g. Heft.
Zeitschrift für historische Waffenkunde.
341
1179 ausserhalb des Wohnorts von dem Verbote
unberührt.
Die politische Zerrüttung des Reiches nach dem
Aussterben des staufischen Hauses lähmte auch die
Rechtsbildung, die in wachsendem Maasse auf die
Lokalgewalten überging. Nicht mehr durch Gesetz-
gebung von oben herab, sondern durch autonome
Beschlüsse der einzelnen Körperschaften von unten
herauf erzeugte sich das Recht. Besonders rege
war diese Thätigkeit an den Stätten, wo ganz neue
Lebensbedingungen eineNeuregelungderBeziehungen
der Einzelnen unter sich wie zur Gesamtheit er-
heischten: in den Städten. Der tägliche Verkehr
einer zusammengedrängten Menge, zeitweilig noch
erhöht durch das Markttreiben, legte die Gefahr der
Selbsthilfe um so mehr nahe, als die auf dem Lande
mehr und mehr eingeschränkte Wehrpflicht ein un-
umgängliches Correlat des Bürgerrechts war und
jedermann den Besitz von Waffen bei regelmässigen
Musterungen nachweisen musste. Den Ausgangs-
punkt der städtischen Rechtsanschauung bildete die
Lehre des Sachsenspiegels, wonach innerhalb der
Stadt während beschworenem Frieden jedermann
verboten ist, Waffen zu tragen. Wie die Landfrieden
wurden auch die Stadtfrieden für ein bestimmtes
Territorium — das Weichbild — auf gewisse Zeit
beschworen. Charakteristisch für das, was man von
ihnen erhoffte, ist das Lob einer 1283 verfassten
poetischen Schilderung der Stadt Erfurt:
Sunt ibi burgenses, qui cultros ferre vel enses
Prorsus non curant, sed pacis foedera iurant.1)
Wenn nun auch die Städte dazu fortschritten,
diesen Zustand der Rechtssicherheit für ewig zu er-
klären, so sprechen doch gerade die immer wieder-
holten Waffenverbote von dem geringen Erfolg. Es
ist eine Reihe von Kompromissen zwischen Prinzip
und Wirklichkeit, die in den städtischen Willküren
und Statuten vom 13.—16. Jahrhundert ihren Nieder-
schlag gefunden hat.
Der nicht zu unterdrückenden Neigung suchte
man durch weitgehende Berücksichtigung der Um-
stände entgegen zu kommen. Der uralte Grundsatz,
dem Reisenden Bewaffnung zu gestatten, wird 1307
im Freiberger Stadtrecht anerkannt: Bürger, Berg-
und Hüttenleute mögen allerlei Gewehr tragen, wo
sie zu schaffen haben im Gebirge, zu den Hütten
oder wo sie wandern. Dagegen wird stets darauf
gehalten, dass der bewaffnete Fremdling sich in der
Herberge seiner Wehr entäussere. In Nürnberg
war für diesen Fall schön im ersten Drittel des
14. Jahrhunderts verordnet, dass der Wirt bei
Widerstreben des Gastes weder ihm noch seinen
Knechten und Pferden Essen und Trinken reichen
durfte, sonst trug er die Verantwortung.2) Das
9 Carmen Nicolai de Bibera v. 1771 (Geschichtsquellen
der Provinz Sachsen I).
2) Codex dipl. Sax. XIV, S. 134; Baader, Nürnberger
Polizeiordnungen, S. 39.
nicht seltene Hervorheben bestimmter Bevölkerungs-
klassen und Oertlichkeiten lässt darauf schliessen,
dass man es im übrigen nicht so genau nahm. Zu
Strassburg werden anfangs des vierzehnten Jahr-
hunderts die Handwerksknechte ausdrücklich in dem
Verbot genannt, das erst 1452 für die ganze Bürger-
schaft erfolgt. Die Plalberstädter Statuten aus dem
letzten Drittel des vierzehnten Jahrhunderts richten
das Verbot wider die Gehrenden oder Scherer.8)
Besonderer l'ürsorge erfreuten sich natürlich die
Stätten, an denen leicht die Leidenschaft zu Ge-
waltthätigkeiten führen konnte: die Wein- und Frauen-
häuser. In Nürnberg wurde für sie das Verbot um
die Mitte des 15. Jahrhunderts eingeschärft, in Frei-
berg 1487.3 4) Frühzeitig richtete sich die Aufmerk-
samkeit auf das heimliche Tragen der Waffe und
deshalb auf die leicht zu verbergenden Messer. Das
entspricht der alten Rechtsanschauung: Messer ist
dieblich Mord, weil hier der Verdacht vorliegt, dass
der Getötete heimtückisch ohne Kampf erlegt sei.
