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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 5.1925

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Gris, Juan; Schiratzki, Bertha [Transl.]: Über die Möglichkeit der Malerei: Vortrag gehalten an der Sorbonne in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.63706#0062

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Eine Architektur läßt sich nicht in Stücke zerlegen, deren jedes ein autonomes
oder isoliertes Leben behält. Ein Architekturfragment kann nichts anderes als ein
bizarres und verstümmeltes Stück sein, das, nur im geringsten entfernt von der
Stelle, wo es hingehört, keine Existenzberechtigung hat.
Die Konstruktion ist also nichts als eine Imitation der Architektur.
Nicht die Konstruktion, sondern die flächige und farbige Architektur ist eine
Technik der Malerei. Sie stellt die Beziehungen zwischen Formen und den in ihnen
enthaltenen Farben her.
Wir können also feststellen, daß, wenn einerseits das ästhetische System die Be-
ziehungen zwischen dem Maler und der äußeren Welt — Beziehungen, die zum
„Sujet“ führen — darstellt, die Technik andererseits die Gesamtheit der Beziehungen
zwischen den Formen und den Farben, die sie enthalten, und zwischen den farbigen


Formen untereinander bedeutet. Hierin besteht die Komposition, die im Bild ihren
Ausdruck findet.
Jede Form in einem Gemälde hat drei Funktionen zu erfüllen:
Sie muß entsprechen: dem Element, das sie darstellen soll, der Farbe, die in ihr
enthalten ist, und den anderen Formen, die mit ihr gemeinsam die Totalität des
Gemäldes ausmachen.
Die erste Beobachtung, die sich bei der Betrachtung flächiger Formen aufdrängt,
ist offenbar die, daß sie zwei primäre Eigenschaften besitzen: Ausdehnung und
Formcharakter. Um es deutlicher auszudrücken: eine ausgesprochene Form, ein
vollkommener Kreis zum Beispiel, wird stets — abgesehen von seiner Ausdehnung
— den Charakter des Kreises behalten. Ein gleichschenkliges Dreieck wird als
solches sich immer gleichbleiben, ungeachtet seiner Dimensionen. Eine Form hat
stets einen Charakter und eine Ausdehnung.
Eine Farbe hat genau ebenso zwei primäre Eigenschaften: ihre Qualität und
ihre Intensität, d. h., ob sie rot, grün oder blau ist und in welchem Grade sie es ist.
Ein Blau bleibt ein Blau, gleichviel ob es blaß oder tiefer ist. Man unterscheidet
die Farbe und ihren Ton. Dabei läßt sich von vornherein eine ursprüngliche
Analogie einerseits zwischen dem Charakter einer Form und der in ihr enthaltenen
Farbe wie andererseits zwischen ihrer Ausdehnung und ihrem Farbton beobachten.

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