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Tagesblatt der Geschichte — 1815

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No. 1 - No. 22 (Januar)
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Tagesblatt der Geschichte.

E . P oO Hcuyvxx MGH DD DDD Y

nm.]





Kurze Uebersicht der Staaten und Länder
Europa's.
Rußland
(F o r t l e b u n g.) :
In den früheſten Zeiten ſtanden die Russen in leb-
haftem Verkehr mit dem grliechiſchen Kalſerthum, wodurch
Künſte und Gewerbe bei ihnen einheimlſch und blühend
wurden. Innere Unruhen und die Einfälle und die Er-
oberung durch dle Mongolen und Tartaren verhinderren
das ſernere Gedeihen derſelben; die ſpäterhin eingeführte
Le beigenſchaſt konnte ſie noch weniger befördern, und so
war Ruzland in diesem Stücke so wie in Wiſſet.ſchaften
hinter dem indeß vorgeſchrittenen Europa unendlich zu-
_ röckgetlieven. Mur ſelten iſt die Geſchichte für das Herz
so wohlthuend, als in dem Aoſchnitrte von Peter den
WMrogßen. Dreser mit vollem Recht groß genatiute Mann

begnügte ſich nicht, Fremde zum Mulſſter selner Untertha-

nen in's Land zu ziehen und bei dieſen den Sinn für Ges-
Gewerbe und Küuſte durch Aufrnunterungen, Prtvilegten,.

Belohnungen zu wecken und durch wetſe Verordnungen
zu befeſtigen; er verlteß sein Reich, um In eigner Perfon
die Vorſchritte des Auslandes kennen zu lernen, erlernte
ſelbſt die Schiffbauer, , Schloſſer- und Wundarzneikunſt.
Was Katharina U. gethan hat, haben wir zum Theil oben ge-
ſeßer- und ihre Nachfolger ſind dleſen Grundsätzen treu
geblieben. f
Die Schwierlgkelten, die ſie zu beſiegen hatten,
ſchienen unüberwindlich, Der Bürgerſtand fehlte gänz-
î lich, daher die Städte klein und nichr zahlreich; der
î Hauer kannte keine Bedürfniſſe, und der Adel hatte die
nothwendigen Handwerker unter ſeinen Leibeignen; noch
unter Katharina Il. fand ſich die hervorbriugende und
vweredelnde Induſtrie, zum Nachtheil beider, in denſelben
den: es. iſt gezeigt worden, wie ſie selbige getrenut

DT Vergleicht man den jetzigen Zuſtand Rußlands mit

.). welchen Peter der Große fand, so wird mar den
izelg dleſer Beſtrebungen über alle Erwartungen finden ;
ver "reicht man ihn mit dem anderer Staaten, ſo drängt
l. c1e Bemerkung auf, daß auch die gelehrigſten Völker,

gleich elnzelnen Menschen, Zeit zu ihrer Bilcung bedür-
sen. So finden sich noch immer große Dörfer, die bloß
von Gerbern, Schuſtern, Drechslern, Schiffbauern, Ei-
ſenarbeitern und unzähligen andern Hatidwerkern bewohut
werden, die über dleſe Gewerbe die Landwirthſchaft. gänz-

lich vernachläßigen, oder doch nur Weibern und Kindern
überlaſſen. Andere Beſchäfciguigen laſſen ſich wieder

Hanz füglich mit dem Landbau vereinigen, besonders in

, ſolcien Gegenden, die einen langen Winter haben; dahin
gehören vorzüglich die Leineweberet, das Talgſchmelzen
nud Seilfenſieden, das Oehlſchlagen, dle Bereitung des

von außerhald eingeführt.

E E E R h R e a . M aMule

No. 13. Mittwoch, den 18ten Januar 1815.



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Kaviars, der Hauſenblaſe, der Baſtmatten, das Eisen-
ſchmelzen, Kohlenſchweelen u. a. m. Auf der andern

Seite wird den ruſſſichen Handwerkern vorgeworfen,
_ daß ſie ihren Arbeiten nicht die höchſte Vollkommenhelt
geben mögen und daß es ihnen zu sehr an dem nöthigen

Stolz fehlt, der ſich des gelungenen Werkes ſeiner Hände
freuet. Deſſen ungeachtet ſind viele Gewerbe bei ihnen
in hoher Vollkommenheit und von ungemeiner Wlchtig-

keit, besonders die Lederbearbeitung, Leineweberel, Seglen.
„tuch- und Tauwerkmanufaktur, Metallfabricatton (die.

Gewehrfabrik in Tula iſt berühmt, und beſchäftigt über

5000 Arbeiter). Es iſt zu bemerken, daß ſich das Mas

terial aller dieſer Gewerbe im Lande findet ; nicht so iſt
es mit den blühenden Seidenmanufakturen, die ihre rohe
Seide aus Chita und Perſien erhalten. Nicht ſo leicht
haben die Tuchmanufacturen gedeihen wolien, obgleich ver-
ſchiedene Provinzen ziemlich gute Wolle liefern. Die
Bemühungen der Regierung, dieſen wichtigen Zwelg der
Induſtrie zu heben, ſind setner Wichtigkeit angemeſsſen ge-
weſen. EChenals wurden nur die gröbſten Tücher für
den gemeinen Ruſſen im Lande verfertigt und die feineren
Katharina legte eine große
Fabrik zu felnen Tüchern in Jamburg an, wozu die Mei-
ſter, Färber und selbſt die Weber von außerhalb verſchrie-
ben wurden; der Reglerung brachte ſie freilich keinen
Sewinn, aber ſie ward die Pflauzſchule, aus welcher,
nachdem ſie unglückilcher Weiſe abbrannte, mehrere Ma-
nufacturen in verſchiedenen Theilen des Reichs hervorge-
gangen ſlnd. In den neueſten Zelten hat die Regierung
ſür thunlich und nützlich gehalten, die Elnfuhr fremder
Tücher gänzlich zu verdleten, wie sie es früher in Ane
ſsehung der Hüthe gethan hatte, die jetzt hinreichend inneen
halb des Landes verfertigt werden. ]

Die Regierung unterſtütze die Errichtung neuer Fe.

brifen nicht nur durch Berorduungen und Befretungen
von allgemermenu Laſten, ſondern auch häufig ourch unzins-
bare Vorſchüſſe auf gewiſſe Zeiten. Ein Jeder, aus wele_
cem Stande er auch iſt, darf Fabriken anlegen, unuan
hat, was sſonſt nur der Adel darf, die Erlaubuiß, den

nachweislich etforderlichen Grund und Boden nebſt dazu

gr hörlgen Letbeigenen zu kaufen; die Werfkmeiſter in den
Vabriten genießen große Begäuſtigungen und ſelbſt die
Arbeiter waren ſonſt von der Receutirung befreit und
nur wegen vieler ſtatt gefundener Mligträuche iſt die leste

Begünſiigung ausgehoben. Deunoch gedeihen die Manus :
factures iu aligenteinen nicht; einige Ursachen und Hine. _

derniſſe treſſen ſie mit Gewerben und Handwerken ges
meinjchaftl!ich; die wichtigſte iſt. viellcicht der Mangel an
fr elen Hänben, die ſich aus eigen er Wahl ihrem Gee

ſchäste gewidmet haben und ſolches daher auch volllome.

men ausführen. ( Fortſezung folge).
 
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