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Tagesblatt der Geschichte — 1815

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No. 109 - No. 129 (Juni)
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einer Relhe achtungswerther Odberobrigkelten versehen hat.
Bei dem letzten Krlege litt das Amt Segeberg viel, und
in einigen Dörfern ſind der Wohlſtand und die Nahrungs-
wege ſo zerſtört, daß man die Einwohner verarmt nennen

ê kann.

Aber wie verſchledenartlg iſt der angrenzende Ratze-
Diſtrict von adelichen, vorhin leilbetgenen Gütern, der ſich
von hier, das dazwischen liegende Eutlniſche Land unberech-
net, bis nach Neuſtadr, Oldenburg, Lütjenburg und Klel er-
ſtreckc. Hier glebt es nur Herren und Diener, außer Pre-
digern, Schenkwirthen und Verwalcern keinen Mittelſtand.
Die Gursherrſchaft iſt alles in allem, der Bauer iſt Jo-
ſte, Tageldshner ſind ſetne Diener, ſeine Werkzeuge.
Durch die Aufhebung der Leibeigenschaft (1804) hat der
Bauer freilich aufgehört, an die Scholle gebunden zu
ſeyn, aber seine Lage im Ganzen dadurch wenig gewon-
ne. Es ſteht in der Gewalt des Gutsherrn, den Be-
lauf der Pachtung zu beſtimmen, und die melſten haben
ihn ſo hoch gelclzt, daß dieſe Leute, die ſich auf kelne an-
dere Welſe zu helfen wiſſen, faſt alle In der größten Be-
drängniß und Abhängigtelit leben. In der nämlichen Lage
ſind alle übrigen, die zum Gute gehören. Als der Bauer
frei von Hofdtienften wurde, gebot die Oeconomle, etgene
Häuſer für dle Arbeiter des Guts zu bauen. Diteſse Ein-
richtungen wurden nicht ſelten mir gewiſsenloser Karghele
und Einschränkung getroffen. – Man hat in dieſen Häu-
ſern, die, wie gewöhnlich, Lehmwände haben, die Menſchen
wie "geräucherte Heringe zuſammengepfropfe. Nicht selten
ivohnen unter Elnem Dae 4 bis 5 Faunllien mit ihren

zum Thell alternden Angehörigen. Oft ſah ich in dteſen

Wohnungen 30 Perſonen unter Einem Dache vereinigt.
Zede Famille beſitt dann eine kleine Stube, die ſpäritch
dder gar nicht erhellt iſk, und deren Inueres Armuth
und Unretnlichkelt verräth. Dle Einwohner ſind Hoſ-
knechte oder Tagelöhner. Die erſtern haben dte Pferde
zu beſorgen uud zu ſühren, und jeder (ſt bel einem

Geſpann angeſtelt. Ihr Lohn beſteht in der Regel

außer freier Wohnung in 8 Tonnen Korn, Gras und
Futterung für eine Kuh, und 24 bls 28 Thaler in Geld.
Die zweite Claſſe hat gleichfaüs frete Wohnung und elite
Kuh, wofür aber ein gewiſſes an Pacht berechnet wird,
wn dex Regel 8 bis 10 Thaler, und ſie erhalten an Ta-
; gelohn im Sommer 1o0, im Wliuter 6 Thaler. Vom
Ausdreſchen erhalten sie das 17te oder 13te Korn. Die
Lage dieler Menſchen gegen die übrige Welt iſt so beſchaf-
fen, daß ſie, gleich den |ündigen Menſchen vom Paradteſe,

von jedem frelen Lebensgenuß, von jedem beglückenden Bes

wußtſeyn eigener Würde und Selbſtſtändigkeit ausgeſchloſ-

ſen ſind, aber doch die phyſiſche S.v ſiſtenz ]pärlich erhalle

U! köuuene ts eu u “:e st

t Versorgung der Urmen und allen Armenanſtalten

fehlt, weil bei dieſem Menſchenschlage mit allen andern

Gefühlen auch das des geget.ſeitigen Mitleids erſtické.

