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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 6
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Lenc, Ėduard Ėduardovič: Mitteilungen aus der Renaissance-Abteilung der Kaiserlichen Eremitage zu St. Petersburg, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0240

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22 4

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band

Mitteilungen aus der Renaissance-Abteilung der Kaiserlichen
Eremitage zu St. Petersburg.
Von Staatsrat Eduard von Lenz.
(Fortsetzung.)
IV. Pavesen und Tartschen aus dem XV.: Jahrhundert.
rotzdem die Pavesen und
Tartschen aus dem XV.
Jahrhundert, welche die
Renaissanceabteilung der
kais. Eremitage besitzt,
durch Vernachlässigung,
Uebermalungen und un-
berufene Restaurationen


stark gelitten und einen grossen Teil ihres Wertes
eingebüsst haben, bieten sie doch noch so viel des
Interessanten, dass eine kurze Besprechung nicht un-
angebracht erscheint.
i. Ein Setzschild des XV. Jahrhunderts,
deutscheArbeit.ausderSammlungBasilewski
(Verkaufskatalog Nr. 347, Nachtrag No. 622).
Rechteckiger, am Oberrande leicht gerundeter
Holzschild, flach gewölbt, mit vorspringender, in eine
Verkragung oder Nase auslaufender Mittelgräte. Die
Höhe beträgt 1,43 m, die Breite oben 68, unten
66 cm; die Gräte misst 14 cm an der Verkragung
und 26 cm am Unterrande des Schildes. Rück-
seitig' ist die Pavese mit grober Sackleinwand be-
zogen und braunrot bemalt; zum Tragen ist ein
senkrecht gestellter, starker Holzgriff angebracht, für
das Anlehnen an die Lanze oder einen Pfahl hinter
der Nase ein 15 cm langer Eisenbügel, im unteren
Drittel ein ledernes Oucrband von 24 cm Länge vor-
gesehen.
Die Aussenseite, mit Leinwand gedeckt, zeigt
auf Kreidegrund in Silber und Schwarz gemalt den
Hl. Georg mit Nimbus und Stirnband, Im langen
Mantel, gotischer Rüstung mit geschifteter Brust und
langen, geschobenen Eisenschuhen, wie er den unter
ihm liegenden Drachen mit der Linken am Halse ge-
fasst hält, während die Rechte das Schwert in den
Leib des Ungeheuers bohrt. Im Anhänge zu dem
Kataloge der Sammlung Basilewski wird die Gestalt
als Hl. Michael angesprochen, doch möchten wir uns
dieser Ansicht nicht anschliessen: Die Auffassung
des Heiligen als eines unbärtigen Jünglings in zartem
Alter, in voller Rüstung, aber ohne Idelm, mit ge-
spreizten Beinen über dem am Halse gepackten
Drachen stehend (vgl. Dürers Randzeichnung aus
dem Gebetbuche des Kaisers Maximilian), endlich
das Diadem, welches auf einem Holzschnitte des
Germanischen Museums aus dem 14. Jahrhundert
mit dem Kreuz — hier mit einer Rosette — geziert
ist,1) alle diese Einzelheiten lassen es wahrscheinlicher
*) DetzeL Christliche Ikonographie, II, pag. 368 sq.

erscheinen, dass wir nicht St. Michael, sondern
St. Georg, den Schutzpatron des Kriegerstandes, vor
uns haben. »
Der Hintergrund zeigt den weissen, mit roten
Sternchen besäten Kreidegrund, den Schildrand zieren
gelbbraune, durchbrochen gemusterte, durch Blumen
oder Rosetten unterbrochene Bänder, die mittelst
einer Schablone aufgetragen sind; die vier Ecken
sind von der äusserst charakteristisch gezeichneten
Figur des gekrönten böhmischen Löwen mit ge-
teiltem Schweif eingenommen. Auf die Verkragung
endlich ist ein Wappen (nach gütiger Mitteilung des
Herrn Prof. A. Hildebrandt in Berlin das der Stadt
Enns) gemalt: geteilt, oben halber, silberner, ge-
hörnter Panther im grünen Felde (Steiermark), unten
weiss (silbern) und rot geteilt.1)
Ueber die Provenienz des Schildes ist in dem
Kataloge Basilewski erwähnt, dass das Stück aus der
Sammlung Atz in Linz erworben wurde. Demmin2)
teilt den Schijd, von dem er eine, freilich ungenaue,
Skizze bringt, derselben Sammlung zu, mit dem
Hinweise, dass er aus dem alten Zeughause von
Enns stamme und ein ganz ähnlicher Setzschild noch
jetzt im Besitze der Stadtgemeinde sei.
Eine offene Frage bildet die Kombination des
Wappens einer österreichischen Stadt mit der Figur des
böhmischen Löwen. Wäre das Wappen spätere Zuthat,
so Hesse es sich dadurch erklären, dass die Stadt

') Unser geehrtes Vereinsmitglied, Dr. Othmar Baron
Potier hat uns durch Angabe verschiedener Belegstellen zur Be-
stimmung des Wappens zu grossem Dank verpflichtet. Wir
entnehmen seinen Angaben folgendes: Dr. K. Lind, Städte-
wappen von Oesterreich-Ungarn etc., Wien 1886, bringt auf
S. 5 das Stadtwappen von Enns nach einem Siegel des
XIV. Jahrhunderts ganz ebenso gezeichnet wie auf unserem
Schilde, nur ist der silberne Panther im blauen Felde. In
der neuen Ausgabe des Siebmacherschen Wappenbuches,
Nürnberg 1885, finden sich (Tafel 4 u. 87) zwei Abbildungen:
Der Panther rechts gewendet im blauen Felde, unten das
ganze Bindenschild, und der Panther links gewendet im
grünen (oder blauen Felde), unten geteilt, Silber und rot.
Endlich hat der Herr Bürgermeister von Enns die
Freundlichkeit gehabt, auf eine diesbezügliche Anfrage des
Barons Potier zu antworten, dass es nicht bekannt ist, ob
die Stadt Enns im 15. Jahrhundert im Schutze eines beson-
deren Heiligen stand.. Die in dem Schreiben angeführte
genealogische Beschreibung, Hoheneck, I. T. 1727, spricht
das Wappen an: ein durch die Mitte geteilter Schild, im
oberen Teile ein weisses Panthertier im blauen Felde; der
untere Teil soll das österreichische Wappen «als ein süber-
oder weisse Mitten zwischen zweien rothen durchgehenden
Palken.»
2) Die Kriegswaffen, 1891, S. 563.
 
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