Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

DOI Heft:
Heft 9
DOI Artikel:
Liebe, Georg: Das Recht des Waffentragens in Deutschland
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0358

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
340

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.

Das Recht des Waffentragens in Deutschland.
Von G. Liebe.


er Schutz des Rechts, der zum
Wesen des Staates ge-
hört, verlangt als Gegen-
gewicht die Beschränkung
eigenmächtiger Selbst-
hilfe. Wo die Macht des
Staates nicht ausreicht,
ist der Anspruch des
Einzelnen auf Selbsthilfe
unbestritten: die Waffe ist
Begleiterin jedes freien
Mannes. Je höher sich über den Interessen der
Einzelnen der Begriff einer Gemeinschaft erhebt,
desto mehr wächst die Notwendigkeit, den Einzel-

willen zu beschränken und mit ihm das Mittel zur

gewaltsamen Durchführung seiner Absichten, die Be-
waffnung. Aus einem Attribut des Freien wird die
Waffe zum Ehrenzeichen bevorrechteter Klassen. Ihr
Zurücktreten in der äussern Erscheinung eines Volkes
ist ein Gradmesser seiner Kultur.
Den Gegensatz zweier Kulturen erkennen wir
in der Nachricht, dass die den Römern unterworfenen
Germanen es als Schmach empfanden, nur unbe-
waffnet ihre Volksversammlungen halten zu dürfen.1)
Denn die beiden wichtigsten Seiten des öffentlichen
Lebens, Heer- und Thingpflicht fielen zusammen,
vom Versammlungsplatze aus erfolgte nicht selten
der Auszug, und die Wehrhaftmachung war auch
die Erklärung politischer Mündigkeit. Die erste Ge-
setzgebung, welche das deutsche Volkstum vom
Standpunkt eines Universalreiches in Fortsetzung des
römischen betrachtete, die Kapitularien Karls des
Grossen, nahm sofort zu der altgewohnten Sitte
Stellung. Dem Leibeigenen, der eine Lanze trägt,
soll sie auf dem Rücken zerschlagen werden, auch
der Freie soll Kriegswaffen wie Lanze, Schild und
Panzer im heimischen Gau nicht tragen, ausser zur
Reise oder zur Folge, d. h. Verfolgung von Land-
friedensbrechern.2) Das Schwert wird als selbstver-
ständlicher Begleiter des Freien nicht genannt.
Wie auf so vielen Gebieten des Staats- und
Rechtslebens hat auch hier die karolingische Gesetz-
gebung die Linien der Entwickelung vorgezeichnet,
die eine schwächere Folgezeit nicht immer innezu-
halten vermochte. Was damals die Staatsgewalt
allen ohne örtliche oder zeitliche Begrenzung an-
befehlen konnte, das erstrebte sie späterhin nur
unter gewissen Einschränkungen. Wohl galt der
deutsche König als Hort des Friedens, aber auch
hier musste die Schwäche der Centralgewalt die

Ausführung ihrer Aufgaben den provinzialen Gewalten
überlassen. Der Schutz des Friedens wird nicht
mehr durch den Staat, sondern durch die für ge-
wisse Gebiete und Zeiträume beschworenen Land-
frieden gewährleistet. Der aus Frankreich stammende
Gottesfriede, der für die Tage vom Donnerstag bis
Montag jede Selbsthilfe untersagte, wurden 1083 für
die Kölner Diöcese, 1085 zu Mainz für das Reich
auf bestimmte Zeiträume, wie Advents- und Osterzeit,
erweitert.3) Beide enthalten das karolingische Waffen-
verbot, jetzt auf das Sclrwert ausgedehnt, mit den
gleichen Ausnahmen. Wie diese Frieden örtlich
und zeitlich nur Geltung haben, soweit sie beschworen
sind, so auch die aus ihnen hervorgegangenen zahl-
reichen Landfrieden. Friedrich I., auch hier seinem
Vorbilde, dem Grossen Karl, nachstrebend, hat zwar
1156 ein Friedensgebot ohne Einschränkung erlassen,4)
hielt aber bald für nötig, dasselbe alle fünf Jahr
beschwören zu lassen. Was im besonderen die
Friedenssicherung durch das Waffenverbot angeht,
so machte dieser Kaiser bei seinen ausgesprochen
ritterlichen Sympathien den Versuch einer ständischen
Scheidung. Der Landmann soll keine Waffen führen,
der Kaufmann das Schwert nur am Sattel oder auf
dem Wagen zu etwaiger Verteidigung, dag'egen unter-
liegt der Ritter nicht mehr dem Verbot. Wie Fried-
rich von seinen hochfliegenden Plänen abstand, lässt
der Landfriede von 1179 erkennen, der nur für
Rheinfranken und nur auf zwei Jahre beschworen
wurde.5 6 *) Innerhalb dieser Grenzen wurde auch den
Einwohnern nichtritterlichen Standes das Schwert
verstattet, nur innerhalb der Wohnorte das Tragen
jeder Waffe verboten, der Besitz aber zum Zweck
der Folge ausdrücklich vorgeschrieben.
Den Abschluss der mittelalterlichen Entwicke-
lung bietet der im ersten Drittel des 13. Jahr-
hunderts entstandene Sachsenspiegel. Das alte Recht
des freien Mannes, Waffen zu tragen, unterliegt für
ihn keinem Zweifel, wohl aber einer dreifachen Be-
schränkung nach Person, Ort und Zeit.8) Wer des
Königs Frieden geniesst, verzichtet damit auf Selbst-
hilfe und darf keine Waffen tragen wie die Geist-
lichen und die königlichen Kammerknechte, die
Juden. Innerhalb der Wohnorte, Dorf, Burg und
Stadt besteht das Waffenverbot für jeden ohne Unter-
schied des Standes, jedoch nur solange ein Friede
beschworen ist. Das Schwert dagegen bleibt wie

3) Mon. Germ. Leg-, II, S. 55.
4) M. G. Leg. II, S. 101.
5) Böhmer, Acta imperii selecta I, Nr. 138.
6) v. Planck, Waffenverbot und Reichsacht im Sachsen-
spiegel (Sitzungsberichte der Münchener Akademie, Histor.
Klasse 1884).

1) Tacitus Histor. IV, 64.
2) Cap. 805 ed. Boretius, S. 123.
 
Annotationen