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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 6
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Ehrenthal, Max von: Die fürstlich Radziwillsche Rüstkammer zu Nieświeź, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0239

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Zeitschrift für historische Waffenkunde.

223

6. Heft.

«Hydra paro luctus piceos, dum concito fluctus», zu
deutsch: Hydra genannt, bereite ich Trauer, wenn
ich die schwarzen Fluten errege». Obgleich die
Inschrift des Verfertigers an den beiden zuletzt ge-
nannten Stücken fehlt, ergiebt sich doch aus der
allgemeinen Form, sowie aus vielen stilistischen
Details mit Sicherheit, dass Hermann Molzer der
Schöpfer auch dieser Meisterwerke der Giesskunst
gewesen ist.
Von der Hand des vortrefflichen Stückgiessers
stammen jedenfalls noch zwei andere Rohre in
Nieswiez, das eine in der Gestalt eines Baumstammes,
auf dem wiederum eine Hydra en relief angebracht
ist; das andere, ein Rohr gewöhnlicher Form, von
einer Weinrebe mit Blättern und Trauben um-
schlungen und mit dem Wappen und Namen des
Fürsten Nicolaus Christophorus nebst der Jahres-
zahl MDC in derselben Ausführung und an der-
selben Stelle gekennzeichnet wie an den vorgenann-
ten Rohren. Durch diese Arbeiten ist die Thätigkeit
Molzers in Nieswiez von 1600 bis 1609 nach-
gewiesen und es handelt sich sonach nicht um einen
kurzen Aufenthalt des Meisters am Orte, etwa um
die Ausführung eines Auftrages des Fürsten Nico-
laus Christophorus, sondern um das Vorhafldensein
einer ständigen Geschiitzgiesserei, deren Inhaber und
Leiter während des obigen Zeitraumes der genannte
Meister war. Bei der Bedeutung der Stadt während
des 16. und 17. Jahrhunderts, als sie 30—40000 Ein-
wohner zählte, an der grossen beliebten Handels-
strasse Moskau—Warschau lag und über Wilna mit
der Ostsee, über Bobonisk mit Kiew und dem
schwarzen Meere verbunden war, als in ihr jährlich
zwei bedeutende Messen abgehalten wurden, bei
denen sich nicht nur Kaufleute aus allen Teilen des
Reiches, sondern auch aus fernen Ländern des
Ostens und Südens, des Nordens und Westens ein-
fanden; als zu jener Zeit nicht allein das Flandwerk,
sondern auch das Kunstgewerbe blühte, wie einige
vortreffliche, in der Orusheinaja Paläta zu Moskau
bewahrte Goldschmiedearbeiten, deren Ursprung
verbürgt ist, bestätigen: bei dieser Bedeutung ist es
sogar wahrscheinlich, dass sich daselbst auch dauernd
oder wenigstens während eines längeren Zeitraumes
eine Geschützgiesserei befand, der es sicherlich nicht
an Kundschaft fehlte. Dem deutschen Waffenhisto-
riker aber wird es zur besonderen Freude gereichen,
dass deutsche Kunst und deutscher Gewerbefleiss
sich auch hier wiederum in fernen Landen bethätig-
ten und dass der Name Hermann Molzer zu Nies-
wiez der Reihe namhafter deutscher Stückgiesser als
ebenbürtig hinzugefügt werden kann.
Zum Schluss mögen noch zwei der Rohre Er-
wähnung finden, die mehr von historischem, als
kunstgewerblichen Interesse für uns sind. Das ältere
von ihnen, dessen Länge 1,71 m, dessen Kaliber

0,05 m beträgt, ist dem Stile seiner Ornamente nach
italienischer Herkunft. Zwischen Schildzapfen und
Zündloch tritt en relief ein Wappenschild hervor,
das eine gekrönte Schlange, welche ein Kind ver-
schlingt, umschliesst, das bekannte Wappen der
Sforza zu Mailand. Das Stück, welches die Jahres-
zahl 1537 trägt, war ursprünglich wohl ein Ge-
schenk der Bona Sforza an ihren Gemahl, König
Sigismund I. in Polen und kam dann vielleicht als
Geschenk des Königs Sigismund II. August, der
mit Barbara Radziwill vermählt und sonach mit der
Familie verschwägert war, an diese. Das andere,
ein Rohr von einem Wallgeschütz (es misst in der
Länge 3,18 m und hat ein Kaliber von 0,12 m)
zeigt nahe der Mündung en relief einen Adler mit
Blitzbündel, dahinter die lateinische Inschrift: «To-
nantis fulmina vibrat», zu deutsch: «er schüttelt die
Blitze des Donnerers» —, hinter den Schildzapfen
die Wappen von Polen und Litthauen, darunter ein
Band mit den Worten: «Mediis pulcherrimus armis
(«Der Schönste mitten unter den Waffen»), schliess-
lich aber die Inschrift: «Joannes III. D. G. Rex Po-
loniae Magnus Dux Lituan. etc., fortalitiorum muni-
mento hostium tormento me fieri jussit, ut ignita
Domini proferam eloquia nomenque ejus resonem
coram gentibus. Anno D. MDCXCII regni vero
anno XVIII», zu deutsch: «Johannes III., von Gottes
Gnaden König von Polen, Grossherzog von Lit-
thauen u. s. w., Hess mich zum Schutz der Tapfe-
ren (?) und zur Plage der Feinde herstellen, damit
ich die feurige Rede des Flerrn weitertrage und
seinen Namen widerhallen lasse vor den Völkern.
Im Jahre des Herrn 1692, des Königtums aber im
achtzehnten». Diese Kanone war neben drei ande-
ren gleichen Stücken, die indes nicht mehr vor-
handen sind, ein Geschenk des Königs Johann III.
Sobieski an seinen Neffen, den Fürsten Karl I.
Stanislaus Radziwill (1669—1719), der in seinen jungen
Jahren, nämlich 1688 und 1689, rühmlichen Anteil an
den Kämpfen gegen die Türken genommen hatte.
Hiermit beschliessen wir die Beschreibung der
Rüstkammer zu Nieswiez. Trotz mancher Stürme,
die zum Nachteil ihrer Bestände über sie hinweg-
gegangen sind, bietet dieselbe heute noch dem
Waffenhistoriker sowohl als auch dem Freunde
historischer Forschungen eine Fülle wertvollen und
anregenden Materials, von dem wir im Vorstehen-
den das Wesentlichste für die Leser unserer Zeit-
schrift gebracht haben.1)

q Es möge zum 1. Teil des Aufsatzes folgendes be-
richtigt werden:
S. 142, linke Spalte, anstatt «Nieswicf» — «Nieswiez».
S. 143, linke Spalte, anstatt «Wisniowizki» — «Wis-
niowiecki».
S. 145, rechte Spalte, anstatt «Bis zum Jahre 1808» —
«Bis zum Jahre 180;».
 
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