— „Haben Sie keine Gewissensbisse, etwas zu nehmen und abzuschreiben,
was schon einmal und gut gesagt ist. Quellenangaben machen ? Wozu ? Entweder
wissen die Leser, wo man die Blüte gepflückt hat, dann ist die Vorsichtsmaßregel
unnötig, oder sie wissen es nicht und fühlen sich beschämt.“
— „Liebkosen Sie Ihren Satz lange, zuletzt wird er Ihnen lächeln.“
Gesammelt und zerstreut.
Heute morgen ist er voll jugendlicher Begeisterung. Er macht hastig Toilette,
kürzt das Waschen ab, knöpft sich eigenhändig seine Schuhe zu. „Bloß nicht
Josephine läuten. Das Mädchen ist zu peinlich und schwatzhaft, sie findet nie
ein Ende. Das Wetter lacht. Heute keine Jeanne d’Arc! Heute wird es sich
gut laufen. Der Spaziergang, das oberste und abgeschmackteste der Vergnügen,
wie Voltaire sagte, wird heute eine Freude sein. Wir nützen den schönen, silbernen
Morgen, um zu Fuß ins Institut zu gehen. Wir wollen die Rue Mazarin, die
Seinestraße entlang bummeln . . ., nach Dosen, Trödelsachen und Antiquitäten
kramen. Welch schönes Viertel, das der Buchhändler, der Trödler und der Anti-
quare! Das ist ein wahres Museum im Freien. Auf der einen Seite des Quais
bieten die Händler Glaskästen voller Seltenheiten dar. Auf der anderen, auf der
Brüstung eine kilometerlange Bibliothek, eine phantastische, unvermutete Biblio-
thek, deren Reichtümer die Verwalter nicht kennen.“
Nun ist er bereit. Wir schleichen die Treppe auf den Zehenspitzen hinab. Er
öffnet die Haustür vorsichtig wie ein Liebhaber oder ein Einbrecher. „Wecken
wir die Xantippe nicht, die im Keller hockt.“ In großer Eile springt er die
Stufen der Treppe hinunter. Er zieht mich eingehakt mit. Er stürzt auf die
Straße, wir sind schon mitten auf der Gasse. Plötzlich schlägt hinter uns eine
Tür, und eine Stimme kreischt: „Herr! Herr! Wohin gehen Sie?“ Er verdoppelt
den Schritt. „Beachten Sie das Krächzen dieser Eule nicht, für die sich Minerva
bedanken würde. Schnell! Versuchen wir der alten Tyrannin zu entwischen. Was
will sie noch von mir?“ Das Geschrei verdoppelt sich: „Herr! Herr! Hören Sie
denn nicht? Er geht im Nachthemd zu Madame!“ „Fliehen wir, Freund! Unter
dem Vorwand, auf mich acht zu geben, macht mich dieses Dienstmädchen lächer-
lich. Wenn man sie hört, meint man, ich stehe unter Kuratel, reif, nach St. Peter
gebracht zu werden. Wollte sie mich nicht gestern dazu bringen, vor zehn Per-
sonen meine Unterhosen zu wechseln ? Und dieser ganze Eifer ist nur Eitelkeit!
Wenn sie mein Hemd oder meine Unterjacke wie eine Fahne schwingt, so ist das
eine Kundgebung. Sie will aller Welt beweisen, daß ihre Wachsamkeit meiner
Naivität gewachsen ist. Ich bin von schwerer Gefahr bedroht. Mich überkommt
oft das Gelüst, sie zu erdrosseln. Wenn wir nur Aussicht hätten, einen Wagen zu
bekommen . . .“
Trotz ihres Alters ist Josephine schnell wie ein Hirsch. Anatole France hält
atemlos an. Wir waren schon am Gitter. Im Nu sind wir von Gaffern umringt.
Die gebieterische Dienerin hat den Unsterblichen am Rockzipfel erwischt. Sie
führt ihn wie eine Ziege nach der Villa Said zurück. Sie ruft die Vorübergehenden
als Zeugen an: „Das schleicht sich heimlich fort, ohne das Hemd zu wechseln!
Und dann kriegt Madame mich beim Wickel. Sie hat zu mir gesagt: ,Josephine,
ich baue darauf, daß Sie auf den Herrn acht geben. Sie wissen, er ist ein Kind?
