Das ganze Theaterpublikum folgt wie ein Mann begeistert dem Beispiele
Rosanoffs, der nach allen Regeln der Kunst eine Kniebeuge macht und dann
plötzlich wieder in die Luft schnellt.
Der Vorhang geht auf, die Vorstellung beginnt.
In „Pinochio“, mit seinen baukastenähnlichen, oft nur auf’s knappste ange-
deuteten Dekorationen und Vorgängen (an einer Stelle, z. B. zeigt sich in der
Tür, die zur gefangenen Prinzessin führt, eine Riesenhand, die einen krummen
Dolch hält), erscheint unter anderem ein italienisches Theater auf der Bühne, bei
dem sich eine grotesk-ironische Pantomime abspielt. Die zuschauenden Kinder
sind an den Vorgängen derart temperamentvoll beteiligt, daß sie immerfort
versuchen, sich laut in die Flandlung einzumischen, ihre große Überlegenheit
diesem parodierten Leben, ja sogar der hier zur Schau tretenden Mechanik des
Theaters gegenüber, zum Ausdruck zu bringen.
Als seine wichtigste Aufgabe betrachtet aber das von Frau Natal ja Ssatz
geschaffene und geleitete, und auch von seinen ausgezeichneten Schauspielern,
im Bewußtsein ihrer großen Verantwortung, mit vorbildlich freudigem Ernst be-
handelte Kindertheater keinesfalls die bloße Unterhaltung der Kleinen. Vielmehr
ihre möglichst vielseitige künstlerische Anregung und zeitgemäße soziale Er-
ziehung, — sowohl mit Hilfe des Textes, wie auch mittels künstlerischer, an-
schaulicher (durch Dekorations- und Kostümentwürfe) Einführung in den Geist
verschiedener Völker und Epochen. In diesem Sinne sind auch alle anderen
darin aufgeführten Stücke abgefaßt (Bearbeitungen, und letzthin auch die
speziell zu diesem Zwecke entstandenen Originalschöpfungen): „Tausend und eine
Nacht“, als gedrängte Komposition der arabischen Weisheitsmärchen, „Der Arbeiter
Balda“, in den Bahnen des russischen Volksschaffens, „Robin Hood“, im Stil der
mittelalterlichen Komödie, und „Hiawatha, der Führer der Irokesen“, eine Bear-
beitung der Heldenlieder der nordamerikanischen Indianer, ein Stück, zu dem
der bekannte russische Komponist A. A. Schenschin die Musik verfaßt hat.
Schenschin ist zugleich auch Orchester-Dirigent dieses eigen- und bisher wohl
auch einzigartigen Theaters, bei dem alle Stücke ausnahmslos mit einer ihrem
inneren und äußeren Charakter entsprechenden Musikbegleitung aufgeführt werden.
Die von Schenschin ins Leben gerufenen, für das gleiche Publikum speziell
zusammengestellten sinfonischen Konzerte, die er einleitend erläutert, sind
natürlich für die musikalische Entwicklung und Vertiefung dieser Kinder noch
von weitaus höherer Bedeutung. Besonders für die blinden kleinen Zuhörer
darunter, die konzentriertesten und rührendsten von allen. — Interessant ist'die Be-
hauptung Schenschins, daß dieses Kinderauditorium auf die Musik, auf seine
Konzerte noch intensiver reagiere als auf die dargebotenen Theatervorstellungen.
Nun ist über die mannigfaltigsten Ausdrucksformen, in denen sich bei den
Kindern die von ihrem Theater empfangenen künstlerischen Anregungen — in
unzähligen, auch kritisch gehaltenen Briefen und Aufsätzen, Zeichnungen, Bildern,
Plastiken, selbstgefertigten Bühnen, Kulissen usw. — geäußert haben, von der
pädagogischen Leitung dieser Anstalt ein ungemein lebendiges, reichhaltiges, nach
allen nur denkbaren Gesichtspunkten geordnetes Material zusammengetragen
worden. Dazu gehören auch noch die vielen gewissenhaft aufgezeichneten Be-
obachtungen über Haltung, einzelne Äußerungen, Ausrufe, sogar über die Art
des Schweigens der Kinder während der einzelnen Vorführungen. — Die
Frage aber, ob bei diesem zukünftigen Rußland in künstlerischer Hinsicht das
Auge oder das Ohr der sensitivere Teil bedeute, wird wohl trotz dieses kom-
plizierten wissenschaftlichen Apparates kaum je entschieden werden.
