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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 1
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Reimer, Paul: Die älteren Hinterladungsgeschütze, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0022

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8

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.

zeigt denn.auch das vordere Ende einer derartigen,
im Berliner Zeughause befindlichen Kammer kleinen
Kalibers ganz erhebliche, nach aussen führende,
strahlige Ausbrennungen. Die Liderungsfragc bei
Hinterladern ist ja überhaupt ein Punkt, der erst in
der allerneuesten Zeit in zufriedenstellender Weise
durch Verwendung besonderer Ringe oder Polster
gelöst worden ist und früher die weitere Ausbreitung
der Hinterladung verhindert hat. Gingen doch die
Engländer s. Zt. vom Armstrong-Verschluss bei
schweren Kalibern wieder zur Vorderladung über!
So Hessen auch die alten Hinterlader in dieser
Hinsicht trotz aller Vorsichtsmassregeln noch recht
viel zu wünschen übrig. Gegen die lebendige
Kraft der nach hinten ausströmenden Pulvergase
suchte man sich durch aufgelegte, bewegliche
Deckel wohl mit Erfolg zu schützen. So zeigt
das in Fig. 5 abgebildete Geschütz noch die seit-
lichen, vierkantigen Ansätze, an denen, der Deckel
befestigt wurde. Indessen war der nach hinten aus-
tretende Rauch überall da sehr unangenehm, wo
das Geschütz durch
eine Scharte oder
Pforte aus einem
geschlossenen Raum
herausfeuerte, also in
Schiffen,Türmen etc.
Dies bezeugt eine
Stelle der «Instruc-
ciön naütica» von
Garcia del Paläcio
über die Armirung
von Schiffen: «Alle
offenen Geschütze,
die Ladungskam-
mern haben, können nur auf dem Oberdeck auf- |
gestellt werden, weil sie unter Deck Rauch entwickeln,
der der Bedienungsmannschaft den Ausblick nimmt.
Sie können daher, wie die Feldschlangen, nur auf
der Back und auf der Campanje verwendet werden,
während für eingedeckte Aufstellungen Geschütze
mit geschlossenen Bodenstücken gebraucht werden
müssen, die den Rauch durch die Mündung ab-
geben. »
Während des ganzen 15. und auch noch im
Anfang des 16. Jahrhunderts behaupteten die Kammer-
schlangen ihren Platz in den Zeughäusern, man
schätzte sie vor allen Dingen wegen ihrer bequemen
und raschen Bedienung, so lange die Eigentüm-
lichkeit des vorhandenen Pulvers von der umständ-
lichen Ladeweise nicht absehen Hess. Von kleinem
oder mittlerem Kaliber, wurden sie, wie erwähnt,
vorzugsweise bei beschränktem Raum in Anwendung
gebracht, finden sich aber auch in Räderlafetten für
den Feldgebrauch. Als jedoch der Gebrauch eines
gekörnten, auch bei mangelhafter Einschliessung
günstig verbrennenden Pulvers auch bei der Ar-
tillerie allgemein wurde, verschwanden die Kammer-
verschlüsse, um allerdings aus anderen Gründen in

neuester Zeit vorübergehend in Preussen bei den
Wurfgeschützen kleinen und mittleren Kalibers als
sog. Schraubenverschlüsse Verwendung zu finden.
In etwas anderer Art werden wir den Kammern
weiterhin noch einmal begegnen.
Indessen blieben die taktischen Vorteile der
Hinterladung unvergessen. So sagt Solms (1559):
Zum sechsten ein Steinbuchs auff einem dopffcln
gefess dass die reder stil stehen, unnd die Büchse
mag neben sich auff beide seiten gewandt und ge-
richt werden, dessgleichen über und under sich (be-
wegliche Oberlafette). Solchs stück ist auch gut zu
gebrauchen, da man nit platz haben mag forn hin-
ein zu laden, dessgleichen auf die schiff, so ledt
man sie hinden hinein, wie hiervorn das angezeigt
wirt. Dass sie also auff dem standt zu schiff öder
landt oder flecken on umbwenden geladen unnd
geschossen werden mögen, und mann allwegen auss
einem solchen stück so bald drei schoss thut als
auss einem andern, das man forn hinein wöschen
und laden muss ein mal. Wann die seck und das
fewerwerk oder der-
gleichen was man
daraus schiessen wirt,
recht gemacht sind,
so geht esgeschwindt
zu, dann mann darff
die Büchsen nit
durchauss wöschen,
sondern hinden, so-
weit die ladung leidt
(liegt), indem schies-
sen wöscht sie sich
selber, so ist die
ladung mit dem sack
und kugeln bald hinein gethan und geschlossen» u. s. w.
— Es war also in erster Linie die durch die ver-
einfachte Bedienung bewirkte dreifache Feuergeschwin-
digkeit, welche die Hinterladung beibehalten und
weiter ausbauen liess. Eine grosse Feuergeschwindig-
keit verlangte man aber vorzugsweise bei den zur
Abwehr eines Sturmes gebrauchten kleinen Kalibern
und Kartätschgeschützen, und so finden wir gerade
bei diesen die Hinterladung besonders häufig ver-
treten. Es ist kaum glaublich, auf wie viele ver-
schiedene Arten das Problem der flinterladung ge-
löst ist, fast jede derartige Waffe hat einen anderen
Verschluss. Während es heute bei den verschie-
denen Staaten nur wenige verschiedene Verschluss-
Systeme giebt, die sich alle scharf von einander
unterscheiden lassen, ist eine Einteilung der im 16.
und 17. Jahrhundert gebrauchten oder erdachten
Verschluss-Arten schier unmöglich. Immerhin lassen
sich die meisten im Prinzip auf die modernen Konstruk-
tionen zurückführen, und so seien sic hier betrachtet.
2. Die Sehraubenverschlüsse.
Das einfachste Prinzip stellen die Schrauben-
verschlüsse- dar. Man schnitt einfach in das Boden-


Fig. 8.
 
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