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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0094

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8o

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.


Zur Frage über den Handschutz an orientalischen
Blankwaffen. Im n. Hefte des I. Bandes dieser Zeit-
schrift versuchten wir einen Beitrag zur Klärung der
Frage zu bringen, ob die «Mitteleisen» genannten dorn-
artigen Fortsätze an den Parierstangen orientalischer Blank-
waffen eine praktische Bedeutung hatten, oder aber ihre
Existenz rein stilistischen Erwägungen
verdankten.1) Der ersteren Voraus-
setzung den Vorzug gebend, glaubten
wir darauf hinweisen zu müssen, dass
diese in ihrer Einfachheit hervorragend
praktische Pariervorrichtung im Occi-
dent nie recht zur Perzeption und
Aufnahme gekommen ist, sondern für
gewöhnlich auf die Stufe einer mecha-
nischen Verfestigung der Klinge am
Griff hinabgedrückt wurde, wie das
aus dem Umstande hervorgeht, dass
z. B. an den Degengriffen spanischer
und italienischer Provenienz des 16.
und 17. Jahrhunderts die verkümmer-
ten, zu kleinen Schildchen zusammen-
geschrumpften Mitteleisen fast an der
Klinge aufliegen und folglich dem in
der Richtung zur Hand niedergleiten-
den Hiebe gar kein Hindernis mehr
in den Weg legen konnten.
Im Anschlüsse an diese Ausfüh-
rungen möchten wir die Aufmerksam-
keit unserer Leser auf das beistehend
abgebildete Exemplar einer interessan-
ten Blankwaffe lenken, deren Hand-
schutzvorrichtung in ihrer eigentüm-
lichen Form eine vermittelnde Stellung
zwischen Orient und Occident einnimmt
und daher eine eingehendere Betrach-
tung verdient. Von einer ausführlichen
Beschreibung mag abgesehen werden,
da die Zusammengehörigkeit von Klinge
und Griff, ja selbst der einzelnen Teile
des letzteren, gegründete Zweifel er-
wecken kann; der Handschutz, von
dem allein hier die Rede sein soll,
scheint uns maurisch-spanischer Her-
kunft zu sein und steht in dieser Form
gewiss nicht vereinzelt da, sondern
findet sowohl in anderen europäischen
Sammlungen, als auch in der Kaiser-
lichen Eremitage zu St. Petersburg, zu deren Bestände
das vorliegende Stück gehört, so manche Analogien.

*) Zugleich ergreifen wir die Gelegenheit, unsere geneigten
Leser zu bitten, in der erwähnten Notiz einige sinnentstellende
Druckfehler gütigst zurechtstellen zu wollen: p. 287, Spalte I,
Zeile 4 von unten ist zu lesen «flach» (statt schwach); Spalte 2,
Zeile 12 von oben «verfestigt» (statt verfertigt) und Zeile 1 von
unten «mit» (statt der).

Die ganze Pariervorrichtung ist aus einem Stücke
Schmiedeeisen hergestellt, die Flächen tragen ein orien-
talisches, auf schraffiertem Grunde in äusserst dünnem
Goldblech aufgeschlagenes Arabeskenrnuster. Die vordere
Parierstange ist spitzwinklig aufgebogen und bildet den
leicht eingezogenen Griffbügel, die hintere Parierstange
ist abwärts geneigt. Von den Mittel-
eisen ausgehend, sehen wir ferner zwei
annähernd halbrund geschweifte, zur
Klinge hinabreichende Bügel, auf deren
gelappten Enden je ein starker, kantiger
Dorn mit verstärktem Kopf aufgenietet
ist. Die kurzen, spitz geschnittenen
Mitteleisen umklammern die Klinge
zwingenartig und liegen fest auf.
Versuchen wir uns die Ziele zu ver-
gegenwärtigen, welche dem Verfertiger
des vorliegenden Handschutzes vor-
schwebten, so stehen wir zunächst vor
der Thatsache, dass hier, wie an den
Degen des 16. und 17. Jahrhunderts, die
Mitteleisen ihren ursprünglichen Cha-
rakter als Schutzvorrichtung gegen die
längs der flachen Klinge niedergleiten-
den Hiebe vollkommen verloren haben.
Die nach oben gerichteten, am Griff-
holz festliegenden Dorne, welche die
Widerstandskraft der abwärts gerich-
teten, frei über der Klinge schwebenden
Eisen bedeutend verstärkten, sind ganz
weggelassen, und diese
letzteren Eisen liegen so
flach an der Klinge, dass
ein Auffangen und Ein-
klemmen der feindlichen
Waffe nicht mehr erzielt
werden konnte. Dieser
Abgang wird ersetzt durch
die an den Enden der
halbrunden Bügel hervor-
steheuden Dorne, deren
Stellung und massive Kon-
struktion keinen Zweifel
darüber aufkommen las-
sen, dass sie dazu be-
stimmt waren, in der
Ebene der Klingenfläche
niedergehende Hiebe in
angemessener Entfernung von der Hand abzufangen, wobei
die verstärkten Köpfe ein Abgleiten der feindlichen Schneide
verhindern mussten. Im Prinzip der Konstruktion sehen
wir offenbar ein vermittelndes Glied oder vielleicht ein
Uebergangsstadium vom orientalischen zum occidentalen
Handschutz-System, denn in dem halbrund zur Klinge
abgebogenen Bügelpaar müssen wir dieselbe Vorrichtung
erkennen, welche an europäischen Degengriffen die Form
 
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