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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 10
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Forrer, Robert: Ueber Waffen- und Burgen-Rekonstruktionen
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Sixl, P.: Zur Geschichte des Schiesswesens der Infanterie: Vortrag gehalten im militär-wissenschaftlichen Vereine zu Kaschau im Wintersemester 1900/01 (Schluss)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0394

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374

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.

Lothringen und des Hugo von Chätillon. In wunder-
barer Reichhaltigkeit folgen sich dann nicht weniger
als 6 Ritter des XIV.'und ca. io des XV. Jahr-
hunderts, dann in geschlossener Reihenfolge die Ge-
rüsteten und Gewappneten des XVI. und XVII. Jahr-
hunderts, um mit einem Dragoner derZeit LudwigsXV.
und mit einem Soldaten der ersten Republik abzu-
schliessen.

Geht man Sonntags ins Pariser Musee d’Artillerie,
so sieht man hier das Volk vor diesen lebensvollen
Kostümgruppen sich drängen und stauen, diesen
Rekonstruktionen ein Interesse entgegenbringen, wie
vielleicht wenigen anderen Ausstellungsobjekten
dieses gewaltigen Zeughauses. Und spielend
lernt hier das Volk einen Einblick thun in
frühere Zeiten!


Zur Geschichte des Schiesswesens der Infanterie.
Vortrag gehalten im militär-Wissenschaft liehen Vereine zu Kascha u im Wintersemester 1900/01
von P. Sixl,
k. u. k. Oberstleutnant im Infanterie-Regiment Ferdinand IV,
Grossherzog von Toscana Nr. 66.


(Schluss.)

wird allgemein angeführt,
dass schon bei einem
Büchsenschiessen zu
Leipzigim Jahre 1498
aus gezogenen Ge-
wehren geschossen
wurde. Oberst Thier-
bach fügt dieser An-
gabe die Bemerkung
bei, dass in dem
Schiessbriefe vom Jahre 1497, welcher die Einladung
zu diesem Schiessen enthält, von gezogenen Büchsen
nicht die Rede ist. Wohl ist die Möglichkeit nicht aus-
geschlossen, dass vereinzelt aus gezogenen Gewehren
geschossen wurde, allein ein urkundlicher Beweis fehlt.1)
Köstlich und heiter sind die vielen Ausreden,
welche die Büchsenschützen zur Entschuldigung und
Erklärung ihrer Fehlschüsse gebrauchten. Hans
Heinrich Grob, der Jüngere, schrieb im Jahre 1602 ein
ganzes Buch über diese Ausreden;2 *) mehr als 142
Ursachen konnten die Schützen für ihre Fehlschüsse
anführen und waren daher um einen Entschuldigungs-
grund nicht so leicht verlegen; man sieht, dass sich die
Schützen seit dieser Zeit nur wenig verändert haben!
Aus den vorstehenden Darlegungen geht nun
hervor, dass die Schützen bei den regelmässigen
wöchentlichen Schiessübungen auf praktischem Wege
das richtige Laden und das genaue Schiessen auf
feststehende, bewegliche oder auch verschwindende
Figurenscheiben erlernen konnten, wobei die Schützen
an bestimmte Vorschriften sich zu halten gezwungen,
jedoch in der Zeit für das Laden in der Regel nicht
beschränkt waren, dies konnte in aller Ruhe — zu-
meist ausserhalb des Standes — bewirkt werden.

M. Thierbach, Die geschichtliche Entwickelung der
Handfeuerwaffen. Dresden 1888. 169.
2) H. H. Grob, der jünger, Ausreden und flirwort der
löblichen Buchsenschützen. Zürich 1602.

Wollte man nun die neue Schiesswafife im Ernst-
kampfe verwerten, so musste diese entweder ge-
laden sein oder nach abgegebenem Schüsse vom
Schützen baldigst wieder schussbereit gemacht wer-
den können, weil nur von einer geladenen Büchse
eine Wirkung zu erwarten war und der Schütze nur
mit einer geladenen Handbüchse seinen vollen
Kampfwert bethätigen konnte. Das Laden musste
während der Aufregung des Gefechtes geschehen, der
Schuss musste vom Schützen in der Regel unter dem
Drucke der persönlichen Gefahr abgegeben werden.
Diese Verschiedenheit im Gebrauche bedingten
schon damals einen wesentlichen Unterschied zwi-
schen den Handbüchsen, welche am Schiessstande
zum Nagel treffen und jenen, welche im Ernstkampfe
als Schiesswaffen entsprechen sollten.
Die Scheibengewehre waren mit allen Fein-
heiten, Visier, Korn, gleichmässigem Abzug, Stechcr-
schloss, Vorrichtungen für das genaue gleichmässige
Laden u. s. w. ausgestattet; die für das Feld be-
stimmten Handfeuerwaffen waren, wie illustrierte
Waffeninventare und erhaltene Handbüchsen aus
jener Zeit zeigen, fest und massiv gebaut, ohne
besondere Einrichtung für das Zielen, ohne Ent-
zündungsvorrichtung, später nur mit dem einfachen
Luntenschloss ausgerüstet. Waffe und Munition
waren für das bequeme schnelle Laden eingerichtet,
deren einfache und solide Konstruktion sollte auch
den stärkeren Anforderungen im Felde sowie einer
derberen Handhabung gewachsen sein.8)
Der Bauart der Waffe entsprechend konnte
auch die Thätigkeit der einzelnen Schützen oder
Schützenhaufen im Felde nur eine ganz einfache
sein. Hatte man Laden und Schiessen erlernt, so
musste bei der Verwendung im Felde zuerst ange-
strebt werden, dass das F'euer der einzelnen Schützen

3) Vgl. Entwickelung und Gebrauch der Handfeuerwaffen.
Zeitschr. f. hist. Waffenkunde Bd. I u. II.
 
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