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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 3
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Boeheim, Wendelin: Über den Wert der Meistermarken, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0082

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68

Zeitschrift für historische • Waffenknnde.

II. Band.


Ueber den Wert der Meistermarken.
Von Wendelin Boeheim.

Cm Gebiete des Waffenwesens ist die
Meistermarke eine Erscheinung, welche
erst von der Periode der Renaissance
an datiert. Im Mittelalter erschien jedes
menschliche Werk als ein Ausfluss der
göttlichen Macht, vor der jede schaf-
fende Persönlichkeit in ein Nichts ver-
sank. Erst mit dem 15. Jahrhundert trat
der Mensch mit seinem Werke hervor
und von da an wagt es der Meister, den
Stolz auf seine Leistung zu äussern und sein Werk
mit anfänglich geheimnisvollen und religiösen Zeichen
zu versehen, bald aber mit seinem vollen Namen
zu kennzeichnen. Urplötzlich gewahrte der Meister,
dass in diesem Kennzeichen mehr als nur ein Wert
der Selbstgefälligkeit, sondern vielmehr ein geschäft-
licher gelegen ist; seit dieser Ueberzeugung gelangte
die Meistermarke zu einer immensen Ausbildung
und Verbreitung und damit zu einer ungeahnten
künstlerischen und fachlichen Bedeutung.
Es ist auf dem Felde der historischen Waffen-
kunde genau so wie in der Kunstwissenschaft, dass
der künstlerische Wert eines Werkes in erster Linie
durch seinen Meister bestimmt wird. Das best-
erscheinende Bild schwankt in seiner Wertbestim-
mung, wenn dessen Meister nicht bekannt ist; so
jst es auch bei Werken der Waffenschmiedekunst,
bei welchen ebenfalls die Marke des Meisters
als das sicherste Dokument des Kunstwertes er-
scheint.
Kein Fachmann, dem die Beurteilung einer
Waffe zur Aufgabe fallt, kein intelligenter Sammler
sollte in seinem Urteile über den Grundsatz hinweg-
gehen, dass das Werk durch seinen Meister
bestimmt wird. Abgesehen davon, dass hierdurch
erst überhaupt eine feste Grundlage für den Wert
geschaffen wird, gelangt der Fachmann wie der
Liebhaber durch die konsequente Befolgung des-
selben erst zu einer tieferen Auffassung; ihm werden
sich damit erst die nationalen und territorialen Typen,
die Eigenschaften der verschiedenen Schulen ins
Gedächtnis prägen und er wird im einzelnen frühere
und spätere Arbeiten eines Meisters sicher unter-
scheiden und den Wert beider erkennen lernen.
Selten ereignen sich die Fälle, dass der Meister
einer Waffe durch eine litterarische Quelle, durch
die Technik oder durch eine diesem eigentümliche
Form oder Zier bestimmt wird; der allgemeine und
sicherste Anhaltspunkt bleibt immer die Marke und
es ist hierbei nur die Erfahrung, die über eine
Klippe hinweghilft: die echte Marke vor der Nach-
ahmung und Fälschung zu unterscheiden.

I. Klingenmarken.
Die ältesten Marken treten wohl auf Schwert-
klingen auf; sie sind in der Regel sehr gross, stellen
meist religiöse Embleme, Kreuze, Monogramme etc.
nicht selten im Vereine mit kabbalistischen Zeichen
dar. Auch heraldische Embleme finden sich dabei
nicht selten und Sprüche, die sich aber nie auf
den Erzeuger, sondern auf den Eigentümer beziehen.
Solcher Art bezeichnete Schwertklingen finden sich
bereits im 14. Jahrhundert. Sie sind mit scharfen
Meissein roh eingehauen, die ältesten immer in
Gold eingelegt. Erst im 15. Jahrhundert treten
derlei Zeichen, die ersichtlich einen mehr dekora-
tiven Charakter an sich tragen, mit Messingeinlagen
auf. Wenn in diesen Darstellungen ein Hinweis auf
den Meister gegeben ist, dann ist er sehr versteckt
darin und immer in Verbindung mit christlichen
Symbolen. Unter diesen finden sich am häufigsten
der Name Christi und Mariens, dann auch jene der
Weisen. Hand in Hand mit den Zeichen des Glau-
bens gehen jene des Aberglaubens in der Heran-
ziehung kabbalistischer Sprüche, wie des Geheim-
wortes «agla» (Atha, Gibor, Leolam, Adonai, du
bist stark in Ewigkeit Herr) oder auch christlich
legendarischer Vorstellungen, wie jene der «Sieben-
schläfer» und solcher aus dem «Physiologus». Alle
diese Motive — und das ist das Charakteristische
an ihnen für das absterbende Mittelalter — stehen
nicht hier in ihrer ursprünglichen Auffassung, son-
dern in einer abergläubischen; sie stehen hier als
eine Versicherung des Waffenerfolges, als «Wund-
segen» und es wird ihnen hier eine geheimnisvolle
Kraft beigelegt. In dieser Auffassung befinden sie
sich bereits in einem Gegensätze zum Geiste der ver-
gangenen Heldenzeit. Die Anfänge dieser idealen
Ausgestaltung dürften in den arabischen Werkstätten
auf Sizilien zu suchen sein; in weiterer Ausbildung
der Motive finden wir diese Bildgestalten in Spa-
nien, Südfrankreich und Italien, bald aber auch in
Deutschland, wo sie sich in Passau am längsten
erhielten.
Im 15. Jahrhundert verkleinerten sich diese
Darstellungen bei gleicher Technik bedeutend. Die
Rippen- und Hohlschliffe, welche nun nach italieni-
nischen Vorbildern auf den Schwertklingen in An-
wendung kamen, boten solchen breiten Bildgestalten
keinen Raum mehr; sie schrumpfen allmählich zu
einfachen, kleinen Zeichen zusammen, die mittels
einer Punze ins Gesenk geschlagen, aber dann mit
Gold oder Messing eingelegt werden. Diese Zeichen
von sehr einfachen Formen, etwa ein Herz, einen
Dolch, einen Anker, eine Zange etc. darstellend,
 
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