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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 7
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Erben, Wilhelm: Noch einige Worte über Fringia, Genoa und Sichelmarke
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0286

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2JO

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.

Noch einige Worte über Fringia, Genoa und Sichelmarke.
Von Dr. Wilhelm Erben.

ie durch eine Aeusserung des
Herrn Direktors von
Ehrenthal hervorgerufe-
nen Ausführungen zur
Deutung der Klingenin-
schrift Fringia, welche ich
in diesem Bande S. 151:
bis 155 veröffentlichte,
haben Herrn Dr. Petzsch
zu einigen Gegenbemer-
kungen veranlasst (ebenda S. 217 bis 220), die ich im
Interesse der Sache nicht unbeantwortet lassen will,
weil sonst als Ergebnis der beiderseitigen Ausein-
andersetzungen nur Unsicherheit und Verwirrung der
Ansichten Zurückbleiben würden. Ich schmeichle mir
dabei nicht, die Frage, was die in der Ueberschrift
genannten Klingenbezeichnungen in jedem Falle
bedeuten, definitiv zu erledigen, nur den gegen-
wärtigen Stand unserer Kenntnisse will ich gewissen-
haft zu umgrenzen versuchen und angeben, auf
welchem Wege zu weiterer Klärung der Sache zu
gelangen sein dürfte.
Den Kern und Zweck meines früheren Aufsatzes
bildete der Nachweis, dass die weitverbreitete und
zuletzt noch von Ehrenthal verteidigte Ansicht, das
Wort Fringia sei aus den Anfangsbuchstaben des
Titels Kaiser Ferdinand I. entstanden, gänzlich un-
haltbar ist. Petzsch hat dieses negative Ergebnis
nicht erwähnt, aber auch kein Wort der Vertei-
digung für die ältere Annahme vorgebracht, die er
also wohl selbst als beseitigt ansieht. Gegen meinen
positiven Vorschlag, Fringia von dem türkischen
frengi (abendländisch) herzuleiten, erhebt P. aller-
dings einige Einwendungen; er meint, «dass die
Türken das stets in lateinischen Buchstaben wieder-
gegebene Wort keinesfalls lesen» und «mit dem
Schriftbilde kaum eine Vorstellung verbinden konnten»;
die Klingenfabrikanten und -Verkäufer, denkt P.,
«hätten sich mit einiger Mühe sehr wohl die Schreib-
weise des türkischen Wortes in türkischen Buch-
staben aneignen können, wenn dies ihrem kauf-
männischen Interesse förderlich gewesen wäre». P.
hat bei diesen Bedenken übersehen, dass ich nicht
die Türkei im heutigen Sinne des Wortes, sondern
christliche Länder, die vorübergehend unter türki-
scher Herrschaft und türkischem Einfluss standen,
als die Hauptabsatzgebiete der Fringiaklingen an-
gesehen und hingestellt habe. Unter den Nach-
wirkungen der Schlacht von Mohäcs (1526) zerfiel
das Königreich Ungarn in drei grosse Teile. Dem
Abendland blieben die westlichen und nördlichen
Gegenden am engsten verbunden; obwohl in diesen

die Habsburger ihre Herrschaftsansprüche behaupte-
ten, konnte doch auch hier nach dem Muster des
Feindes, gegen den man durch anderthalb Jahrhun-
derte auf steter Wacht zu stehen hatte, gerade im
Kriegs- und Waffenwesen türkischer Brauch mass-
gebend werden. Die Mitte und der Süden des Landes
standen unter unmittelbarer türkischer Herrschaft,
aber unter dem Pascha von Ofen und seinen Beamten,
welche ihre Wirksamkeit fast ausschliesslich auf das
militärische und finanzielle Gebiet beschränkten, be-
stand die magyarische Nation in ihrer kirchlichen,
ihrer Gemeinde- und Komitatsverfassung fort1) und
so erhielt sich nicht nur die nationale sondern auch
die lateinische Sprache, die in Ungarn stets im öffent-
lichen Leben eine so grosse Rolle gespielt hat. Der
Osten des Landes endlich, das Fürstentum Sieben-
bürgen, lebte unter eigenen, christlichen Fürsten, die
in endloser Schaukelpolitik sich sowohl von dem
abendländischen als von dem morgenländischen Kaiser
thunlichst unabhängig zu halten bestrebt waren; natur-
gemäss vollzog sich auch hier eine Mischung orienr
talischer und occidentaler Kultur ein Wirkungen. In
allen diesen drei Gebieten treffen also die Voraus-
setzungen für die von mir vertretene Ansicht über
den Ursprung des Wortes Fringia zu. Das militärische
Uebergewicht der Türken verhalf dem türkischen
Waffenbrauch zur Aufnahme und kann auch der Be-
zeichnung frengi für abendländische Klingen Eingang
verschafft haben; die in allen drei Landesteilen ver-
breitete Kenntnis des Lateinischen musste dann not-
wendig zu den Formen Frangia oder Fringia führen.
Jenes Wort in türkischen Buchstaben zu schreiben,
wie P. es erwartet, waren abendländische Waffen-
schmiede nicht in der Lage. Wo immer auf abend-
ländischen Waffen türkische Schriftzüge aufzutreten
scheinen, sind es entweder fehlerhafte, und selbst
für den geübtesten Leser schwer lesbare Kopien
einer unverstandenen orientalischen Vorlage oder
nur unbeholfene, völlig sinnlose Imitationen. Was
aber die philologische Frage anbelangt, ob und wie
aus frengi fringia entstand, so kann ich mich noch-
mals auf das schon meinem ersten Aufsatz zu gründe
liegende fachmännische Urteil eines Gelehrten be-
rufen, dem Herr Dr. Petzsch schwerlich ein eben-
bürtiges entgegenzusetzen vermag.
Aus diesen Gründen halte ich trotz der von P.
vorgebrachten Bedenken an der Zulässigkeit meiner
Erklärungsart fest. Einen durchschlagenden Beweis
') Ueber diese interessanten Verhältnisse handelt Franz
Salamon, Ungarn im Zeitalter der Ttirkenherrschaft (ins
Deutsche übertragen von Juräny, Leipzig 1887), insbesondere
S. 253 bis 270.
 
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