Warum stellt eine Begegnung mit Madame de Noailles die höchste
Probe dar, die jeder große deutsche Schriftsteller, der nach Paris
kommt, sucht, fürchtet und hofft ? Vielleicht, weil diese einzigartige
Frau zu ihrem dichterischen Ruhm den Wildbach ihrer gesprochenen
Bilder fügt und die Faszination ihrer immer flammenden Unterhaltung,
weil sie die einzige ist seit Madame de Stael, die den Anprall euro-
päischen Genies herausfordert und aushält, ihnen Zug um Zug, Kühnheit
um Kühnheit, Blitz um Blitz zurückgibt. Ja, sie hätte, des bin ich sicher,
Goethe entsetzt und Napoleon gebändigt...
Unruh, der sich mit
außerordentlicher Gewis-
senhaftigkeit bei den ihm
zu Ehren gegebenen
Abendessen jedes Gerich-
tes entsinnt, das ihm
gereicht wurde, spricht
hauptsächlich von einer
seltsamen Spargelschlem-
merei .. .
Madame de Noailles
sagte sogar eines jener
entzückendenWorte, deren
Geheimnis sie allein be-
sitzt und die bewirken,
daß jeder wahre Dichter
von ihr ein Geschenk er-
hält, das unvergeßlich ist.
Sie sprach Unruh von
ihrer Kindheit und rief
aus: „... die ich am
Ufer eines Sees geboren
bin, das heißt im An-
gesicht von zwei Him-
meln ..Ich entsinne
mich, daß unser Besucher am nächsten Tage noch ganz berauscht von
diesem Bilde war, aber um so mehr verüble ich es ihm, daß er ihm die
unheilvollsten Ausschmückungen hinzufügte: „Ihr Einstein sagte mir, ich
hätte die schönsten Augen der Welt..“
Das Diner endete in einer Atmosphäre eleganter Fröhlichkeit . . .
Nach und nach beginnen die verschiedenen Elemente sich zu ordnen
. . . Und Unruh, schweigsamer Riese, eine Art den germanischen Wäl-
dern entrissener Arminius, schmückt mit seiner gefesselten Kraft die
Zerstreuungen des Hofes von Byzanz und willigt durch sein Lächeln in
alles, was diese Theodora will.
Alles schien gerettet ... da ereignete sich der Theatercoup. Der
Kerkermeister Jacques, der junge französische Freund, der Unruh keinen
1045
Probe dar, die jeder große deutsche Schriftsteller, der nach Paris
kommt, sucht, fürchtet und hofft ? Vielleicht, weil diese einzigartige
Frau zu ihrem dichterischen Ruhm den Wildbach ihrer gesprochenen
Bilder fügt und die Faszination ihrer immer flammenden Unterhaltung,
weil sie die einzige ist seit Madame de Stael, die den Anprall euro-
päischen Genies herausfordert und aushält, ihnen Zug um Zug, Kühnheit
um Kühnheit, Blitz um Blitz zurückgibt. Ja, sie hätte, des bin ich sicher,
Goethe entsetzt und Napoleon gebändigt...
Unruh, der sich mit
außerordentlicher Gewis-
senhaftigkeit bei den ihm
zu Ehren gegebenen
Abendessen jedes Gerich-
tes entsinnt, das ihm
gereicht wurde, spricht
hauptsächlich von einer
seltsamen Spargelschlem-
merei .. .
Madame de Noailles
sagte sogar eines jener
entzückendenWorte, deren
Geheimnis sie allein be-
sitzt und die bewirken,
daß jeder wahre Dichter
von ihr ein Geschenk er-
hält, das unvergeßlich ist.
Sie sprach Unruh von
ihrer Kindheit und rief
aus: „... die ich am
Ufer eines Sees geboren
bin, das heißt im An-
gesicht von zwei Him-
meln ..Ich entsinne
mich, daß unser Besucher am nächsten Tage noch ganz berauscht von
diesem Bilde war, aber um so mehr verüble ich es ihm, daß er ihm die
unheilvollsten Ausschmückungen hinzufügte: „Ihr Einstein sagte mir, ich
hätte die schönsten Augen der Welt..“
Das Diner endete in einer Atmosphäre eleganter Fröhlichkeit . . .
Nach und nach beginnen die verschiedenen Elemente sich zu ordnen
. . . Und Unruh, schweigsamer Riese, eine Art den germanischen Wäl-
dern entrissener Arminius, schmückt mit seiner gefesselten Kraft die
Zerstreuungen des Hofes von Byzanz und willigt durch sein Lächeln in
alles, was diese Theodora will.
Alles schien gerettet ... da ereignete sich der Theatercoup. Der
Kerkermeister Jacques, der junge französische Freund, der Unruh keinen
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