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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]; Verein für Historische Waffenkunde [Contr.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 9
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Liebe, Georg: Das Recht des Waffentragens in Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0360

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342

Zeitschrift für historische Waffenkttnde.

II. Band.

kehrt das. ganze 15. Jahrhundert hindurch als buss-
fälliges Vergehen das Tragen verbotener Wehre
wieder.?) Nur sehr allmählich vermochte das Ver-
trauen auf den Schutz der Obrigkeit die stete Bereit-
schaft zur Selbsthilfe zu verdrängen. Nicht wenig
trug dazu bei, dass seit dem Ende des 15. Jahr-
hunderts die Landesherren der bisher fast nur von
den Städten gepflegten Sicherheitspolizei ein schärfe-
res Augenmerk zuwandten. Zwei Männer, die 1467
bei dem Baumeister Strauss von Augsburg erschienen,
der eine mit einem Nagelkolben, der andere mit
einem Wurfbeil und langen Messer, wurden an diesen
mörderischen Wehren als Böswichter erkannt und
verhaftet.* 2) Mit dem zunehmenden Gefühl der
Sicherheit minderte sich die Wehrhaftigkeit; immer
entschiedener mussten Ende des 16. Jahrhunderts
die Stadträte die Pflicht der Waffenhaltung ein-
schärfen. Aber mit der Notwendigkeit der Be-
waffnung schwindet keineswegs die Neigung, nur
wurde die Waffe nicht mehr täglich sondern' zu
Repräsentationszwecken getragen. Der Kampf gilt
jetzt weniger dem Besitz eines Verteidigungsmittels
als der Behauptung eines Ehrenvorrechts. Die zu-
nehmende soziale Differenzierung innerhalb des
Bürgertums musste den Sinn dafür befördern. Je
mehr das städtische Patriziat trotz höhnischer Zurück-
weisungen die Lebensweise des Adels für sich in
Anspruch nahm, je mehr die akademische Bildung
Grundlage eines neuen Standes wurde, dessen höchstes
Abzeichen, das Doktorbarett, in der fürstlichen Rats-
stube dem Rittergurt gleich geschätzt wurde, desto
mehr wuchs die Neig'ung, das Schwert, an dessen
Stelle jetzt der Degen tritt, den hohem Klassen vor-
zubehalten. Als 1550 in Berlin allein das Hofgesinde
von dem Verbot ausgenommen wurde, erwiderte der
Rat sehr anzüglich, so könnten die Bürger von jenem
überfallen und bei Festen die Frauen nicht gegen Unge-
bühr geschützt werden.3) Wenn 1551 der durch seine
Selbstbiographie bekannte Sastrow bei der Heimkehr
aus der Fremde nach Stralsund wegen seines
Schwalkenstert (Schwalbenschwanz) verspottet wird,
so ist anzunehmen, dass das Degentragen schon als
ungewöhnlich auffiel und Sastrow die Sitte von seiner
Schreiberthätigkeit am Reichskammergericht und
anderswo mitgebracht hatte.4) Dass schon im
Mittelalter Versuche gemacht wurden, das Verbot
auf die unteren Schichten zu beschränken, haben
wir oben gesehen.
Die Zeiten des grossen Krieges, wo die Not
jeden, den Landmann auf dem Felde, den Hirten
bei der Herde zur Bewaffnung zwang, wirkten auch
auf die Folgezeit und drückten die Grenze des
Waffenrechts stark herunter. Der Kampf der Polizei-
verordnungen richtet sich vorzugsweise gegen die
Handwerksgesellen, die wenigstens an Feiertagen
*) Cod. dipl. Sax. XIV, S. 230f.
2) Burkard Zink in Städtechroniken V, S. 317.
3) Fidicin, Beiträge zur Geschichte Berlins V, S. 367.
4) ed. Mohnike III, S. 21.

das Recht des Degentragens beanspruchten. 1657
Hess der Rat zu Halle durch die Stadtknechte etlichen
Töchtern von Handwerkern sowie Dienstmädchen
die Hoffahrt von den Köpfen und Idandwerksgesellen
die Degen von der Seite nehmen.5)
Welchen Wert man auch in Handwerkskreisen
auf das repräsentative Element legte, lässt recht
deutlich eine Verordnung der kurmainzischen Regie-
rung zu Erfurt von 1682 erkennen, die den Gesellen
das Tragen des Degens statt des Mantels oder eines
Stücks Handwerkszeug verbietet. Denn dieses beides
zu tragen gehörte seit dem ausgehenden Mittelalter
zu den polizeilich vorgeschriebenen Pflichten der
Wohlanständigkeit für den Pländwerksmann, jetzt
aber sollten die Standesunterschiede verwischt werden.
In Berlin würde das 1688 für Lakaien und Hand-
werksgesellen erlassene Verbot 1704 erneuert, da-
gegen den Meistern zur Wache oder Parade der
Degen gestattet.6) Besonders gefährlich musste die
Sitte in Universitätsstädten werden, da auch die
akademischen Bürger das Privilegium des Deg'ens
hoch hielten, und der traditionelle Gegensatz zwischen
Burschen und Knoten führte oft zu gewaltsamen
Auseinandersetzungen, die ein Stück Mittelalter in
moderner Zeit erstehen liessen. 1506 hat der Huma-
nist Eobanus Hessus den Kampf der Erfurter Studen-
ten upd Handwerker in schwungvollem Latein be-
sungen und noch des Feldmarschalls Gneisenau Hand
trug eine Narbe, die er 1778 als Erfurter Student
aus einer Rauferei mit dem löblichen Schustergewerk
davongetragen hatte. Die Obrigkeiten versuchten
dem Uebel dadurch zu steuern, dass sie nur den
höheren Schichten des Handwerks die Erlaubnis
gewährten, wie den Goldschmieden, deren Thätig-
keit als eine künstlerische angesehen wurde, und
den Barbieren, die ja auch Chirurgen waren. So
verbot 1682 das oben erwähnte kurmainzische Edikt
nur den Handwerksgesellen, welche keiner Kunst
zugethan, den Degen zu tragen. Erläutert wird dies
durch eine 1699 gegen den Rat zu Halle gerichtete
Beschwerde, weil er einem Goldplattner, der nicht
unter die Handwerksbursche zu rechnen, den Degen
habe abnehmen lassen. Der Rat aber beruft sich
darauf, dass das Verbot auch für Goldschmieds- und
Barbiergesellen gelten solle. Freilich scheint der
Betroffene sich eifrig bemüht zu haben, akademische
Unsitten zu kopieren, denn er hatte vielen Leuten
in die Fenster gehauen und in Bierschenken Ver-
wundungen verübt. Noch ein Edikt Friedrichs des
Grossen von 1752 sieht sich genötigt, die letztge-
nannte Einschränkung wieder ins Gedächtnis zu rufen.
In Universitätsstädten sollen Kaufdiener, Gold-
schmieds-, Apotheker- und Barbiergesellen keine
Degen tragen, da sie die Studenten insultieren und
nachts die Stadt mit Wetzen und Provozieren be-

6) Staatsarchiv Magdeburg A Erzstift II, 886.
6) Staatsarchiv Magdeburg A Erfurt XIII, 6; Mylius
Corpus constitutionum Marchicarum VI, 1. Abt., S. 580; V,
1. Abt., S. 94.
 
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