1276 wird zu Strassburg das verborgene Messertragen
härter bestraft, ebenso 1300 zu Nordhausen. Nach
den wenig späteren Nürnberger Ordnungen büsst
sechszig Pfennig, wer das Messer offen trägt, wenn
heimlich unter dem Rock, in den Plosen oder
Schuhen, so gilt es zwei Pfund oder die Hand.5)
Zahlreich sind die Namen der als mordlich Ge-
wehr geltenden langen Messer: Stechmesser, beseler,
rutelink, zscherper. Um die zu häuslichen Verrich-
tungen wie Brotschneiden oder zu Handwerkszwecken
dienenden Messer auszunehmen, suchte man sich
durch das Verbot der Spitzen zu helfen oder durch
Angabe einer bestimmten Länge, über die hinaus
das Messer straffällig war. Schon anfangs des
14. Jahrhunderts wird in Strassburg als Mass ein
Zwerchfmger angegeben, 1322 eine Spanne, hun-
dert Jahre später eine halbe Elle zu Nordheim,
auch wohl der Stadt Mass, wie 1503 in Magdeburg.6 *)
In Regensburg war ein Messer, das als Kanon galt,
am Marktturm eingemauert, desgleichen zu Frank-
furt am Römer.
Das ganze Mittelalter hindurch und bis in das
16. Jahrhundert währte der vergebliche Kampf
der städtischen Polizeigesetzgebung gegen die alt-
eingewurzelte Sitte. Während auf dem Lande der
soziale Niedergang des Bauernstandes das Waffen-
tragen mehr und mehr zum Vorrecht des adligen
Grundherrn machte, behauptete es sich in den Städten
hartnäckig als natürliche Folge der allgemeinen
Wehrpflicht. Im Verzählbuch der Stadt Freiberg
3) Urkundenbuch der Stadt Strassbürg IV 2, S. 160; Ur-
kundenbuch der Stadt Halberstadt No. 686, § 10.
4) Baader a. a. O. S. 51; Cod. dipl. Sax. XIV, S. 471,
§ 32-
6) Urkundenbuch der Stadt Strassburg IV 2, S. 10; Neue
Mitteilungen des thüringisch-sächsischen Altertumsvereins III,
’S. 61; Baader a.a. O. S. 38.
6) Urkundenbuch der Stadt Strassburg IV 2, S. 30, 160;
Zeitschrift des hist. Vereins für Niedersachsen 1885, S. 299;
Urkundenbuch der- Stadt Magdeburg III, S. 709.
Zeitschrift für historische Waffenkunde.
341
1179 ausserhalb des Wohnorts von dem Verbote
unberührt.
Die politische Zerrüttung des Reiches nach dem
Aussterben des staufischen Hauses lähmte auch die
Rechtsbildung, die in wachsendem Maasse auf die
Lokalgewalten überging. Nicht mehr durch Gesetz-
gebung von oben herab, sondern durch autonome
Beschlüsse der einzelnen Körperschaften von unten
herauf erzeugte sich das Recht. Besonders rege
war diese Thätigkeit an den Stätten, wo ganz neue
Lebensbedingungen eineNeuregelungderBeziehungen
der Einzelnen unter sich wie zur Gesamtheit er-
heischten: in den Städten. Der tägliche Verkehr
einer zusammengedrängten Menge, zeitweilig noch
erhöht durch das Markttreiben, legte die Gefahr der
Selbsthilfe um so mehr nahe, als die auf dem Lande
mehr und mehr eingeschränkte Wehrpflicht ein un-
umgängliches Correlat des Bürgerrechts war und
jedermann den Besitz von Waffen bei regelmässigen
Musterungen nachweisen musste. Den Ausgangs-
punkt der städtischen Rechtsanschauung bildete die
Lehre des Sachsenspiegels, wonach innerhalb der
Stadt während beschworenem Frieden jedermann
verboten ist, Waffen zu tragen. Wie die Landfrieden
wurden auch die Stadtfrieden für ein bestimmtes
Territorium — das Weichbild — auf gewisse Zeit
beschworen. Charakteristisch für das, was man von
ihnen erhoffte, ist das Lob einer 1283 verfassten
poetischen Schilderung der Stadt Erfurt:
Sunt ibi burgenses, qui cultros ferre vel enses
Prorsus non curant, sed pacis foedera iurant.1)
Wenn nun auch die Städte dazu fortschritten,
diesen Zustand der Rechtssicherheit für ewig zu er-
klären, so sprechen doch gerade die immer wieder-
holten Waffenverbote von dem geringen Erfolg. Es
ist eine Reihe von Kompromissen zwischen Prinzip
und Wirklichkeit, die in den städtischen Willküren
und Statuten vom 13.—16. Jahrhundert ihren Nieder-
schlag gefunden hat.