Heute schickte sie den Kammerdiener. Es ist ein großes Diner: Minister, Schau-
spielerinnen, Gräfinnen . . . Sie müssen den Jackettanzug anziehen. Mein armer
250
was schon einmal und gut gesagt ist. Quellenangaben machen ? Wozu ? Entweder
wissen die Leser, wo man die Blüte gepflückt hat, dann ist die Vorsichtsmaßregel
unnötig, oder sie wissen es nicht und fühlen sich beschämt.“
— „Liebkosen Sie Ihren Satz lange, zuletzt wird er Ihnen lächeln.“
Gesammelt und zerstreut.
Heute morgen ist er voll jugendlicher Begeisterung. Er macht hastig Toilette,
kürzt das Waschen ab, knöpft sich eigenhändig seine Schuhe zu. „Bloß nicht
Josephine läuten. Das Mädchen ist zu peinlich und schwatzhaft, sie findet nie
ein Ende. Das Wetter lacht. Heute keine Jeanne d’Arc! Heute wird es sich
gut laufen. Der Spaziergang, das oberste und abgeschmackteste der Vergnügen,
wie Voltaire sagte, wird heute eine Freude sein. Wir nützen den schönen, silbernen
Morgen, um zu Fuß ins Institut zu gehen. Wir wollen die Rue Mazarin, die
Seinestraße entlang bummeln . . ., nach Dosen, Trödelsachen und Antiquitäten
kramen. Welch schönes Viertel, das der Buchhändler, der Trödler und der Anti-
quare! Das ist ein wahres Museum im Freien. Auf der einen Seite des Quais
bieten die Händler Glaskästen voller Seltenheiten dar. Auf der anderen, auf der
Brüstung eine kilometerlange Bibliothek, eine phantastische, unvermutete Biblio-
thek, deren Reichtümer die Verwalter nicht kennen.“
Nun ist er bereit. Wir schleichen die Treppe auf den Zehenspitzen hinab. Er
öffnet die Haustür vorsichtig wie ein Liebhaber oder ein Einbrecher. „Wecken
wir die Xantippe nicht, die im Keller hockt.“ In großer Eile springt er die
Stufen der Treppe hinunter. Er zieht mich eingehakt mit. Er stürzt auf die
Straße, wir sind schon mitten auf der Gasse. Plötzlich schlägt hinter uns eine
Tür, und eine Stimme kreischt: „Herr! Herr! Wohin gehen Sie?“ Er verdoppelt
den Schritt. „Beachten Sie das Krächzen dieser Eule nicht, für die sich Minerva
bedanken würde. Schnell! Versuchen wir der alten Tyrannin zu entwischen. Was
will sie noch von mir?“ Das Geschrei verdoppelt sich: „Herr! Herr! Hören Sie
denn nicht? Er geht im Nachthemd zu Madame!“ „Fliehen wir, Freund! Unter
dem Vorwand, auf mich acht zu geben, macht mich dieses Dienstmädchen lächer-
lich. Wenn man sie hört, meint man, ich stehe unter Kuratel, reif, nach St. Peter
gebracht zu werden. Wollte sie mich nicht gestern dazu bringen, vor zehn Per-
sonen meine Unterhosen zu wechseln ? Und dieser ganze Eifer ist nur Eitelkeit!
Wenn sie mein Hemd oder meine Unterjacke wie eine Fahne schwingt, so ist das
eine Kundgebung. Sie will aller Welt beweisen, daß ihre Wachsamkeit meiner
Naivität gewachsen ist. Ich bin von schwerer Gefahr bedroht. Mich überkommt
oft das Gelüst, sie zu erdrosseln. Wenn wir nur Aussicht hätten, einen Wagen zu
bekommen . . .“
Trotz ihres Alters ist Josephine schnell wie ein Hirsch. Anatole France hält
atemlos an. Wir waren schon am Gitter. Im Nu sind wir von Gaffern umringt.
Die gebieterische Dienerin hat den Unsterblichen am Rockzipfel erwischt. Sie
führt ihn wie eine Ziege nach der Villa Said zurück. Sie ruft die Vorübergehenden
als Zeugen an: „Das schleicht sich heimlich fort, ohne das Hemd zu wechseln!
Und dann kriegt Madame mich beim Wickel. Sie hat zu mir gesagt: ,Josephine,
ich baue darauf, daß Sie auf den Herrn acht geben. Sie wissen, er ist ein Kind?
Heute schickte sie den Kammerdiener. Es ist ein großes Diner: Minister, Schau-
spielerinnen, Gräfinnen . . . Sie müssen den Jackettanzug anziehen. Mein armer
250