Durch die Fe,nster der unteren Stockwerke sah man, wie das Zeitungs-
blatt die Lampe,n verdunkelte, und an den oberen Stockwerken lehnten
sich die Dienstmädchen aus den Fenstern und riefen dem eiligen Zei-
tungsjungen zu, ejnen Augenblick zu warten. Und wenn er wirklich halt-
machte, dann strömte,n von allen Seiten die Menschen zu ihm hin, um
ihm die auf gefalteten Zeitungen zu entreißen und sie wie eine Siegesfahne
im Triumph nach Haus zu tragen. An solchen ereignisvollen Tagen, die
wie die Tage sind, an denen das große Los in der Lotterie bekannt wird2),
scheinen die Zeitungen wirklich mit dem Blut des Verbrechens, des
Attentats oder der Krise bedruckt zu sein.
Rodrigo schritt gerade über die Plaza de Olavide, als er der Zeitungs-
jungen außergewöhnlich lautes Rufen hörte. „Feuersbrunst? Attentat?“
Imre Goth
malte
mehr
und
2) Der Tag, an
dem das Resultat der
Weihnachtslotterie
bekannt wird, ist
in Spanien ein in-
offizieller Festtag.
(Anin. d. Ü.)
gangen habenkönnte.
Seine Phantasie
gab der Geschichte
mehr Sensation, als
der Zeitungsschrei-
ber ihr gegeben
hatte, der sie in
kleinen Abschnitten
erzählte. Er
sich alles mit
Einzelheiten
übertriebener aus.
Er sah in der
schattigen Straße von
Madrid Moderno, mit
seinen zahlreichen
Erkerchen aus Holz,
jenes Häuschen, des-
sen Reize in den
Sommernächten
ihren Gipfelpunkt
erreichten. Da sollte
einer sagen, er hätte
Cristina nicht von
Herzen gern dorthin
fragte er sich, um seine Gewißheit schwankend zu machen, seine Gewiß-
heit über das Verbrechen, die eine Frucht seines unaufhörlichen, sorgen-
vollen Grübelns war,
das ihn eben klar
hatte erkennen las-
sen, daß an diesem
Sommertage einzig
und allein ein Lie-
besdrama sich hatte
abspielen können.
„Es ist ganz sicher,“
gestand er sich dann
selbst ein, „ein Gatte
wird den Ge-
liebten seiner
Frau erschos-
senhaben. Die-
se Hitze gibt
ja dem Ehe-
bruch einen
Ernst, der ei-
nemF urcht ein-
flößen kann.“
Er suchte einen
Jungen, kaufte eine
Zeitung und setzte
sich auf eine Ter-
rasse, um begierig
und erregt das Blatt
zu lesen, als habe er
den Bericht eines
Verbrechens vor sich,
das der Gatte Christi-
nas an ihm selbst be-
1027
blatt die Lampe,n verdunkelte, und an den oberen Stockwerken lehnten
sich die Dienstmädchen aus den Fenstern und riefen dem eiligen Zei-
tungsjungen zu, ejnen Augenblick zu warten. Und wenn er wirklich halt-
machte, dann strömte,n von allen Seiten die Menschen zu ihm hin, um
ihm die auf gefalteten Zeitungen zu entreißen und sie wie eine Siegesfahne
im Triumph nach Haus zu tragen. An solchen ereignisvollen Tagen, die
wie die Tage sind, an denen das große Los in der Lotterie bekannt wird2),
scheinen die Zeitungen wirklich mit dem Blut des Verbrechens, des
Attentats oder der Krise bedruckt zu sein.
Rodrigo schritt gerade über die Plaza de Olavide, als er der Zeitungs-
jungen außergewöhnlich lautes Rufen hörte. „Feuersbrunst? Attentat?“
Imre Goth
malte
mehr
und
2) Der Tag, an
dem das Resultat der
Weihnachtslotterie
bekannt wird, ist
in Spanien ein in-
offizieller Festtag.
(Anin. d. Ü.)
gangen habenkönnte.
Seine Phantasie
gab der Geschichte
mehr Sensation, als
der Zeitungsschrei-
ber ihr gegeben
hatte, der sie in
kleinen Abschnitten
erzählte. Er
sich alles mit
Einzelheiten
übertriebener aus.
Er sah in der
schattigen Straße von
Madrid Moderno, mit
seinen zahlreichen
Erkerchen aus Holz,
jenes Häuschen, des-
sen Reize in den
Sommernächten
ihren Gipfelpunkt
erreichten. Da sollte
einer sagen, er hätte
Cristina nicht von
Herzen gern dorthin
fragte er sich, um seine Gewißheit schwankend zu machen, seine Gewiß-
heit über das Verbrechen, die eine Frucht seines unaufhörlichen, sorgen-
vollen Grübelns war,
das ihn eben klar
hatte erkennen las-
sen, daß an diesem
Sommertage einzig
und allein ein Lie-
besdrama sich hatte
abspielen können.
„Es ist ganz sicher,“
gestand er sich dann
selbst ein, „ein Gatte
wird den Ge-
liebten seiner
Frau erschos-
senhaben. Die-
se Hitze gibt
ja dem Ehe-
bruch einen
Ernst, der ei-
nemF urcht ein-
flößen kann.“
Er suchte einen
Jungen, kaufte eine
Zeitung und setzte
sich auf eine Ter-
rasse, um begierig
und erregt das Blatt
zu lesen, als habe er
den Bericht eines
Verbrechens vor sich,
das der Gatte Christi-
nas an ihm selbst be-
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