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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 2
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Potier, Othmar: Etwas über das Vorkommen geöhrter Nadeln an Dolchmessern
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0046

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32

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.

Etwas über das Vorkommen geöhrter Nadeln an Dolchmessern.

Von Dr. Othmar Baron Potier in Wien.


ersten Bande dieser Zeit-
schrift veröffentlichten
«Kriminalistischen Be-
trachtungen über das
Genuesermesser» hatten
zur Folge, dass mir von
mehreren Seiten eigen-
tümlich geformte Dolch-
messer , teils im Origi-
nale, teils im Bilde zu-
gesendet wurden. Das
Ungewöhnliche an diesen Waffen bestand darin,
dass sie ausser der zum Abschrauben eingerichteten
Klinge noch mit einer kräftigen, geöhrten Nadel
ausgestattet waren, welche fest im Griffe sass, woraus
hervorgeh.t, dass diese Messer offenbar noch andern
Zwecken, als nur denjenigen des Stechens und
Schneidens dienen sollten. Wie aus allen an mich

welchen mir drei Exemplare unter die Augen ge-
kommen sind.
Zunächst ermöglichte es mir das bereitwillige
Entgegenkommen des Freiherrn Ernst Herring-Fran-
kensdorf in Wien, dass ich in der Lage bin, den
Freunden der historischen Waffenkunde ein solches
Dolchmesser in Wort und Bild vorzuführen. Die
ganze Länge dieses Messers (Fig. i) beträgt 360 mm,
von welchen 240 mm auf die abschraubbare Klinge
entfallen; an ihrer breitesten Stelle misst dieselbe
33 mm und trägt eine 110 mm lange Rückenschneide.
Der Rücken der Klinge ist 7 mm stark und zeigt,
in Eisenschnitt ausg'eführt, eine schön stylisierte
menschliche Fratze. Das Auffallende an der Klinge
ist ein 103 mm langer, oblonger Ausschnitt in deren
Längsachse, welcher an seiner unteren schmalen
Seite in eine flache Grube übergeht. In diesen
Schlitz passt eine 116 mm lange und 5 mm im Durch-


gerichteten Zuschriften zu ersehen war, gab das Oehr
an der Nadel den Besitzern dieser dolchartigen
Messer am meisten zu denken, denn ein jeder Brief
klang in die Frage aus: War vielleicht auch dieses
Oehr zur Aufnahme einer vergifteten Pasta be-
stimmt ?
So dankbar ich auch für das Interesse sein
musste, welches Waffenfreunde der einmal angeregten
Sache entgegenbrachten, so will ich doch gestehen,
dass ich am liebsten gleich Goethes Zauberlehrling
geklagt hätte:
Herr, die Not ist gross,
Die ich rief, die Geister,
Werd’ ich nun nicht los!
Es sprachen nämlich ebenso viele Umstände
für wie gegen die Annahme, dass wir es hier mit
ganz niederträchtigen Meuchlerwaffen zu thun hätten,
und lange vermochte ich keine mich befriedigende
Antwort auf die Frage zu erhalten: Führte solche
Messer nur der weidgerechte Jäger, oder dienten sie
dem ehrlosen Wichte, welcher für klingenden Lohn
Blutschuld auf sich zu laden bereit war, zum Hand-
werkszeug ?
Bevor ich auf die Untersuchung dieser Frage
näher cingehe, sei es mir gestattet, eine Beschrei-
bung von diesen eigenartigen Waffen zu geben, von

messer haltende Nadel (Fig. 2). In einer Entfernung
von 20 mm von der Nadelspitze bemerkt man ein
viereckiges, 8 mm langes und 2 mm breites Oehr,
welches sich gegen die Spitze in zwei seichte sphä-
rische Dreiecke verflacht. Die Nadel selbst steckt
fest in dem gekehlten, hörnernen Griff. An dem-
selben fällt die sechslappige Kappe aus Silber auf,
welche in Treibarbeit eine Birne, eine Eichel und
eine Granate zeigt; Blätter trennen diese Früchte
voneinander. Eine sauber getriebene Silberzwinge
schliesst den unteren Teil des Griffes ab und geht
in einen sehr schön geschnittenen Schlangenkopf
über, welcher dem Daumen als Stützpunkt zu dienen
hat. Die zu diesem Messer gehörige Scheide be-
steht aus einfachem Leder.
Ein dieser Waffe sehr ähnliches, jedoch etwas
kleineres Dolchmesser (Fig. 3) verdanke ich der Güte
Seiner Durchlaucht des Prinzen Ernst zu Windisch-
Graetz. Hier misst der Schlitz in der Klinge 65 mm, in
welchem eine 3 mm im Durchmesser haltende,
81 mm lange, sich nach vorn verjüngende Nadel
eingefügt ist, deren Spitze eine ziemlich tief in das
Fleisch der Klinge gebohrte Höhlung vor Beschä-
digungen schützt. 19 mm von der Nadelspitze ent-
fernt ist ein kreisrundes Loch von 2 mm Durch-
messer angebracht. Die Klinge (Fig. 4), welche als ein
 
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