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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 5.1925

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Hemingway, Ernest: Stierkampf, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.63706#0802

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von der Sorte ganz gut, wenn er sich ein bißchen ängstigte. Das nächste Mal
würde er länger warten, Lausepics. Er sah zu Zurito hinüber, der ein bißchen
außerhalb der Barriere starr und steif auf seinem Pferd saß und wartete.
„Hü!“ rief er den Stier an, „Hu!“ und dabei hielt er das Cape mit beiden
Händen so, daß der Blick des Stieres darauf fallen mußte. Der Stier riß sich
von dem Pferd los und griff das Cape an, und Manuel, der zur Seite- rannte
und das Cape weit ausgebreitet hielt, schwang sich auf den Hacken herum und
brachte den Stier scharf herum, so daß er sich wieder Zurito gegenüber fand.
„Campagnero nahm ein paar Varas an und tötete eine Rosinante“, schrieb
der Kritiker des Heraldo. „Der Veteran Zurito erweckte einige seiner alten
Künste wieder zum Leben, besonders bemerkenswert die Suerta — —“
„Ole! Ole!“ schrie der Mann neben ihm.
Der Schrei ging in dem Gebrüll der Menge verloren, und er gab dem Kritiker
einen Schlag auf den Rücken. Der Kritiker blickte auf und sah Zurito, der
sich direkt unter ihm weit über sein Pferd vorbeugte; die Pike, die er fast an
der Spitze gefaßt hielt, ragte in scharfem Winkel fast ihrer ganzen Länge nach
unter seiner Achselhöhle heraus; er drückte sich mit seinem ganzen Gewicht her-
unter und hielt den Stier ab, der stoßend und schlagend versuchte, an das
Pferd heranzukommen, und Zurito, ihm gerade gegenüber, hielt ihn ab, hielt ihn
ab und drehte langsam das Pferd gegen die Barriere, bis er es schließlich aus
dem Bereich des Stieres heraus hatte. Zurito, der den Augenblick fühlte, in
dem das Pferd frei war und der Stier vorbei konnte, lockerte den harten
stählernen Griff des Widerstandes, und in dem Moment, wo der Stier sich los-
riß, um Hernandez’ Cape direkt vor seinem Maul zu finden, fuhr die dreieckige
Stahlspitze der Pike in seinen Schultermuskel. Er fuhr blindlings auf das Cape
los, und Hernandez zog ihn heraus in die offene Arena.
Zurito saß da, klopfte seinem Pferd den Hals und sah zu, wie der Stier
das Cape angriff, das Hernandez unter dem hellen Licht der Bogenlampen vor
ihm schwang, während die Menge brüllte.
„Hast du das gesehen?“ sagte er zu Manolo.
„Es war ein Wunder“, sagte Manuel.
„Diesmal hab’ ich ihn gekriegt“, sagte Zurito. „Sieh ihn dir jetzt mal an.“
Das Cape war in einer ganz engen Windung vorbeigeschwungen, der Stier
glitt in die Knie. Er war im Augenblick wieder auf flen Beinen, aber Manuel
und Zurito sahen, wie das Blut in einem glatten, leuchtenden Streifen gegen die
schwarze Schulter des Tieres herunterlief.
„Diesmal habe ich ihn gekriegt“, sagte Zurito.
„Er ist ein guter Stier“, sagte Manuel.
„Das nächste Mal würde ich ihn töten“, sagte Zurito. „Sieh ihn dir jetzt an.“
„Ich muß hinüber“, sagte Manuel und rannte los nach der anderen Seite
der Arena hinüber, wo die Monos ein Pferd am Zügel herausführten. Sie schlugen
ihm mit Gerten gegen die Beine und versuchten auf alle Weise, es zu dem Stier
hinüberzuzerren; der stand mit gesenktem Kopf, stampfte den Boden und konnte
sich nicht entschließen, anzugreifen.
Zurito, der sein Pferd gegen die Bühne zu lenkte, verfolgte mit finsteren
Blicken jede Einzelheit.
Endlich griff der Stier doch an, die Männer, die das Pferd geführt hatten,
rannten zur Barriere zurück, der Picador traf ihn zu weit hinten, und der Stier
kam unter das Pferd, hob es in die Höhe, warf es auf den Rücken.

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