Der nicht zu unterdrückenden Neigung suchte
man durch weitgehende Berücksichtigung der Um-
stände entgegen zu kommen. Der uralte Grundsatz,
dem Reisenden Bewaffnung zu gestatten, wird 1307
im Freiberger Stadtrecht anerkannt: Bürger, Berg-
und Hüttenleute mögen allerlei Gewehr tragen, wo
sie zu schaffen haben im Gebirge, zu den Hütten
oder wo sie wandern. Dagegen wird stets darauf
gehalten, dass der bewaffnete Fremdling sich in der
Herberge seiner Wehr entäussere. In Nürnberg
war für diesen Fall schön im ersten Drittel des
14. Jahrhunderts verordnet, dass der Wirt bei
Widerstreben des Gastes weder ihm noch seinen
Knechten und Pferden Essen und Trinken reichen
durfte, sonst trug er die Verantwortung.2) Das
9 Carmen Nicolai de Bibera v. 1771 (Geschichtsquellen
der Provinz Sachsen I).
2) Codex dipl. Sax. XIV, S. 134; Baader, Nürnberger
Polizeiordnungen, S. 39.
nicht seltene Hervorheben bestimmter Bevölkerungs-
klassen und Oertlichkeiten lässt darauf schliessen,
dass man es im übrigen nicht so genau nahm. Zu
Strassburg werden anfangs des vierzehnten Jahr-
hunderts die Handwerksknechte ausdrücklich in dem
Verbot genannt, das erst 1452 für die ganze Bürger-
schaft erfolgt. Die Plalberstädter Statuten aus dem
letzten Drittel des vierzehnten Jahrhunderts richten
das Verbot wider die Gehrenden oder Scherer.8)
Besonderer l'ürsorge erfreuten sich natürlich die
Stätten, an denen leicht die Leidenschaft zu Ge-
waltthätigkeiten führen konnte: die Wein- und Frauen-
häuser. In Nürnberg wurde für sie das Verbot um
die Mitte des 15. Jahrhunderts eingeschärft, in Frei-
berg 1487.3 4) Frühzeitig richtete sich die Aufmerk-
samkeit auf das heimliche Tragen der Waffe und
deshalb auf die leicht zu verbergenden Messer. Das
entspricht der alten Rechtsanschauung: Messer ist
dieblich Mord, weil hier der Verdacht vorliegt, dass
der Getötete heimtückisch ohne Kampf erlegt sei.
1276 wird zu Strassburg das verborgene Messertragen
härter bestraft, ebenso 1300 zu Nordhausen. Nach
den wenig späteren Nürnberger Ordnungen büsst
sechszig Pfennig, wer das Messer offen trägt, wenn
heimlich unter dem Rock, in den Plosen oder
Schuhen, so gilt es zwei Pfund oder die Hand.5)
Zahlreich sind die Namen der als mordlich Ge-
wehr geltenden langen Messer: Stechmesser, beseler,
rutelink, zscherper. Um die zu häuslichen Verrich-
tungen wie Brotschneiden oder zu Handwerkszwecken
dienenden Messer auszunehmen, suchte man sich
durch das Verbot der Spitzen zu helfen oder durch
Angabe einer bestimmten Länge, über die hinaus
das Messer straffällig war. Schon anfangs des
14. Jahrhunderts wird in Strassburg als Mass ein
Zwerchfmger angegeben, 1322 eine Spanne, hun-
dert Jahre später eine halbe Elle zu Nordheim,
auch wohl der Stadt Mass, wie 1503 in Magdeburg.6 *)
In Regensburg war ein Messer, das als Kanon galt,
am Marktturm eingemauert, desgleichen zu Frank-
furt am Römer.
Das ganze Mittelalter hindurch und bis in das
16. Jahrhundert währte der vergebliche Kampf
der städtischen Polizeigesetzgebung gegen die alt-
eingewurzelte Sitte. Während auf dem Lande der
soziale Niedergang des Bauernstandes das Waffen-
tragen mehr und mehr zum Vorrecht des adligen
Grundherrn machte, behauptete es sich in den Städten
hartnäckig als natürliche Folge der allgemeinen
Wehrpflicht. Im Verzählbuch der Stadt Freiberg
3) Urkundenbuch der Stadt Strassbürg IV 2, S. 160; Ur-
kundenbuch der Stadt Halberstadt No. 686, § 10.
4) Baader a. a. O. S. 51; Cod. dipl. Sax. XIV, S. 471,
§ 32-
6) Urkundenbuch der Stadt Strassburg IV 2, S. 10; Neue
Mitteilungen des thüringisch-sächsischen Altertumsvereins III,
’S. 61; Baader a.a. O. S. 38.
6) Urkundenbuch der Stadt Strassburg IV 2, S. 30, 160;
Zeitschrift des hist. Vereins für Niedersachsen 1885, S. 299;
Urkundenbuch der- Stadt Magdeburg III, S. 709.