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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 4
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Potier, Othmar: Glossen zum Rüstmeister-Vokabularium des Friedrich von Leber
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0123

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Zeitschrift für historische Waffenkunde.

109

4. Heft.

Glossen zum Rüstmeister-Vokabularium des Friedrich von Leber.
Vortrag von Dr. Othmar Baron Potier.
(Gehalten in der 3. Hauptversammlung des Vereins für historische Waffenkunde am 19. Juni 1900 in Dresden.)

Hochverehrte
Versammlung!
ines der traulichsten Mär-
chen unseres Volkes
ist die Geschichte
von Prinzessin Dorn-
röschen , welche in
tiefem Schlummer,
umhegt von stache-
ligen Ranken, viele
Jahre hindurch auf
den erlösenden Kuss
warten musste. Unter einem ähnlichen widrigen
Schicksale, wie diese Lichtgestalt der deutschen Sa-
genwelt, hatte auch Jahrhunderte hindurch derjenige
Zweig der Kulturgeschichte empfindlich zu leiden,
in dessen Dienst wir, verehrte Anwesende, unsere
Kräfte gestellt haben.
Nicht, dass die uralte, gleichsam im Blute lie-
gende Freude an schönen Waffen, dieses Erbgut des
germanischen Volksstammes, plötzlich unserem Volke
abhanden gekommen wäre, dass man vielleicht mit
der zunehmenden Gesittung verachtungsvoll auf das
Handwerkszeug des rauhen Kriegers geblickt hätte.
O nein! Nach wie vor stand des Mannes Handwehr
bei unserem Volke in hohem Ansehen, und gar
wohl wusste man den Wert einer formvollendeten
Waffe, etwa einer wurmbunten Klinge, eines kunst-
voll gefügten Harnisches zu schätzen. Aber die
unserem Volke eigentümliche Lust am Fabulieren,
welche auch das praktische Gerät des täglichen Le-
bens mit sinnigen Gedanken zu umspinnen liebte,
umkleidete sogar die Waffe in der Weise eines
jugendfrischen Volkes mit einer gewissen gemüt-
vollen Poesie. Dem Deutschen war seine Waffe
stets mehr denn ein blosses, von Menschenhand ge-
fertigtes gefühlloses Werkzeug. In seiner Einbildungs-
kraft personifizierte er die Waffe, indem er aus dem
wesenlosen Ding ein belebtes Geschöpf gestaltete.
Das Schwert zum Beispiel war dem Kriegsmann
ein guter Kamerad, ein von ihm unzertrennlicher
Gefährte in Freud und Leid, welchem er wie seinem
Blutsbruder einen eigenen Namen beigelegt hatte.
Treu stand das Schwert seinem Gesellen in harter
Todesnot im Getümmel auf der Kampfheide zur
Seite; es bahnte im küenlichen swertswanch dem
Helden eine Gasse durch der Feinde Scharen; es
redet zu dem Degen und warnt ihn vor drohendem
Unheil durch klagendes Klingen und Klirren; auf
der Dingstätte half es dem freien Manne wie ein
Eideshelfer von Fleisch und Bein sein Recht suchen
und finden, sei es, dass der Mann sein Wort da-

durch bekräftigte, dass er die Schwurfinger beteuernd
auf den Schwertknauf legte, sei es, dass er sein
Recht auf des Schwertes Spitze stellte und im Zwei-
kampfe ein Urteil vom Himmel heischte. Dieser
dichterische Zug unseres Volkscharakters, dieser Hang
zum Träumen barg jedoch auch die Gefahr in sich,
dass man im Laufe der Zeiten immer tiefer in den
Irrgarten der anmutigen Zauberfee Romantik hinein-
geraten musste, endlich das Verständnis für die
Waffe als solche verlor und diese nur dann etwas
gelten lassen mochte, wenn man mit ihr irgend eine
hervorragende Persönlichkeit, oder ein geschichtliches
Ereignis schlecht und recht in Verbindung bringen
zu können vermeinte. In diese Zeit der Raritäten-
kabinette, in welchen man neben Seejungfrauen voll
selbstzufriedenem Behagen des Hunnenkönigs Etzel
Pistolen vorwies, fällt die tiefste Erniedrigung der
historischen Waffenkunde.
Sowie aber das Zuviel auf einem jeden Gebiete
sein Gutes besitzt, indem es einem jeden, der über-
haupt sehen will, klar wird, dass es auf dem betre-
tenen Wege nicht mehr weitergehe, so bahnte auch
um die Wende des vorigen und gegenwärtigen Jahr-
hunderts ein kleiner Kreis von Männern allmählich
die richtige Erkenntnis von dem Wesen alter Waffen
an, indem diese Freunde der Wahrheit mit dem
Mute der Ueberzeugung gegen den Rattenkönig von
Fabeln anzukämpfen begannen, welcher damals in
den Waffenkabinetten Europas förmlich gemästet
wurde.
In Oesterreich war es neben dem verdienstvollen
Josef v. Scheiger, von dessen Aufzeichnungen un-
sere Zeitschrift wiederholt Proben gebracht hatte,
besonders Friedrich v. Leber, welcher unverdrossen
das wüste Unkraut rodete, das auch in den grossen
Waffensammlungen Wiens so üppig in die Halme
geschossen war.
In Lebers grundlegendem, ein tiefes Fachwissen,
einen scharfen praktischen Blick verratendem Werke
«Wiens kaiserliches Zeughaus» (Leipzig, Karl Franz
Koehler 1846) bildet einen sehr lehrreichen Abschnitt
das Rüstmeister-Vokabularium, weil dasselbe uns
eine Uebersicht über die alten Benennungen vieler
Gerätschaften ermöglicht, welche in längst verklun-
genen Zeiten zur Ausrüstung von Mann und Ross
bestimmt waren.
Zur Erklärung des Ausdruckes Rüstmeister sei
hier die Bemerkung eingeflochten, dass der mittel-
alterliche Edle seinen Waffenvorrat in eigenen Räu-
men aufbewahrte, welche man Harnasch-, Rüstkam-
mer, Zeugstadel, Muserie nannte. Einer Erläuterung
bedarf das Wort Muserie. Mit mus bezeichnete man
 
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