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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 11
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Reimer, Paul: Die Erscheinung des Schusses und seine bildliche Darstellung, [1]
DOI Artikel:
Engel, Bernhard: Zwei Rüstungen aus Fürstenwalde a. d. Spree
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0422

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402

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.

Auswaschen eines schweren Geschützes dauerte
Stunden und noch im 16. Jahrhundert hinterliess,
wie vielfach bezeugt wird, das Pulver so viel Rück-
stand im Rohr, dass nach wenigen Schüssen die
Seele für das Einführen der Kugel zu eng wurde.7)
— Je mehr Rückstand im Rohr blieb, um so ge-
') Dass die erwähnten, als Kruste im Rohr haftenden
festen Pulverrückstände unter geeigneten Verhältnissen auch
heute noch Vorkommen, beweist das Schiessen aus schwersten
Schiffs- und Küstengeschützen. Wird hierbei sofort nach dem
Schuss der Verschluss geöffnet, so ist die Ausdrehung der im
Verschlusskeil eingesetzten, zur Aufnahme des Rückstosses und

ringer musste die Rauchentwicklung sein, und so
sehen wir denn mit Recht auf den Abbildungen
feuernder Schusswaffen aus dem 14. und 15. Jahr-
hundert die Rauchwolke gänzlich oder fast voll-
ständig vernachlässigt.

zur Liderung bestimmten „Stahlplatte“ ebenfalls mit einer
brodelnden, sigellackartigen, schmutzig rotgelben Masse fast
ausgefüllt, welche augenscheinlich den von den Pulvergasen
gegen den Stossboden des Rohres gedrückten Rückstand dar-
stellt. Derselbe konnte daher nicht mit den Gasen aus dem
Rohr gerissen werden und haftete nun fest am Verschluss.


Zwei Rüstungen aus Fürstenwalde a. d. Spree
Von Landgerichtsrat Bernhard Engel in Thorn.

Mit 6 Abbildungen.

ürstenwalde a. d. Spree be-
sitzt eine kleine Rüstkam-
mer, in welcher sich neben
einer Anzahl weniger be-
merkenswerter Stücke zwei
Rüstungen aus der Zeit um
1500 befinden, die wohl
eine Bekanntmachung ver-
dienen, insonderheit der
Helme wegen.
Die eine Rüstung, von welcher ich Vorder-,
Rück- und Seitenansicht (Fig. I—3) bringe, hat
eine strahlenförmig (nicht bis oben hin) gerippte
Kugelbrust, auf welcher dort, wo sonst der Rüst-
haken sitzt, zwei Rosettchen angebracht sind. Die
Armausschnitte haben bewegliche Einsätze. Der
Rücken ist gleichfalls gerippt und hat zwei ange-
nietete Seitenteile. Brust und Rücken reichen nicht
bis in die Weichen herab; diese werden vielmehr
durch besondere untergesetzte Stücke geschützt,7) je-
doch nicht an den Seitenteilen, während der aus
drei Folgen bestehende Hinterschurz wieder breiter
ist, so dass der ganze Rücken die bei den Stech-
rüstungen übliche Form gewinnt. Vgl. z. B. Dem-
min, 3. und 4. Aufl. S. 428. An dem vorderen
Weichenstück sitzen vier aufwärts geschobene, in
der Mitte gerippte Bauchreifen mit festen, fünfmal
geschobenen Beintaschen. Diese stehen weit aus-
einander; die untersten Folgen sind gerippt.
Die Brust ist, was auf der Abbildung nicht
sichtbar ist, oben quer abgeschnitten, der Rand ist
wulstförmig aufgetrieben und (ebenso wie die Rän-
der der Armausschnitte am Bruststück) geschnürlt.

Diese Auftreibung ergiebt, dass der Kragen unter
den Harnisch gehört, wie bei ähnlichen Rüstungen,
z. B. Boeheim Fig. 94, während er bei unserer
Rüstung zur Zeit darüber liegt.
Der Kragen besteht aus einem zugespitzten
Vorder- und einem rechteckigen Hinterteil, beide
am unteren Rande leicht geschnürlt und oben mit
zwei Halsfolgen versehen, deren; oberer Rand gleich-
falls geschnürlt ist. Seitwärts sitzen die sechsmal
geschobenen Spangeröls für den Oberarm. Auf
der linken Seite des Vorderblechs sehen wir ein
T-förmiges Loch, wohl zur Befestigung des Kragens
unter der Harnischbrust.
Der Helm ist ein Eisenhut mit scharf abge-
setzter, stark abfallender Krempe, in welcher sich
der Augenschlitz befindet. Krempe und Glocke
haben vorne einen Grat, der sich nach oben hin
zu einem über den Scheitel laufenden, niedrigen
Kamme erhebt. Rings um den oberen Teil der
Krempe laufen gleiche Rosettchen, wie sie die Har-
nischbrust und der Kragen zeigen, ein Beweis für
die Zusammengehörigkeit aller Stücke. Der Helm
ist am unteren Rande der Krempe 39V2 cm
33 cm breit und insgesamt 25 cm hoch. Das Ge-
wicht beträgt 3,21 kg. Unterhalb des Augen-
schlitzes ist eine Marke eingehauen: eine heral-
dische Lilie in einem über Eck gestellten Qua-
drate. Ein gleicher Helm mit derselben Marke be-
findet sich im Kgl. Zeughause zu Berlin, jedoch
ohne zugehörige Rüstung. Gerade letztere aber er-
möglicht erst eine sichere Zeitbestimmung auch
für den Helm, hier um 1500, während im allge-
meinen diese Art von Eisenhüten wohl für älter
angesehen wird. Allerdings erscheint die gleiche
Form ja auch schon früher, aber kaum vor 1400.


!) Vgl. Boeheim, Waffenkunde, Fig. 94.
 
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