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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 2
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Sixl, P.: Entwickelung und Gebrauch der Handfeuerwaffen, [10]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0058

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44

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band


Entwickelung und Gebrauch der Handfeuerwaffen.

Von k. u. k. Major P. Sixl in Budweis.
(Fortsetzung.)

m Jahre 1411 werden im In-
ventar von Schwetz neben
8 Handbüchsen auch 3 Ta-
rasbüchsen genannt.
Es ist dies die erste Er-
wähnung von Tarasbüchsen
überhauptund derVergleich
einzelner Inventarien er-
giebt, dass man sowohl Lot-
ais auch Steinbüchsen als
Tarasbüchsen bezeichnete.
In Schwetz wurden im Jahre 1415 neben 5 Stein-
büchsen 12 Lotbüchsen übergeben; hält man diese
Angaben den Zahlen vom Jahre 1411 entgegen, so
lässt sich annehmen, dass bei den Lotbüchsen die
3 Tarasbüchsen mitgezählt wurden. Dasselbe Resul-
tat erhält man beim Vergleiche zweier Inventarien
des Ordenshauses Mewe, welche im Jahre 1416
schnell hintereinander aufgenommen wurden. Im
ersten werden 5 Stein-, 3 Taras- und 16 Lotbüchsen,
in dem zweiten ebensoviele Stein- und Lotbüchsen,
und überdies 3 grosse Lotbüchsen genannt; es ist
nahezu zweifellos, dass diese 3 grossen Lotbüchsen
mit den 3 Tarasbüchsen identisch sind. Auf dem
Hause zu Memel wurden im Jahre 1419 bei der
Visitation 2 grosse, 6 kleine und i Steinbüchsen,
4 Taras- und 26 Lotbüchsen gezählt; im Inventar
vom Jahre 1420 sind eingetragen: 9 Stein- und 30 Lot-
büchsen ; auch hier muss angenommen werden, dass die
4 Tarasbüchsen bei den Lotbüchsen angeführt wurden.
Aus diesen Angaben geht ferner hervor, dass man
meist nur Lotbüchsen grösseren Kalibers als Taras-
büchsen bezeichnete, weil einerseits dieselben den
Handbüchsen gegenübergestellt werden, anderseitsTa-
rasbüchsen als grosse Lotbüchsen eingetragen wurden.
Werden jedoch Steinbüchsen als Tarasbüchsen
bezeichnet, so sind dieselben als «Steintarrasbüchsen»
oder «Tarras-Steinbüchsen» angeführt oder aber bei
den kleinen Steinbüchsen mifgezählt.
Im Jahre. 1414 werden in Thorn 5 Steintaras-
büchsen und 5 Lotbüchsen erwähnt. Im Jahre 1416
enthält das Inventar von Elbing folgende Feuer-
waffen: 1 grosse, 1 mittlere und 8 kleine Stein- und
10 Lotbüchsen; im Inventar vom Jahre 1428 kehren
dieselben Zahlen unverändert wieder mit der ein-
zigen Ausnahme, dass die 8 kleinen Steinbüchsen
als Tarasbüchsen bezeichnet werden.
In grösserer Anzahl werden. die «Tarrasstein-
biichsen» in der «Einung der schlesischen Fürsten,
Mannen und Städte auf dem Tage zu Grotkau zum
Kriege gegen die Ketzer in Böhmen vom 18. Sep-
tember 1421» erwähnt.1)
1) Grünhagen in Scr. rer. Siles, n. 17 ans Scnltetus annal.
Gorlic II, 50, — bei Franz PalackJ; Urkundliche Beiträge zur Ge-
schichte des Hnssitenkrieges vom Jahre 1419 an. Prag 1873,1,149.

«Item iglich fürste sal bestellen in seinen lan-
den vnd steten, das 10 gebawer einen waijn haben
mit irer were vnd speise vfif drei monden. Nemlich
itzlich waijn sol haben eine kethe, die man nennt
eine landzocht, zwey brethe, zwey grabescheit, eine
schauffel, zwu czoe, eine haue adir zwu. Vnd itz-
lich er sal seine beste were mit jm nemen, also spisse,
armbroste vnd suste so er beste mag. Das sulleii
auch tun die obgenannte lande vnd stete. Item itz-
licher fürste sal seine stete heissen mete nemen
weren so sie beste mögen vnd auch die Iannt. Item
itzlich fürste sal mit jm nemen bochsen, nachdeme also
es im ist angeslagen. Item die Sweidnitzer land vnd
stete sulleft mit jn nemen eine grosse bochse,
15 tarrasssteinbüchsen vnd 100 pisschullen. Item die
andern fürsten vnd land vnd stete werden och mete
nemen iglicher nach seinem anslage. Summa Sum-
marum der bochsen, 20 grosse bochsen, domete
man mawren feilen mag, 300 tarrasssteinbüchsen,
2000 pisschullen.»
Es überrascht hier die grosse Anzahl der ge-
forderten Feuerwaffen; es ist möglich, dass man im
Anschläge hoch gegriffen, um möglichst viel zu er-
reichen; immerhin lässt sich aus der gestellten Forde-
rung ableiten, dass zu dieser Zeit der Kampf- und
Gefechtswert der Feuerwaffen schon allseitig aner-
kannt und gewürdigt wurde und dass die Krieg-
führung in der Wirkung derselben eine ausgiebige
Unterstützung suchte.
Die Taras-Steinbüchsen sind in der obigen
«Einung» den grossen Büchsen, welche Bresche
legen sollten, gegenübergestellt. Es muss demnach
die gefechtsmässige Bestimmung derselben in der
Wirkung auf andere und zwar lebende Ziele zu
suchen sein, bei welchen sie den übrigen Schuss-
waffen entweder durch grössere Schussweite vor-
arbeiteten oder durch die Art ihrer Schussleistung
die Wirkung der übrigen Handschusswaffen erheb-
lich verstärkten.
Einige Angaben über Tarasbüchsen sind auch
in den städtischen Kämmerei-Rechnungen von Wien1)
enthalten; zum Jahre 1426, fol. 341, ist eingetragen:
«umb zwo eisnein stainpuchsen und umb funifif
tärraspuchsen . . . 12® 60 dn.; von den benanten
puchsen ze vassen und ze beslahen ... 17 ® dn.;
umb ain kuphreine tärraspuchsen und um ain aysnene
tärraspuchsen und davon ze vassen und ze beslahen ..
3 <B> 6 sh. 5 dn.»
In der ersten Ausgabepost sind die Taras-
büchsen den Steinbüchsen gegenübergestellt; es ist
daher wahrscheinlich, dass dieselben Lotbüchsen

*) Dr. Karl Uhlirz, Stadtarchivar: «Der Wiener Bürger Wehr
und Waffen (1426—1648). Auszüge aus den städtischen Kämmerei-
Rechnungen,» (Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereines
zu Wien Bd. 27—31. Wien 1891—1897.)
 
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