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Rosanoffs, der nach allen Regeln der Kunst eine Kniebeuge macht und dann
plötzlich wieder in die Luft schnellt.
Der Vorhang geht auf, die Vorstellung beginnt.
In „Pinochio“, mit seinen baukastenähnlichen, oft nur auf’s knappste ange-
deuteten Dekorationen und Vorgängen (an einer Stelle, z. B. zeigt sich in der
Tür, die zur gefangenen Prinzessin führt, eine Riesenhand, die einen krummen
Dolch hält), erscheint unter anderem ein italienisches Theater auf der Bühne, bei
dem sich eine grotesk-ironische Pantomime abspielt. Die zuschauenden Kinder
sind an den Vorgängen derart temperamentvoll beteiligt, daß sie immerfort
versuchen, sich laut in die Flandlung einzumischen, ihre große Überlegenheit
diesem parodierten Leben, ja sogar der hier zur Schau tretenden Mechanik des
Theaters gegenüber, zum Ausdruck zu bringen.
Als seine wichtigste Aufgabe betrachtet aber das von Frau Natal ja Ssatz
geschaffene und geleitete, und auch von seinen ausgezeichneten Schauspielern,
im Bewußtsein ihrer großen Verantwortung, mit vorbildlich freudigem Ernst be-
handelte Kindertheater keinesfalls die bloße Unterhaltung der Kleinen. Vielmehr
ihre möglichst vielseitige künstlerische Anregung und zeitgemäße soziale Er-
ziehung, — sowohl mit Hilfe des Textes, wie auch mittels künstlerischer, an-
schaulicher (durch Dekorations- und Kostümentwürfe) Einführung in den Geist
verschiedener Völker und Epochen. In diesem Sinne sind auch alle anderen
darin aufgeführten Stücke abgefaßt (Bearbeitungen, und letzthin auch die
speziell zu diesem Zwecke entstandenen Originalschöpfungen): „Tausend und eine
Nacht“, als gedrängte Komposition der arabischen Weisheitsmärchen, „Der Arbeiter
Balda“, in den Bahnen des russischen Volksschaffens, „Robin Hood“, im Stil der
mittelalterlichen Komödie, und „Hiawatha, der Führer der Irokesen“, eine Bear-
beitung der Heldenlieder der nordamerikanischen Indianer, ein Stück, zu dem
der bekannte russische Komponist A. A. Schenschin die Musik verfaßt hat.
Schenschin ist zugleich auch Orchester-Dirigent dieses eigen- und bisher wohl
auch einzigartigen Theaters, bei dem alle Stücke ausnahmslos mit einer ihrem
inneren und äußeren Charakter entsprechenden Musikbegleitung aufgeführt werden.
Die von Schenschin ins Leben gerufenen, für das gleiche Publikum speziell
zusammengestellten sinfonischen Konzerte, die er einleitend erläutert, sind
natürlich für die musikalische Entwicklung und Vertiefung dieser Kinder noch
von weitaus höherer Bedeutung. Besonders für die blinden kleinen Zuhörer
darunter, die konzentriertesten und rührendsten von allen. — Interessant ist'die Be-
hauptung Schenschins, daß dieses Kinderauditorium auf die Musik, auf seine
Konzerte noch intensiver reagiere als auf die dargebotenen Theatervorstellungen.
Nun ist über die mannigfaltigsten Ausdrucksformen, in denen sich bei den
Kindern die von ihrem Theater empfangenen künstlerischen Anregungen — in
unzähligen, auch kritisch gehaltenen Briefen und Aufsätzen, Zeichnungen, Bildern,
Plastiken, selbstgefertigten Bühnen, Kulissen usw. — geäußert haben, von der
pädagogischen Leitung dieser Anstalt ein ungemein lebendiges, reichhaltiges, nach
allen nur denkbaren Gesichtspunkten geordnetes Material zusammengetragen
worden. Dazu gehören auch noch die vielen gewissenhaft aufgezeichneten Be-
obachtungen über Haltung, einzelne Äußerungen, Ausrufe, sogar über die Art
des Schweigens der Kinder während der einzelnen Vorführungen. — Die
Frage aber, ob bei diesem zukünftigen Rußland in künstlerischer Hinsicht das
Auge oder das Ohr der sensitivere Teil bedeute, wird wohl trotz dieses kom-
plizierten wissenschaftlichen Apparates kaum je entschieden werden.
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