der Welt viel häufiger anzutreffen ist als guter. Daher kommt es, daß an Stelle
des Edlen das Aufgeplusterte getreten ist, an Stelle des Schönen das Niedliche
und an Stelle des Ausdrucksvollen der theatralische Effekt. Und tatsächlich
dient alles, von der konventionellen Redeweise und der Vortragskunst des Schau-
spielers angefangen bis zu seinem Gang und seiner Geste, den marktschreieri-
schen Anforderungen des Theaters, die nicht bescheiden genug sind, um künst-
lerisch zu sein.
Demzufolge hat die handwerkliche Redeweise und Bewegungsform zu äußer-
licher Effekthascherei und schwülstiger Deklamation geführt, die wiederum thea-
tralische Niedlichkeit im Gefolge hatten. Was wahre Schönheit ist, kann nicht
definiert werden, aber selbstverständlich hat sie keine Ähnlichkeit mit dem, was
die Handwerker verehren. Wahre Schönheit rührt, erregt tiefe Erschütterungen
und bleibt in der Seele haften; die handwerkliche Niedlichkeit übt auf das
Auge und das Gefühl nur einen ganz oberflächlichen Reiz aus, ohne in der Seele
tiefere Spuren zu hinterlassen. Wahre Schönheit hebt die Gefühle in höhere
Sphären und beflügelt die Phantasie und die Gedanken. Die Niedlichkeit läßt
uns an der Oberfläche alltäglicher Eindrücke, Vorstellungen und Gedanken. Wahre
Schönheit hat ihren Ursprung in einer gesunden, kraftvollen und normalen Natur,
Niedlichkeit ist auf Schwächlichkeit, Kränklichkeit und erklügelte Konvention zu-
rückzuführen. Wahre Schönheit erträgt keine Vergewaltigung der Natur und
würde sie als eine Verunstaltung empfinden; sie löst nicht das enge Verbunden-
sein mit dem Leben; Niedlichkeit aber, aus einer Vergewaltigung der Natur ent-
standen, liebt das Leben nicht, weil seine natürliche Kraft jene nicht kennt.
Zwischen Schönheit und Niedlichkeit ist der Unterschied so groß wie zwischen
einer lebenden Blume, die der Erde entsprossen ist, und einer Papierblume, die
im Atelier hergestellt wurde.
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des Edlen das Aufgeplusterte getreten ist, an Stelle des Schönen das Niedliche
und an Stelle des Ausdrucksvollen der theatralische Effekt. Und tatsächlich
dient alles, von der konventionellen Redeweise und der Vortragskunst des Schau-
spielers angefangen bis zu seinem Gang und seiner Geste, den marktschreieri-
schen Anforderungen des Theaters, die nicht bescheiden genug sind, um künst-
lerisch zu sein.
Demzufolge hat die handwerkliche Redeweise und Bewegungsform zu äußer-
licher Effekthascherei und schwülstiger Deklamation geführt, die wiederum thea-
tralische Niedlichkeit im Gefolge hatten. Was wahre Schönheit ist, kann nicht
definiert werden, aber selbstverständlich hat sie keine Ähnlichkeit mit dem, was
die Handwerker verehren. Wahre Schönheit rührt, erregt tiefe Erschütterungen
und bleibt in der Seele haften; die handwerkliche Niedlichkeit übt auf das
Auge und das Gefühl nur einen ganz oberflächlichen Reiz aus, ohne in der Seele
tiefere Spuren zu hinterlassen. Wahre Schönheit hebt die Gefühle in höhere
Sphären und beflügelt die Phantasie und die Gedanken. Die Niedlichkeit läßt
uns an der Oberfläche alltäglicher Eindrücke, Vorstellungen und Gedanken. Wahre
Schönheit hat ihren Ursprung in einer gesunden, kraftvollen und normalen Natur,
Niedlichkeit ist auf Schwächlichkeit, Kränklichkeit und erklügelte Konvention zu-
rückzuführen. Wahre Schönheit erträgt keine Vergewaltigung der Natur und
würde sie als eine Verunstaltung empfinden; sie löst nicht das enge Verbunden-
sein mit dem Leben; Niedlichkeit aber, aus einer Vergewaltigung der Natur ent-
standen, liebt das Leben nicht, weil seine natürliche Kraft jene nicht kennt.
Zwischen Schönheit und Niedlichkeit ist der Unterschied so groß wie zwischen
einer lebenden Blume, die der Erde entsprossen ist, und einer Papierblume, die
im Atelier hergestellt wurde.
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