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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 5.1925

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Däubler, Theodor: An der Küste Phöniziens
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https://doi.org/10.11588/diglit.63706#1538

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eines französisch sprechenden Knaben, besucht. Saida ist fröhlich und
friedlich. Weiße Schiffe segelten weit draußen, als ich auf dem Turm
des Sarazenenkastells in alle Weiten blickte: weite Morgenwolken schienen
an den Schneehöhen des Libanons herumzuzerren, als wollten sie, daß
sie mitschweben sollten.
Nun fuhren wir zwischen winderfrischtem Meer und vom Duft er-
blühter Kräuter erfülltem lila Land dahin: wieder war es also unfrucht-
barer geworden. Als nun der Libanon nur noch recht ferne, drum schein-
bar bloß wie ein durchsichtiger Riesenkristall erblickbar wurde, der eben-
falls schneebedeckte Hermon aber, hoch und deutlich, mit kräftig ge-
krümmter Nase dem Meere zu hervorsprang, waren wir aus dem Bereich
Sidons in die Nähe von Tyros, jetzt El-Sur, gekommen. Über glitsch-
rigen Sand, vielleicht den des Dammes, der für Alexander des Großen
Heer, bei der Belagerung der größten Phönizierstadt, aufgeführt worden
war, sind wir in die einstmalige Inselstadt eingefahren. El-Sur ist keines-
wegs so freundlich wie Saida; doch seine Lage noch einzigartiger, die
Gegend besonders herb und großartig. Ein Araber konnte etwas Fran-
zösisch — führte mich durch die Ausgrabungsfelder; es gab aber wenig
mehr zu betrachten: bei einem Brunnen lagen antike, wohl römische,
Säulenschäfte herum, unter der Urbs hatte ja die Mutterstadt Karthagos
nochmals geblüht. Dann zeigte man mir noch die schöne Kreuzfahrer-
kirche : doch ist sie beinahe eine Ruine.
Nun ging es der Grenze zu: Unterwegs hielten wir über einem recht
erhöhten Kap. Die Aussicht war zauberhaft: zwischen Tamarisken und
Oleandergebüsch, das herzhaft rot blühte, blickte ich auf das wogende
Meer, das gold-violette Land, an dessen Strand man dereinst die Purpur-
schnecke in größter Menge gefunden hat: es ist heute recht kahl, doch
auch voll von duftenden Kräutern. Tyros’ Schimmern konnte man noch,
hinter heranflimmernden Wellenkränzen, fern und winzig erblicken. Des
Libanons Schneehöhen schienen nun wirklich zwischen Himmel und
Gebirge blau und leicht übers Meer erhoben, dahinzufliegen. Duftiger
als Gewölk muteten sie mich an. Herrisch hatte sich dafür der hohe
Hermon ins Gebiet zwischen Syrien und Palästina gestellt. Ihn, den
Quellenberg des Jordans, begrüßte ich an den Pforten des Gelobten
Landes. Bald erreichten wir den französischen Grenzort. Eigentlich sind
es bloß ein paar weiße Häuschen, bezaubernde Bäume und ein pracht-
voll sprudelndes Wasser. Also sozusagen eine Oase zwischen Einöde und
Meer! Hier, unter Pinien, Aleppokiefern und Eukalyptusbäumen mit
ihren Schleppen im Wind, nahm ich erst mein Mittagsmahl ein. Es ist
ganz herrlich dort, bei schäumenden Wogen, wehenden Wedeln der
Dattelpalmen, knisternden Fächern der Dumpalme und zerzausten, riesen-
großen Blättern schöner Bananenpflanzen. Das Seewasser spritzte über
junge Bäumchen, voll von Jaffa-Apfelsinen, Mandarinen und Zitronen
bis zum besternten Myrtengeheck, hinter dem ich gemütlich aß und dann
rauchte. Welche Freude am Süß- und Salzwasser! Im Sommer soll
es hier ganz besonders freudig zugehen, denn da kommen täglich viele

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