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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 5.1925

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Achleitner, Arthur: Schwierige Abendbalz
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https://doi.org/10.11588/diglit.63706#0926

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Geehrt lief der Pfarrer zur Türe und rief in den Flötz: „Margret! Bring
g’schwind den Kirschgeistkrug, wo e — Totekopf druff ist!“
Die alte Wirtschafterin Margret, die vergeblich versucht hatte, dem Leibjäger
Rollfing etliche „Würmer aus der Nase zu ziehen“, brachte die steinerne Schnaps-
flasche und fragte an der offenen Tür treuherzig und naiv: „Hänt (haben) Hoch-
würden — magenkranke Mannerlüt besserer Sorte zu Besuch?“
Der Kaiser rief lachend: „Schluß! Ich kann nicht mehr!“ Zum Versuchen
des Kirschgeistes aus der Steinflasche mit dem „Totenkopf“ kam es nicht mehr.
Majestät mußte an die — Luft, wollte sich im Freien — auslachen.
Die Kunde von der Anwesenheit des Kaisers hatte sich im Dorf wie Flugfeuer
verbreitet, im besonderen die am meisten „interessierten“ — Wiberlüt auf die
Beine gebracht. Die Schar alter Frauen stand in Nähe des Pfarrhauses und ließ
in schrecklichen Diskantstimmen den Gast „hochleben“.
Lachend eilte Majestät vorüber.
Oberförster Miller sprang nach, verhielt aber einen Augenblick bei den Frauen
und sagte ihnen: „Krischet nur fort, Wiberlüt! Der Kaiser höret nit gut, aber er
hat’s gern, wenn ihn — alte Wiber lebe lasse!“ Dann rannte Miller dem von
Rollfing gedeckten Gaste nach und geleitete Se. Majestät zum Jagdschlößle, wo
der Wagen wartete.
Die kreischenden Hoch- und Jubelrufe des zeternden Weibervolkes gellten
durch den dunklen Forst, wo das Auerwild aus dem Schlaf erwachte.
Schluchzend fuhr der Kaiser zurück nach Donaueschingen.


Bela Fischer
 
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