wird, daß viele Arme und Kranke dort tm eigentlichen

Verſtande verhungern, iſt zu bekannt, um hler ausfühell-

cher erwähnt zu werden. Natürlich können ſſe In derne
Regel nichts für üblere Tage zurücklegen. Werden ſie

nur von einer achttäglgen Krankheit heimgesucht, in der
ſie des Tagelohns entbehren, so gerathen sie in die äußer-
ſte Gefahr. Ihre einzige Nahrungsquelle verſiegt, Sor-
gen und Brodmangel drücken ſie ganz zu Boden. An
einigen Stellen hat man Aerzte eugenommen, die voa
der Herrſchaſt besoldet werden, und man glebt die Me-
dtcin umſonſt. Ader wie wenig kann man von Aerzten
und Medicin erwarten, wo alles fehlt, was den Sinn be-
ruhigt, und die erſchlafften Kräfte ſtärkt ! Ich ſah vor
den Genesenden unberührte Gläser mit Rhabarber, China

und Quaſſta- Extract ſtehen. Wenn ich fragte, warum

ſie nicht gebraucht würden, so war die Antwort: es |ſt
jwar theuer genug, ader es glebt keine Kräfte. Mags
hatte Recht. Einige Flaſchen gutes Bier, etwas Retls-
brey, einige Pfund Fleiſch wären wirksamer gewesen, und
ich weiß nicht, warum die Landärzte nicht dieſe Mlttel in
das Verzeichniß der kräftigen Heilmittel aufnehmen.

. Das merkwärdigſte Belſpiel dleſes Gegensatzes im
nordiſchen Charakter bietet vielleicht die Inſel B o rn h o lm
dar. Der nördliche Thell derſelben wird von großen,
kräftigen, schön gewachſenen, an Leib und Seele gesun-
den Menſchen bewohnt, die den Dalekarliern . gleichen;
ihre Sprache kömmt der Schwediſchen ſehr nahe; im
ſüdlichen Theil wohnen dagegen kleinere, meiſt dunkelhaa-
rige Leute, welche an ihre lettiſche Abkunst erinnern, und
in geiſtiger wie in körperlicher Rückſicht tief unter ihren

Nachbarn ſtehn. -

~ Der Karlsruher Pollzet- Direktor von Haynau,
der ſich während des vortgen Feldzugs. durch seine An-
hänglichkett an dle ſchlechte Sache so ſehr auszelchnete,
vor einiger Zeit aber ſich über Baſel nach Fraukreich ge-
flüchtet hat, ſoll ſich in Befort für einen badischen Ge-
ſandten ausgegeben haben. . CAar. Zeit.)
_ In der Slzung des Deutsſchen Commite am 23ten
wurde der Entwurf einer Deutſchen Bundesakte, zu wel-
chem der Oeſterreichiſche Miniſter, Freihere von Weſſem-
berg, die erſten Grundlinien verfaßt hat, und über wel-
chen die drei Europätſch-Deutſchen Hauptmächte , Oeſter-
reich, Preußen und Hannover, vorläufig übereingekonmen
waren, vorgelegt und offiziell mitgerhetlt. Die würtliche
Unterzeichnung dieſer Deutſchen Bundes - Akte dürſte je-
doch noch einigen Aufſchub leiden, da mehrere 2lögrordne-
te ſchon erklärt Jaben, für dieſen Fall keine hinreichende
Vollmacht zu beſißen, und erſt neue Inſtruktlonen eiuho:
len zu müſſen . CHam. Corr.)
Der Handelsverkehr mit den vereinigten Staaten
und England iſt ſehr lebhaft. Es ſind bereits Schiſſe mit Lae
dungen von großem Werth aus Amerika angekommen,

und dagegen viele brittiſche Manufakturwaren dahin gen.

ttt"; Liyeepost Greenock und Briſtol gewinnen vor-
züg abel. iu: Y t§ / j
 
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