Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

DOI Heft:
Heft 2
DOI Artikel:
Ehrenthal, Max von: Genuesische Klingen, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0039

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Genuesische Klingen.
Von M. von Ehrenthal in Dresden.

ei Erforschung der Herkunft
einer Waffe bieten Meister-
und Beschaumarke einen
höchst wichtigen Anhalts-
punkt; denn deren Gestal-
tung zeigt in der Regel auch
die charakteristischen Merk-
male ihrer Nationalität und
ihrer Zeit. Daher ist die
Prüfung der Marken bei der
Beurteilung und Datierung
älterer Waffen besonders dann unentbehrlich, wenn
die P ormen der letzteren allein nicht genügend den
Ursprung verraten, wie beispielsweise bei den Schwert-,
Rappier-, Säbel- und Dolchklingen. Wohl haben auch
sie die besonderen Eigentümlichkeiten ihres Landes
aufzuweisen — ich erinnere nur an die italienischen
und spanischen Klingen des 16. Jahrhunderts —,
unbedingt zuverlässig sind jedoch diese äusseren
Formen darum nicht, weil fast alle in einem be-
stimmten Lande hergestellten Waffen, sobald sie
Renommee und Beliebtheit gewonnen hatten, an an-
deren Orten sehr bald Nachahmung fanden, und
zwar häufig in solcher Vollkommenheit, dass die
Imitationen von den Originalen kaum noch zu unter-
scheiden wären, wenn nicht in der Regel die Meister-
marke ihre Plerkunft verriete. So wurden einzelne
Rappierklingen des berühmten Belluneser Schmiedes
Andrea Feraro den Toledaner Klingen aus der
Werkstatt der Sahagun so genau nachgebildet, dass
sie nur an der bekannten Marke des Meisters er-
kennbar sind. Auch die Solinger Klingenschmiede
zu Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts
sahen sich ungeachtet der vortrefflichen Qualität
ihrer Ware genötigt, dem Zeitgeschmack Rechnung
zu tragen und ihren deutschen Fabrikaten italienische
oder spanische Formen zu verleihen. Sie begnüg-
ten sich aber nicht, damit allein, sondern verwende-
ten sogar Nachbildungen von Stempeln bekannter
südeuropäischer Meister oder aber die Beschaumarken
von Städten, deren Erzeugnisse sich eines besonderen
Rufes erfreuten. Naiverweise findet sich aber neben
jenen oft die eigene Marke des Solinger Klingen-
schmiedes, so dass sich heute der Ursprung solcher
Klingen unschwer feststellen lässt. Abgesehen da-
von verhält es sich freilich mit der Nachahmung
einer Marke ganz ähnlich wie mit der Fälschung
einer Namensunterschrift: in beiden Fällen wird näm-
lich die Unechtheit fast stets erkennbar sein.

Auch bei der Bearbeitung des vorliegenden The-
mas leitete eine Marke auf den Ursprung einer grossen
Anzahl Klingen hin, wie Urkunden und Aufzeich-
nungen es besser kaum imstande gewesen wären.
Es wird dadurch der Geschichte der Klingenerzeug-
ung ein Kapitel hinzugefügt, das, irrige Annahmen
beseitigend, eine neue Bahn für weitere Forschungen
auf gedachtem Gebiete zeigt und ebnet.
An und für sich unscheinbar, beinahe unschön
zu nennen, hat die in Frage stehende Marke bisher
seitens der Fachgenossen mir geringe Beachtung
gefunden. Weder Boeheim noch Demmin erwähnen
sie in ihren Handbüchern der Waffenkunde; Pichler
in seinem Werke «Das Landeszeughaus zu Graz»
hält sie für ein steierisches Klingenschmiedzeichen.
Die Figur, welche die Marke darstellt, ist eine ganz
ungewöhnliche; sie lässt sich in keine der uns be-
kannten Gruppen einreihen; ihre Herkunft wird ledig-
lich durch andere, neben ihr vorkommende Stempe-
lungen festgestellt. Es sind zwei gegeneinander-
stehende, auf der Innen- oder Aussenseite ausge-
zahnte Kreissegmente, welche die Marke bilden.
Nicht unmöglich erscheint es, dass diese Figuren
als zwei sägenförmige Sichelklingen (ohne Angeln),
Werkzeuge, die nachweisbar im 15. und noch im
16. Jahrhundert in Italien in Gebrauch waren, ange-
sehen werden können. Die Punkte, welche von der
Mitte des 16. Jahrhunderts ab neben den Enden
der Sicheln häufig zu sehen sind, gehörten ursprüng-
lich nicht zur Marke und haben ihre Entstehung
wohl einem dekorativen Bedürfnis zu verdanken.
Wir bilden in Folgendem einige Stempel der
Sichelmarke, wie wir sie taufen wollen, .ab, welche,
mit Ausnahme von Fig. 3, 6 und 7, sich auf Klin-
gen im historischen Museum zu Dresden finden.
Es fällt wohl zunächst auf, dass die Sichelmarke
wiederholt in Verbindung mit dem Wort Genova
oder Genoa vorkommt. Dass hiermit die Stadt
Genua gemeint und durch die Stempelung mit dem
Ortsnamen der Ursprung der Klingen festgestellt
wird, liegt wohl ausser allem und jedem Zweifel.
Es boten daher besonders diese Klingen den Aus-
gangspunkt für weitere Forschungen. Neben der
Sichelmarke erblicken wir auf den Klingen auch
andere Zeichen verschiedener Art, die sofort als
Marken von Klingenschmieden erkennbar sind. Hier-
aus ergiebt sich, dass die Sichelmarke selbst als ein
örtliches Zeichen anzusehen ist. Zu einer P'igur des
städtischen Wappens, wie dies bei Beschau- und Orts-
4
 
Annotationen