitt, eigentlich nur das Buch ziemlich
unverletzt zu halten gewußt. Der sonst auktionsreichste Monat des deutschen Kunst-
markts, der Januar, ist dieses Mal beinahe vollständig still verlaufen. Bei Hecht
in Berlin war eine allgemeine Versteigerung, die als eine gewisse Erholung be-
zeichnet wurde; ein Liebermann für 12000 M., dessen Käufer aber nicht be-
kannt wurde, bildete hier die Sensation. Eine Versteigerung von Handzeichnungen
bei Paul Graupe verlief ohne besonderes Resultat; die Stimmung für dieses
Sammelgebiet erschien im Gegenteil noch schwächer als in den Monaten zuvor.
Sonst gehörte der Januar fast ausschließlich dem Buche: deutsche Erstausgaben,
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