JOHANNES NOHL, Der schwarze Tod. Eine Chronik der Pest 1348
bis 1720. Gustav Kiepenheuer Verlag, Potsdam.
Aus zeitgenössischen Berichten und Dokumenten wird das Bild der großen
Pest zusammengestellt. Ein schrecklicher Zug von Unglück und Grauen zieht
vorbei; alle bösen Instinkte werden wach, alle Hilfskräfte versagen, der Teufel
wird beschworen, die Juden werden totgeschlagen, der Sexus wird entfesselt,
Geißelbrüder treten auf, Tanzwut bricht aus, Kinder predigen, und schließlich
siegt das Leben. Nohl hat alles klug geordnet und gesammelt, in einem Werk,
das spannender ist als jeder noch so phantastische Roman.
ENN ST DIEZ, Einführung in die Kunst des Ostens. Mit 63 Abbildungen.
Avalun-Verlag, Wien-Hellerau.
Was heute vom Wesen der ostasiatischen Kunst gewußt wird, hat der
Verfasser, gestützt auf zuverlässige Ergebnisse der Einzelforschung, unverwirrt
und deutlich dargestellt. So gut und wertvoll die Arbeiten zur ostasiatischen
Kunst von O. Fischer, C. Glaser, Cohn-Wiener, E. Grosse, O. Kümmel und
K. With sind, eine solche zusammenfassende knappe Arbeit fehlte bisher. Be-
sonders zu begrüßen ist, daß das Hauptgewicht auf die chinesische Malerei
gelegt wird, deren menschliche Nähe und Größe uns als Idealtyp einer wesent-
lichen, unpathetischen, unromantischen, uns wirklich angehenden Kunst erscheint.
Bemerkenswert ist, daß das Bildermaterial vor allem bisher unbekannte und
uns neue Darstellungen bringt.
BOCACC1O, Das Decatneron. Mit 128 Illustrationen von Johannot,
Grandville u. a. Allgemeine Verlagsanstalt, München.
Die vorzügliche Übersetzung Meißners von 1782 wird durch die bürgerlich-
romantischen Illustrationen des Vor-Biedermeiers zeitlich richtig begleitet. Aber
solche Renaissance erscheint uns heute entgiftet, und vielleicht so am ehesten
als Aufguß antikischer Essenz entlarvt. Das Decameron wird uns gerade in
dieser Ausgabe an den Stellen wichtig, zu denen diese alten Bürger keine Illu-
strationen wagten.
EBERHAR.D G O T H E / N , Schriften zur Kulturgeschichte der Re-
naissance. Band I: Renaissance in Süd-Italien. Band II: Reformation und Gegen-
reformation. Verlag Duncker & Humblot, München.
Die politische Geschichtsschreibung Rankes erscheint hier durch Wertung
der sozialen Kräfte pragmatisch erweitert und verfeinert. Die Kulturge-
schichte der Renaissance in Süd-Italien wird zu einer Ergänzung von Jacob
Burckhardts Renaissance-Büchern. Der Band über Reformation und Gegen-
reformation ist ein gedrängteres und dadurch einprägsameres Gegenstück zu
Rankes Deutscher Geschichte im Zeitalter der Reformation. Erwähnenswert
ist, daß dieser Band auch die berühmte Abhandlung Gotheins über den
Jesuitenstaat von Paraguay enthält.
SPITTELER, Prometheus der Dulder. Eugen Diederichs Verlag, Jena.
Karl Spitteier ist vor kurzem im höchsten Alter gestorben; viel gepriesen
und sicher wenig gelesen — und das mit Recht. Dieses letzte Werk ist ge-
radezu ein Mythos der Trivialität.
ROMAIN ROLLAND, Mahatma Gandhi. Rotapfel-Verlag, Erlenbach-
Zürich, München und Leipzig.
Der indische Tolstoi sollte uns mehr als ethnographische Erscheinung
vorgetragen werden. Der Anspruch Romain Rollands auf Atemanhalten vor
entfernten Heiligen macht unsere Kritik asthmatisch und verfälscht unser
europäisches Interesse in eine Anteilnahme, deren dauerndes Nichtaktivwerden
Beweis eines wirkungslosen Beispiels ist.
