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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 1
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Reimer, Paul: Die älteren Hinterladungsgeschütze, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0020

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6

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.

So führen die Zeugbücher Kaiser Maximilians zwei
derartige Stücke von Bronze auf, den «Weckauf»
und den Pfabcnschwanz», deren beide Teile —
der hintere Teil war der kürzere — ineinander
geschraubt wurden. Zu diesem Zweck, sowie zur
sonstigen leichteren Handhabung befanden sich in
den hervortretenden Friesen an den Enden der bei-
den Teile rechteckige Löcher zum Einsetzen von
Hebebäumen. Vielleicht hat man diese Konstruktion
auch gewählt, um bei eingetretener Unbrauchbarkeit
des der Abnutzung durch den Schuss in höherem
Masse ausgesetzten Bodenstücks nicht gleich das
ganze Rohr nmgiessen zu müssen. So goss Hans
Seelos 1508 zu dem bronzenen Hauptstück «Purrhin-
durch» einen anderen <Pulversack».
Wesentlich solider und in der Handhabung
einfacher war die Konstruktion, bei der das Wider-
lager der Kammer mit dem Rohr verbunden war,
und zwar war diese Verbindung eine lose oder
durch Schweissung bewirkte. Es scheint, dass beide
Arten gleichzeitig im Gebrauch waren. Von Ge-


Fig- 5-

schützen der ersteren Art besitzt das Berliner Zeug-
haus kein Exemplar, dagegen bildet Essenwein1)
nach den Zeugbüchern Kaiser Maximilians mehrere
derartige Rohre ab, deren Konstruktion daraus im
allgemeinen zu erkennen ist. Fig. 4 giebt das
Prinzip derselben wieder. Darnach war das Rohr
kurz hinter den Schildzapfen abgeschnitten, diese
selbst zeigen starke, rechteckige Schildzapfenschei-
ben, die in gleiche Oesen des viereckigen sehr
starken Rahmens passen. Derselbe ist auf diese
Weise fest mit dem Rohr verbunden und nimmt
die Kammer auf, hinter welche ein häufig an einem
Kettchen hängender, eiserner Keil senkrecht ein-
getrieben wird. Hinten hat der Rahmen in der
Regel einen Plandgriff zum Richten. Es findet sich
diese Konstruktion wohl hauptsächlich bei Rohren
kleinen Kalibers, wie sie vorzugsweise in Drehbassen
(Pivotgabeln) ruhend, also sehr leicht beweglich, zur
Armierung von Streitwagen etc. Verwendung fanden.
Die Zeugbücher geben mehrfach Beläge hierfür.
Weniger schwerfällig ist die Konstruktion, bei

der das Widerlager, das ja lediglich auf Zugfestig-
keit in Anspruch genommen wird und daher bei
kleinen Kalibern nicht gar so stark zu sein braucht,
an das Rohr angeschweisst ist. Fig. 5 zeigt ein
solches Geschütz aus dem Ende des 15. Jahr-
hunderts, das, im Tiber gefunden, sich gegenwärtig
im Berliner Zeughaus befindet. Die dünnen, zu
Zugstangen gewordenen Wangen des Rahmens
greifen mit breiten Lappen um den hinteren Teil
des Rohres herum, die Kammer wird durch einen
horizontal eingetriebenen eisernen Keil, für den ent-
sprechende Löcher ausgespart sind, gegen das
Rohr gepresst. Als Auflager für die Kammer sind
die Rahmenwangen durch einen Querbügcl verbun-
den. Auch hier läuft das Widerlager in einen im
vorliegenden Falle abgebrochenen Handgriff aus.
Die ganze Anordnung ist überaus leicht und ge-
fällig und vorzüglich zur Erreichung grösserer
Feuergeschwindigkeit bei Verwendung mehrerer
Kammern geeignet. Auch dieses Geschütz liegt in
einer Drehbasse und dürfte an Bord eines Schiffes
Verwendung gefunden haben, wo der Drehzapfen in
einen Pfosten der Rehling eingesetzt wurde. Der-
artige Geschütze führte Columbus auf seiner Cara-
velle Santa Maria. Bei weiterer Ausbildung dieser
Art der Hinterladung kann man, wahrscheinlich
durch das Bestreben, die nach hinten entweichen-
den Pulvergase abzufangen, dazu, den Raum zwischen
den Rahmenwangen auf der Unterseite völlig zu
schliessen und auch oben den vorderen Teil der
Kammer, soweit es der für die Einbringung der-
selben nötige Spielraum. zulicss, zu bedecken. So
entstand ein vollständiges Kammergehäuse, das in
seiner Gestalt grosse Aelmlichheit mit der «Hülse»
des Mausergewehrs hat. In der That kann die mit
dem Zündnadelgewehr einsetzende Wiederaufnahme
der Hinterladung in neuerer Zeit als eine mehrere
Zwischenglieder überspringende Weitcrentwickclung
der alten Kammergeschütze aufgefasst werden, nur
dass die heutige «Kammer» den Zündmechanismus
enthält, während die Funktion der früheren aus-
wechselbaren Kammer durch die im Prinzip nichts
Neues darstellende Mctallpatrone aufgenommen
ist. — Essenwein1) giebt ein Geschütz obiger Art,
dessen Aeusseres unwillkürlich an den heutigen
Kammerverschluss erinnert. Die Verwendung des
Keiles zum Einpressen der Kammer ist beibehalten.
Das Berliner Zeughaus besitzt mehrere Geschütze
dieser Art, von denen eins, und zwar ein solches
schweren Kalibers, in Fig. 6 dargestellt ist. Es
stammt aus Indien und gehört einer grösseren Reihe
asiatischer Geschütze an, die s. Zt. durch Schenkung
von Calcutta an das Berliner Zeughaus gekommen
sind. Das Kammergehäuse, in dessen Kopf die
Längsstäbe des Rohres eingreifen, ist hier äusserst
stark gehalten, der zur Verwendung gelangte Keil
erscheint dem gegenüber etwas schwach. Statt der

') Quellen etc. S. A. LXXXVIII.

*) Quellen etc., Text S. 52.
 
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