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bis 1720. Gustav Kiepenheuer Verlag, Potsdam.
Aus zeitgenössischen Berichten und Dokumenten wird das Bild der großen
Pest zusammengestellt. Ein schrecklicher Zug von Unglück und Grauen zieht
vorbei; alle bösen Instinkte werden wach, alle Hilfskräfte versagen, der Teufel
wird beschworen, die Juden werden totgeschlagen, der Sexus wird entfesselt,
Geißelbrüder treten auf, Tanzwut bricht aus, Kinder predigen, und schließlich
siegt das Leben. Nohl hat alles klug geordnet und gesammelt, in einem Werk,
das spannender ist als jeder noch so phantastische Roman.
ENN ST DIEZ, Einführung in die Kunst des Ostens. Mit 63 Abbildungen.
Avalun-Verlag, Wien-Hellerau.
Was heute vom Wesen der ostasiatischen Kunst gewußt wird, hat der
Verfasser, gestützt auf zuverlässige Ergebnisse der Einzelforschung, unverwirrt
und deutlich dargestellt. So gut und wertvoll die Arbeiten zur ostasiatischen
Kunst von O. Fischer, C. Glaser, Cohn-Wiener, E. Grosse, O. Kümmel und
K. With sind, eine solche zusammenfassende knappe Arbeit fehlte bisher. Be-
sonders zu begrüßen ist, daß das Hauptgewicht auf die chinesische Malerei
gelegt wird, deren menschliche Nähe und Größe uns als Idealtyp einer wesent-
lichen, unpathetischen, unromantischen, uns wirklich angehenden Kunst erscheint.
Bemerkenswert ist, daß das Bildermaterial vor allem bisher unbekannte und
uns neue Darstellungen bringt.
BOCACC1O, Das Decatneron. Mit 128 Illustrationen von Johannot,
Grandville u. a. Allgemeine Verlagsanstalt, München.
Die vorzügliche Übersetzung Meißners von 1782 wird durch die bürgerlich-
romantischen Illustrationen des Vor-Biedermeiers zeitlich richtig begleitet. Aber
solche Renaissance erscheint uns heute entgiftet, und vielleicht so am ehesten
als Aufguß antikischer Essenz entlarvt. Das Decameron wird uns gerade in
dieser Ausgabe an den Stellen wichtig, zu denen diese alten Bürger keine Illu-
strationen wagten.
EBERHAR.D G O T H E / N , Schriften zur Kulturgeschichte der Re-
naissance. Band I: Renaissance in Süd-Italien. Band II: Reformation und Gegen-
reformation. Verlag Duncker & Humblot, München.
Die politische Geschichtsschreibung Rankes erscheint hier durch Wertung
der sozialen Kräfte pragmatisch erweitert und verfeinert. Die Kulturge-
schichte der Renaissance in Süd-Italien wird zu einer Ergänzung von Jacob
Burckhardts Renaissance-Büchern. Der Band über Reformation und Gegen-
reformation ist ein gedrängteres und dadurch einprägsameres Gegenstück zu
Rankes Deutscher Geschichte im Zeitalter der Reformation. Erwähnenswert
ist, daß dieser Band auch die berühmte Abhandlung Gotheins über den
Jesuitenstaat von Paraguay enthält.
SPITTELER, Prometheus der Dulder. Eugen Diederichs Verlag, Jena.
Karl Spitteier ist vor kurzem im höchsten Alter gestorben; viel gepriesen
und sicher wenig gelesen — und das mit Recht. Dieses letzte Werk ist ge-
radezu ein Mythos der Trivialität.
ROMAIN ROLLAND, Mahatma Gandhi. Rotapfel-Verlag, Erlenbach-
Zürich, München und Leipzig.
Der indische Tolstoi sollte uns mehr als ethnographische Erscheinung
vorgetragen werden. Der Anspruch Romain Rollands auf Atemanhalten vor
entfernten Heiligen macht unsere Kritik asthmatisch und verfälscht unser
europäisches Interesse in eine Anteilnahme, deren dauerndes Nichtaktivwerden
Beweis eines wirkungslosen Beispiels ist.
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